Dienstag, 25. November 2008

Relax your backbone!












Ruhe, herrliche Ruhe und der Sternenhimmel mit lauter Sternschnuppen. Einfaches, aber leckeres indisches Essen mit Reis, Gemüse und Fladenbrot, frisch am Lagerfeuer zubereitet. Die Kamele schnauben manchmal und irgendwann knarzt einer der beiden kleinen Buben auf seiner Citar ein schräges „Bruder Jakob“.

Ich glaube, die Kamelsafaris kommen hier so gut an, weil der Kontrast seine Wirkung mühelos entfalten kann. In der Wüste geht einem keiner mit seinen Schalangeboten, dem besten Hotel und der schnellsten Riksha der Region auf den Nerv. Sie machen hier den Trubel nur, damit sich die Menschen auf die Kamele schwingen.

Wir zogen um halb vier los. Der Aufstieg aufs Kamel ist schon ein kleines Erlebnis, gilt es doch, den Körper auf Spannung zu halten und sich zurückzulehnen, um nicht gleich wieder vornüber runter zu fallen. Von ganz oben zu fallen könnte unangenehm werden, liefen wir doch an einem Bus vorbei und sassen auf den Kameln so, dass wir gut auf Dachhöhe des vorbeihupenden Buses waren. Auf dem Bus ca. dreissig enthusiastisch winkende und Kusshände werfende junge Inder. Der Ritt ist beschaulich, auch wenn mein Kamel Johnny laut meinem jugendlichen Kameltreiber das schnellste der Region sein soll und dafür sogar Preise gewinnt. Wir kamen an Mangoplantagen vorbei und einer nachgebauten Burg, die eine echte rote Touristenburg ist mit saftigen Übernachtungspreisen von 160 Euro pro Nacht. Zum Vergleich: Meine Übernachtung im bereits etwas gehobeneren Hotel Aroma kostet mich ca. zwei Euro. Wir kamen auch an Zelten aus Wüstenbinsen vorbei mit kleinen Familien, deren Leben man direkt betrachten konnte, da gibt es nämlich nichts, hinter dem sie sich verstecken könnten – auf die Idee des Versteckens kommen sie vermutlich auch gar nicht. Bettelnde Kinder liefen neben unseren Kameln her und wollten zehn Rupees, die sie dann aber wieder ihren Alkoholikervätern abtreten müssten, wie mir mein Treiber erklärte. Es ist schwierig, zu entscheiden, wem man hier etwas gibt, oft teile ich einfach mein Essen mit Menschen oder Tieren, die es meist dankbar annehmen.

Es hat mich gefreut, dass auf der Safari Christopher, ein in der Schweiz lebender Amerikaner und Albert dabei waren. Eigentlich sei er etwas schüchtern, meinte Christopher, wir beide redeten dann aber doch bis zwölf in der Nacht nonstopp. Er ist ein sehr ernster, aber wirklich sympathischer Typ und es hatte was von alten Freunden, wie wir da in unserem kleinen Häuschen ohne Dach auf warmen Matten lagen und Sternschnuppen suchten. Albert hat sich aus dem Gespräch ziemlich bald mit lautem Schnarchen ausgeklinkt, behauptet aber steif und fest, jedem Wort gefolgt zu sein.

Die Verbundenheit mit anderen Reisenden besprach ich mit Daniela, einer Schweizerin, die mit ihrem deutschen Freund Andreas für vier Monate durch Indien und Thailand reist. Die anderen Reisenden sind für uns eine Art Familie, mit der man sich austauscht und der man einen gewissen Vertrauensbonus schenkt. Wem von den Indern man trauen möchte, ist weit schwieriger. Interessanterweise ist es aber in Touristengegenden viel schwerer als auf dem Land, wo die Menschen einfach ihren Traditionen nachgehen und nicht versuchen, sich dem westlichen Lebensstil anzupassen. Das Fremde, wenn es authentisch ist, ist einfacher zu verstehen als das versucht Vertraute.

Richtig schwer haben wir es hier weiter mit dem Müll. Nicht einmal im Hotel gibt es einen Mülleimer, nicht den kleinsten. Ein Deutscher im Nebenzimmer redete beharrlich auf Hotelbesitzer und Angestellte ein, auf dass wir einen Mülleimer kriegen. Er meint, man müsse da hartnäckig sein. Man kann sein Zeug wirklich nur auf die Strasse werfen, wo es dann eine Kuh frisst oder in einen Fluss fliegt. Daran will ich mich nicht gewöhnen, diese Flexibilität will ich nicht aufbringen. Es widerstrebt mir, alles fallen zu lassen, wo ich gerade bin. Die Kühe z.B. verenden jämmerlich, wenn sie zu viel unverdauliches Plastik fressen, habe ich in einer Broschüre gelesen. Die Broschüre ist von einem Tierkrankenhaus, das hier errichtet wurde. Dort kann man leidende Tiere abliefern. Und von denen gibt es natürlich viele. Vor allem die vielen streunenden Hunde hinken oft. Die Kühe wirken trotz der mehr als ungesunden Ernährung recht robust und gesund. Eine hat ihr Horn in Christophers Hosentasche geschoben, was der natürlich alles andere als komisch fand. Da sie aber so sanft sind und sich auch streicheln lassen, ist die Vermutung, dass er einfach nur zufällig in Hornnähe war.

Ans Leben in Pushkar habe ich mich weitgehend gewöhnt. Es ist erstaunlich, wie schnell es geht, sich an Preise anzupassen (was- ein Abendessen im Restaurant für 1,5o Euro – schierer Wucher!) und Gewohnheiten anzunehmen. Das Normale wird unglaublich schnell relativ. Ich laufe gelassen in bunten Säcken herum und vor allem ignoriere ich die meisten vollständig verrückt scheinenden. Touristen, genauso wie die Inder, die mir was andrehen wollen. Ich laufe einfach festen Schrittes mit gesenktem Blick durch die Strassen. Hinsetzen und Ruhe haben ist in der Stadt und auch am heiligen See unmöglich, heute wollte mir am See gar ein Hund die Tasche umräumen und am Tempel ein Inder eine Plauderei anhängen. Im Hotel aber ist es herrlich ruhig, ich geniesse die Aussicht von der Dachterrasse, wo es gemütliche Matten gibt und ich einfach meinen Blog schreiben und lesen kann.

Ich habe mir die Yogastunden bei Dr. Kamal Pandey zur angenehmen Gewohneit gemacht. Relax your backbone, relax and take Sawasna, sagt er. Hinlegen, entspannen, Ruhe geben. Kann nicht schaden hier, ganz sicher nicht, vor allem wenn wieder mal Hochzeitsmusik im Hintergrund scheppert. 2,40
Euro kosten mich eineinhalb Stunden räkeln, verdrehen und entspannen, teils in Verrenkungen, die ich wirklich nicht fuer moeglich gehalten haette mit gefalteten Gliedern an erstaunlichen Orten. Ich merke, das braucht Zeit und Übung, aber man ist eindeutig im Vorteil, wenn man an Sport und Dehnen gewöhnt ist. Auch innere Reinigung und Gottbezug ist hier sehr wichtig, daher lässt sich vermutlich auch die äussere komplett ignorieren. Ein wenig Oamm singen und beten zum Abschluss hat wohl noch keinem geschadet, nur das Bauchverdrehen und auch das Augentraining mit eigener Spucke und wüstem Geschau gegen meine Sehschwäche hat sich mir noch nicht ganz erschlossen und ich fürchte, das wird auch so bleiben. Eine Reflexzonenmassage dagegen wird mir der gute Pandey vermutlich noch verpassen dürfen. Insgesamt hat er mein Vertrauen soweit schon gewonnen.

Nach einem Frühstück in der Wüste und dem Heimritt auf unseren Kameln Johnny, Mukti und Krishna machten wir drei uns in die nächstgrössere Stadt Ajmer auf, wo es Tempel zu besichtigen und neue Süssigkeiten zu probieren gab. Die Stadt hat sehr viel Moslems, die weit düsterer dreinblicken als die Hindus und uns daher nicht recht sympathisch werden wollten. In Ajmer war ein Riesentrubel in den Gassen, dem meine beiden männlichen Begleiter durch schieres Durchrennen und komplett Ignorieren begegneten. Das fand ich dann meinem Ausflug aber doch recht unzuträglich und bremste sie durch Süssigkeiten- und Gurkenkauf. Man tat aber gut daran, Fleischstücke, die von Fliegen vollständig besetzt waren und zum Kauf angepriesen wurden, zu ignorieren. Da war man doch gern wieder auf der Vegetarierspur. Man will sich gar nicht ausmalen, wie schlecht es einem nach dem Verzehr von diesen Brocken gehen würde. Wir schauten uns den roten Tempel an, der mit viel Gold geschmückt ist und wurden dort von einem nahezu manischen Inder geführt, dessen Familie nach seiner Aussage seit hunderten von Jahren an den Gemälden des Gebäudes malt. Und wir schauten uns 600 Jahre altes Moscheegemäuer an, das offenbar auch die Ziegen sehr reizvoll fanden und sich darin in Heerscharen aufhielten.

Bis zu meiner Weiterfahrt nach Varanasi über Delhi werde ich hier bleiben, hübsch mein Yoga machen und ein wenig entspannen und lesen. Aktionismus in Ehren, aber herumfahren ist mit soviel Anstrengung verbunden und ich werde mich nun dem Land weiter im guten Intellektuellenstil lesend nähern. Ich merke, dass mir ein bisschen Denken fehlt und der Verbloedung muss doch eindeutig entgegen gewirkt werden! Sehen durfte ich nun ja schon viel. Mit Marie, meiner Zimmergefährtin, werde ich heute ein Restaurant bemalen. Dafür werden wir umsonst bekocht, so zumindest hat es ihr gestern ein hier lebender Franzose erzählt. Vielleicht hat Christopher Lust, die Regie zu übernehmen, schliesslich hat er Kunst studiert und arbeitet nun als Graphikdesigner.

Was das Essen anlangt, ist man gut beraten, sich von dem Westlerfrass fern zu halten. Tiefkühlpizzen und schlabbrige Pommes sind halt nicht das, was man hier kennt und ordentlich zubereitet. Kein Wunder, unser indisches Curry schmeckt schliesslich auch meist mau. Dafür gibt es hier feine Guaven, Granatäpfel, Bananen und einige mir unbekannte Früchte. Ist eh gesünder, ordentlich Obst zu essen und hübsch indisch vegetarisch zu bleiben.

Womöglich macht mir wieder ein zwanzigjähriger Inder Avancen, der mich gestern mit seinem Moped zum Bus fuhr und mir auch prompt erzählte, dass sein Freund bei einem Unfall auf eben einem solchen Gefährt kürzlich ums Leben kam. Er selbst sass ebenfalls drauf, ihm ist aber nichts passiert. Jedenfalls fragte er mich nach meinem Alter und meinte mit einer Hand auf meinem Knie: „Ah, I like old!“ Auch schön!

2 Kommentare:

SM hat gesagt…
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嘿嘿 hat gesagt…
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