Freitag, 28. November 2008

Wellness gegens In die Luft fliegen









Daniela, meine Schweizer Nachbarin, hat es auf den Punkt gebracht: Für eine Reise sind die anderen Reisenden die Familie. Mit ihnen tauscht man sich aus, man hilft sich mit Tipps und Medikamenten weiter, man verarbeitet gemeinsam Erlebnisse. Das sind meist kurze, aber intensive Begegnungen. Die Bomben in Mumbai beschäftigen uns natürlich alle, manche gehen offensiv damit um und reden darüber, andere scheinen es eher zu verdrängen. Manche haben auch die indische Betrachtungsweise angenommen: es kommt, wie es kommt, man kann eh nichts machen. Die meisten schwanken zwischen Sorge und Gelassenheit, zwischen Relativieren der Zahlen (Menschen in Bombay und Tote) und Bedrückung wegen des Ausnahmezustands. Auch sind wir nicht sicher, ob es eine so gute Idee des Präsidenten ist, sich über Bangladesh und Pakistan und feindliche Grenzen in diesem Zusammenhang auszulassen.

Ich war vernünftig und habe meine Halsbrecherverbindung gestern umgebucht und dabei sogar 150 Euro gespart. Mein Flug wäre am 14.12. von Mumbai nach Bangkok gegangen, dort 10 Stunden Aufenthalt, weiter nach Sidney und dann Auckland. Nun fliege ich am 8. von Delhi über Kuala Lumpur. So spare ich mir 27 Stunden Zugfahrt, den dortigen Bahnhof und Flughafen und natürlich auch Bangkok, wo vollständig unklar ist, wie die Dinge weitergehen.

Ansonsten hilft nicht viel ausser sich weiter zu informieren und aufzupassen. Es ist interessant, wie auch eine so bedrohliche Situation zur Normalität für uns hier wird. Man kann nur versuchen, einen klaren Kopf zu behalten. Und so haben wir auch weiter Freude an unserer Zeit hier. Ich habe heute einen kleinen Wohlfühltag eingelegt mit einer fast schon zur Routine gewordenen Yogastunde in der Früh, einer halben Stunde im Pool, den mir ein Holländer im Internetcafe empfohlen hat und der für 80 cent frei zugänglich ist und vor allem einer Massage. Für eine Massage braucht es wiederum ein gewisses Vertrauen in den Masseur, da schien mir mein fröhlicher und freundlicher Yogalehrer sehr geeignet. Zudem hat er seine Physiotherapie, Yoga und ayurvedische Medizin an der Uni studiert und wirkt rundum professionell. So richtig beurteilen kann ich das natürlich nicht mit meinen westlichen Äugelein, die ich jeden Tag mit Spucke reinigen soll. Er hat sich eine Stunde ziemlich verausgabt, an Zehen und Haaren gezogen, mich ordentlich eingeölt und mir damit Freude gemacht, dass er meinte: „You have a good body, not only a beautiful body!“, da ich nicht über irgendwelche Schmerzen klagte und ihm gut trainiert und gesund erschien. So richtig von oben bis unten durchgeknetet zu werden ist ein herrlicher und hier mit zehn Euro erschwinglicher Luxus, den ich mir nur zu gerne gegönnt habe.

Neben der Massage hat er mir Einsicht in seine Lebensauffassung gegeben, die angenehm entspannt ist. Er meint, er glaubt an die Liebe und an nicht viel sonst. Priester und Geschäftsleute seien vom selben Schlag und vor allem hinter Geld her. Es sei wichtig, Mensch, Tier und Natur in ihrer Art bestehen zu lassen. Ich glaube, es geht ihm um Authentizität, um bewusstes Erleben der Gegenwart und um eine gewisse Gelassenheit dem Leben und vor allem dem eigenen Ego gegenüber. Ihm ist das Praktische wichtig, dass man seinen Körper spürt und auf dem Boden bleibt. Ich glaube, verrückte Yogaspinner sind ihm auch suspekt. Ein netter Mensch, von einem ganz Hintergrund, mit einer ganz anderen Kultur, haben wir doch zu einem gewissen Verständnis gefunden.

Ich lerne allerhand Nahrung und Medizin kennen. Tulsi gegen die Erkältung, die ich mir eingefangen habe, Spirulina (Algen) gegen den drohenden Eisen- und Vitaminmangel und Neem gegen Pickel. Was nun wirklich hilft, soll sich zeigen.

Chris ist heute abgefahren, wir haben noch den grossen Krishnatempelhügel erklommen, den Sonnenunterganng genossen und ich habe versucht, ihm zu erklären, was ich unter Philosophie verstehe. Er war ein wenig wie ein alter Freund für mich, seltsamerweise und die Zeit zusammen war locker und interessant. Er steht dem Leben gelassen gegenüber, ist wenig an Geld interessiert und wurschtelt sich wohl auch recht erfolgreich und offen durch. Wir hatten uns pausenlos etwas zu erzählen. Ich verstehe gar nicht, warum andere Leute sagen, das Alleinereisen sei vor allem deshalb langweilig, weil die meisten Gespräche nur um die Fragen gingen, wo man herkommt und wo man hin will. Ich habe mit dem Spanier Daniel über seinen Reisejournalismus gesprochen, mit den Schweizern über Gelassenheit und Freude beim Reisen, mit Marie über Zukunftssorgen und die Dinge, die man auch hier einfach anpacken kann, mit Chris über Kunst und Spiritualität, mit Albert über das Singledasein und mit Kavita über unser halbes Leben. Sie habe ich noch davon abgehalten, bis nach Mumbai zu fahren, ihr Ticket ging gerade am 26. dorthin und ich machte mir ernste Sorgen.

Mit Marie habe ich angefangen, ein Restaurant zu bemalen. Ich habe ein Plakat fabriziert, das andere Touristen zum Mitmalen einladen soll und vielleicht wird der Raum in Bälde ein wenig schöner und bunter aussehen. Sie macht lieber drauflos, ich bin mehr für einen Plan, der Besitzer steht allem vollkommen gleichgültig gegenüber. Dementsprechend ist auch seine Karte ein Potpourri. Seltsam, was hier alles zu funktionieren scheint. Viele Restaurants scheinen kein Konzept zu haben, keine Spezialitäten und einiges grässliches westliches Essen. Ich glaube, mit einem kleinen, aber feinen Restaurant, mit ein wenig Stil eingerichtet und wenigen, aber ausgezeichneten und erschwinglichen, aber nicht billigen Gerichten könnte man hier ein Vermögen machen, wenn man schon mit einem solchen Chaos, wie man es hier überall findet, Geld verdienen kann. So waren wir heute im so genannten Hardrock Cafe, in dem man „sendwitches“ lieber nicht geniessen sollte (lange Zeiten zwischen Bett und Klo sind die von Andreas schmerzlich erfahrene Folge) und in dem man Weichspülindipop hört. Hm.

Das für mich erst zu sehr von Spinnern bevölkerte Pushkar ist mir vertraut geworden. Ich mag die Geschichten: von meinem Hotelbesitzer Bapu, der dem offensichtlich sehr wiefen Jungen Tikam einen Job gegeben hat, damit er neben der Schule Geld für seine schwerkranke Mutter verdienen kann. Und wenn man ein klein wenig in die Richtung läuft, in die die Verrückten nicht gehen, entdeckt man sofort ganz andere Reisende wie David, der hier 16 Monate in einem Haus lebte und doch nie Ruhe hatte, weil dort selbst während er schlief munterer Durchgang herrschte. Privatsphäre gibt es hier genauso wenig wie nächtliche Ruhe und anständige Schokolade.

Den Sonnenuntergang wollte ich in der Wüste anschauen und lief dorthin, verfolgt von einer Kinderschar. Die Buben fragen meist nach meinem Ehemann und versuchen mich dann zu überzeugen, sie zu heiraten und doch zumindest in ihr Haus zu kommen oder ihnen wenigstens ein paar Euromünzen zu schenken. Den Mädchen soll ich Kekse kaufen, manche finden es auch ganz lustig, wenn ich sie durch die Luft wirble. Und alle flippen schier aus, wenn ich sie fotografiere. Auch einem Baby sollte ich Kekse kaufen, meinte seine Mutter Indira. Ich liess mich zu einer Packung Babynahrung breitschlagen und hoffe, das Kind wird auch wirklich damit gefüttert und nicht mit Keksen. Ihr seht sie beide auf dem Photo auf dem Boden sitzend. Es gilt ständig zu entscheiden, wem man die Bedürftigkeit abnehmen mag, wem man ein wenig Geld oder Zuwendung schenken mag und womit man die Lage wirklich ein bisschen besser macht. Insgesamt habe ich das Gefühl, mich nun ganz zufriedenstellend durch all das zu navigieren. Ich gebe nicht viel Geld aus und was ich ausgebe, ist in Ordnung. Einige Lektionen in Gelassenheit, Zuversicht und Umgang mit Menschen hat mich dieses Land gelehrt und mich auf ein paar Proben gestellt. Mal sehen, wie ich die weiteren zehn Tage meistere.

Mittwoch, 26. November 2008

Alles bestens

Keine Sorge, mir gehts gut, ich bin weit weg von Bombay!

Dienstag, 25. November 2008

Relax your backbone!












Ruhe, herrliche Ruhe und der Sternenhimmel mit lauter Sternschnuppen. Einfaches, aber leckeres indisches Essen mit Reis, Gemüse und Fladenbrot, frisch am Lagerfeuer zubereitet. Die Kamele schnauben manchmal und irgendwann knarzt einer der beiden kleinen Buben auf seiner Citar ein schräges „Bruder Jakob“.

Ich glaube, die Kamelsafaris kommen hier so gut an, weil der Kontrast seine Wirkung mühelos entfalten kann. In der Wüste geht einem keiner mit seinen Schalangeboten, dem besten Hotel und der schnellsten Riksha der Region auf den Nerv. Sie machen hier den Trubel nur, damit sich die Menschen auf die Kamele schwingen.

Wir zogen um halb vier los. Der Aufstieg aufs Kamel ist schon ein kleines Erlebnis, gilt es doch, den Körper auf Spannung zu halten und sich zurückzulehnen, um nicht gleich wieder vornüber runter zu fallen. Von ganz oben zu fallen könnte unangenehm werden, liefen wir doch an einem Bus vorbei und sassen auf den Kameln so, dass wir gut auf Dachhöhe des vorbeihupenden Buses waren. Auf dem Bus ca. dreissig enthusiastisch winkende und Kusshände werfende junge Inder. Der Ritt ist beschaulich, auch wenn mein Kamel Johnny laut meinem jugendlichen Kameltreiber das schnellste der Region sein soll und dafür sogar Preise gewinnt. Wir kamen an Mangoplantagen vorbei und einer nachgebauten Burg, die eine echte rote Touristenburg ist mit saftigen Übernachtungspreisen von 160 Euro pro Nacht. Zum Vergleich: Meine Übernachtung im bereits etwas gehobeneren Hotel Aroma kostet mich ca. zwei Euro. Wir kamen auch an Zelten aus Wüstenbinsen vorbei mit kleinen Familien, deren Leben man direkt betrachten konnte, da gibt es nämlich nichts, hinter dem sie sich verstecken könnten – auf die Idee des Versteckens kommen sie vermutlich auch gar nicht. Bettelnde Kinder liefen neben unseren Kameln her und wollten zehn Rupees, die sie dann aber wieder ihren Alkoholikervätern abtreten müssten, wie mir mein Treiber erklärte. Es ist schwierig, zu entscheiden, wem man hier etwas gibt, oft teile ich einfach mein Essen mit Menschen oder Tieren, die es meist dankbar annehmen.

Es hat mich gefreut, dass auf der Safari Christopher, ein in der Schweiz lebender Amerikaner und Albert dabei waren. Eigentlich sei er etwas schüchtern, meinte Christopher, wir beide redeten dann aber doch bis zwölf in der Nacht nonstopp. Er ist ein sehr ernster, aber wirklich sympathischer Typ und es hatte was von alten Freunden, wie wir da in unserem kleinen Häuschen ohne Dach auf warmen Matten lagen und Sternschnuppen suchten. Albert hat sich aus dem Gespräch ziemlich bald mit lautem Schnarchen ausgeklinkt, behauptet aber steif und fest, jedem Wort gefolgt zu sein.

Die Verbundenheit mit anderen Reisenden besprach ich mit Daniela, einer Schweizerin, die mit ihrem deutschen Freund Andreas für vier Monate durch Indien und Thailand reist. Die anderen Reisenden sind für uns eine Art Familie, mit der man sich austauscht und der man einen gewissen Vertrauensbonus schenkt. Wem von den Indern man trauen möchte, ist weit schwieriger. Interessanterweise ist es aber in Touristengegenden viel schwerer als auf dem Land, wo die Menschen einfach ihren Traditionen nachgehen und nicht versuchen, sich dem westlichen Lebensstil anzupassen. Das Fremde, wenn es authentisch ist, ist einfacher zu verstehen als das versucht Vertraute.

Richtig schwer haben wir es hier weiter mit dem Müll. Nicht einmal im Hotel gibt es einen Mülleimer, nicht den kleinsten. Ein Deutscher im Nebenzimmer redete beharrlich auf Hotelbesitzer und Angestellte ein, auf dass wir einen Mülleimer kriegen. Er meint, man müsse da hartnäckig sein. Man kann sein Zeug wirklich nur auf die Strasse werfen, wo es dann eine Kuh frisst oder in einen Fluss fliegt. Daran will ich mich nicht gewöhnen, diese Flexibilität will ich nicht aufbringen. Es widerstrebt mir, alles fallen zu lassen, wo ich gerade bin. Die Kühe z.B. verenden jämmerlich, wenn sie zu viel unverdauliches Plastik fressen, habe ich in einer Broschüre gelesen. Die Broschüre ist von einem Tierkrankenhaus, das hier errichtet wurde. Dort kann man leidende Tiere abliefern. Und von denen gibt es natürlich viele. Vor allem die vielen streunenden Hunde hinken oft. Die Kühe wirken trotz der mehr als ungesunden Ernährung recht robust und gesund. Eine hat ihr Horn in Christophers Hosentasche geschoben, was der natürlich alles andere als komisch fand. Da sie aber so sanft sind und sich auch streicheln lassen, ist die Vermutung, dass er einfach nur zufällig in Hornnähe war.

Ans Leben in Pushkar habe ich mich weitgehend gewöhnt. Es ist erstaunlich, wie schnell es geht, sich an Preise anzupassen (was- ein Abendessen im Restaurant für 1,5o Euro – schierer Wucher!) und Gewohnheiten anzunehmen. Das Normale wird unglaublich schnell relativ. Ich laufe gelassen in bunten Säcken herum und vor allem ignoriere ich die meisten vollständig verrückt scheinenden. Touristen, genauso wie die Inder, die mir was andrehen wollen. Ich laufe einfach festen Schrittes mit gesenktem Blick durch die Strassen. Hinsetzen und Ruhe haben ist in der Stadt und auch am heiligen See unmöglich, heute wollte mir am See gar ein Hund die Tasche umräumen und am Tempel ein Inder eine Plauderei anhängen. Im Hotel aber ist es herrlich ruhig, ich geniesse die Aussicht von der Dachterrasse, wo es gemütliche Matten gibt und ich einfach meinen Blog schreiben und lesen kann.

Ich habe mir die Yogastunden bei Dr. Kamal Pandey zur angenehmen Gewohneit gemacht. Relax your backbone, relax and take Sawasna, sagt er. Hinlegen, entspannen, Ruhe geben. Kann nicht schaden hier, ganz sicher nicht, vor allem wenn wieder mal Hochzeitsmusik im Hintergrund scheppert. 2,40
Euro kosten mich eineinhalb Stunden räkeln, verdrehen und entspannen, teils in Verrenkungen, die ich wirklich nicht fuer moeglich gehalten haette mit gefalteten Gliedern an erstaunlichen Orten. Ich merke, das braucht Zeit und Übung, aber man ist eindeutig im Vorteil, wenn man an Sport und Dehnen gewöhnt ist. Auch innere Reinigung und Gottbezug ist hier sehr wichtig, daher lässt sich vermutlich auch die äussere komplett ignorieren. Ein wenig Oamm singen und beten zum Abschluss hat wohl noch keinem geschadet, nur das Bauchverdrehen und auch das Augentraining mit eigener Spucke und wüstem Geschau gegen meine Sehschwäche hat sich mir noch nicht ganz erschlossen und ich fürchte, das wird auch so bleiben. Eine Reflexzonenmassage dagegen wird mir der gute Pandey vermutlich noch verpassen dürfen. Insgesamt hat er mein Vertrauen soweit schon gewonnen.

Nach einem Frühstück in der Wüste und dem Heimritt auf unseren Kameln Johnny, Mukti und Krishna machten wir drei uns in die nächstgrössere Stadt Ajmer auf, wo es Tempel zu besichtigen und neue Süssigkeiten zu probieren gab. Die Stadt hat sehr viel Moslems, die weit düsterer dreinblicken als die Hindus und uns daher nicht recht sympathisch werden wollten. In Ajmer war ein Riesentrubel in den Gassen, dem meine beiden männlichen Begleiter durch schieres Durchrennen und komplett Ignorieren begegneten. Das fand ich dann meinem Ausflug aber doch recht unzuträglich und bremste sie durch Süssigkeiten- und Gurkenkauf. Man tat aber gut daran, Fleischstücke, die von Fliegen vollständig besetzt waren und zum Kauf angepriesen wurden, zu ignorieren. Da war man doch gern wieder auf der Vegetarierspur. Man will sich gar nicht ausmalen, wie schlecht es einem nach dem Verzehr von diesen Brocken gehen würde. Wir schauten uns den roten Tempel an, der mit viel Gold geschmückt ist und wurden dort von einem nahezu manischen Inder geführt, dessen Familie nach seiner Aussage seit hunderten von Jahren an den Gemälden des Gebäudes malt. Und wir schauten uns 600 Jahre altes Moscheegemäuer an, das offenbar auch die Ziegen sehr reizvoll fanden und sich darin in Heerscharen aufhielten.

Bis zu meiner Weiterfahrt nach Varanasi über Delhi werde ich hier bleiben, hübsch mein Yoga machen und ein wenig entspannen und lesen. Aktionismus in Ehren, aber herumfahren ist mit soviel Anstrengung verbunden und ich werde mich nun dem Land weiter im guten Intellektuellenstil lesend nähern. Ich merke, dass mir ein bisschen Denken fehlt und der Verbloedung muss doch eindeutig entgegen gewirkt werden! Sehen durfte ich nun ja schon viel. Mit Marie, meiner Zimmergefährtin, werde ich heute ein Restaurant bemalen. Dafür werden wir umsonst bekocht, so zumindest hat es ihr gestern ein hier lebender Franzose erzählt. Vielleicht hat Christopher Lust, die Regie zu übernehmen, schliesslich hat er Kunst studiert und arbeitet nun als Graphikdesigner.

Was das Essen anlangt, ist man gut beraten, sich von dem Westlerfrass fern zu halten. Tiefkühlpizzen und schlabbrige Pommes sind halt nicht das, was man hier kennt und ordentlich zubereitet. Kein Wunder, unser indisches Curry schmeckt schliesslich auch meist mau. Dafür gibt es hier feine Guaven, Granatäpfel, Bananen und einige mir unbekannte Früchte. Ist eh gesünder, ordentlich Obst zu essen und hübsch indisch vegetarisch zu bleiben.

Womöglich macht mir wieder ein zwanzigjähriger Inder Avancen, der mich gestern mit seinem Moped zum Bus fuhr und mir auch prompt erzählte, dass sein Freund bei einem Unfall auf eben einem solchen Gefährt kürzlich ums Leben kam. Er selbst sass ebenfalls drauf, ihm ist aber nichts passiert. Jedenfalls fragte er mich nach meinem Alter und meinte mit einer Hand auf meinem Knie: „Ah, I like old!“ Auch schön!

Sonntag, 23. November 2008

Yoga auf dem Kamel?




Dr. Kamal Pandey, Physiotherapeut und Astrologe und Oberyogi mit vielfachen Doktortiteln hat sich um mein Yogastretching angenommen. Eineinhalb Stunden auf einem Teppich in einigen mittelmaessig bis wirklich wilden Verrenkungen und danach sollten wir unser T-Shirt hochrollen und unsere Maegen einziehen und aufs wildere verrenken. Soll ja gesund sein und es sieht auch wirklich lustig aus, jedenfalls schadet dieser kleine Abend- und Morgensport sicher nicht. Dagegen hat nur meine Hose protestiert, die ich auf Naehkur geschickt habe. Auch Albert findet das Yoga nicht schlecht. Er ist ein Hollaender, mit dem ich gestern erst den Restauranttisch und dann den Nachmittag teilte. Bei ihm hat wieder mal meine typische Anziehungskraft gewirkt, Ihr wisst, was ich meine. Am Nachmittag bestiegen wir einen weiteren Tempelhuegel, auf dem ein gigantischer Baum mit herrlichen Luftwurzeln steht. Albert meinte, ich sei nicht mehr von einem Affen zu unterscheiden.

Ausserdem hat sich uns noch der Amerikaner Christopher am Abend angeschlossen, als wir ziemlich unbeholfen Billardkugeln ueber den Tisch schoben. Mit dem Paerchen aus der Schweiz und Marie koennten wir auf der fuer heute abgemachten Kamelsafari ein respektables Grueppchen bilden. Ohne andere Touristen seis naemlich doch sehr ruhig, hat mir eine Neuseelaenderin erzaehlt. Da seien die Sterne, der Sand, die Kamele, aber sonst eben nichts. Und man soll mal huebsch den Sportbh anziehen. Das glaube ich gerne, neulich habe ich eine dickliche bleiche Europaerin recht ungluecklich auf dem Kamel hin- und herwabbeln sehen.


Ich denke ueber Vertrauen nach und wie man sich seine Leute aussucht. Traut man dem einen, traut man dessen Freunden eher. Vorschusslorbeeren und langsam tut sich ein Netz auf, man weiss, wo man hingehen, wer einem womit hilft und einen beraet. Was man im taeglichen Leben daheim koennen sollte, weil es einem weiterhilft, ist auf Reisen unendlich viel wichtiger. Immer wieder eine neue Chance mit einem neuen Menschen.

Ich freue mich vor allem darauf, nun bald das touristische Leben gegen das in Varanasi bei Rachanas Familie tauschen zu koennen. Und kein Touristenessen mehr, sondern wieder richtige, feine Chapati, auf dem Boden sitzend auf einem Teppich eingenommen! Und ich vermisse tatsaechlich die Ratten und Bettwanzen ein bisschen.

Samstag, 22. November 2008

Passend machen

Marie und ich haben den Sonnenaufgang auf dem nahe gelegenen Berg einfach verschlafen. Statt wie geplant hübsch um halb sechs dorthin aufzubrechen, schlummerten wir bis um halb neun, unterbrochen von nächtlichem Radau – der November soll hier nämlich der grosse Hochzeitsmonat sein und das wiederum bedeutet viel Krach. So auch in einem nahe gelegenen Tempel, wo es eine von mir so genannte Ohrenbetäubklappermaschine gibt, die von einem kleinen Jungen mit einem breiten Grinsen bedient wird.

Sehr gefreut habe ich mich heute ueber einen Polizisten, der Halt machte, einige Bananen aus seinem Auto holte und sie den eleganten grauen Affen reichte. Jedem eine, wobei er sich reckte und sehr anmutig verteilte. Ich war begeistert, zumal er auch noch ein hübscher, gut aussehender Polizist ist. Ich sprach ihn natürlich an, er liess mich auch eine Banane füttern und er fragte prompt, was ich heute noch vorhätte. Hm, ob ich doch nicht mit Marie ins Hotel hätte laufen, sondern mit ihm ein wenig weiter plaudern sollen?

Den Tag haben Marie und ich geteilt in anstrengendes Umherirren am Vormittag auf der Suche nach der Post und der Touristeninformation und einem herrlichen Nachmittag mit einem Wuestenspaziergang und einer Huegelbesteigung. Da alles so bunt und laut ist und wir auf unserer Suche gezählte siebenundzwanzig Mal angesprochen wurden, waren wir nur mit der Post erfolgreich. Der Rest war Ignorieren, zu Boden schauen und einfach weitergehen.

Der Nachmittag war ein Spaziergang in die Wüste. Wüste heisst hier zwar schon Sand, aber mit flachen Bäumen durchsetzt und vielen Ziegenhirten und ihren kleinen Herden. Hier trifft man auch wieder auf Leute, die einen einfach nur zurückhaltend grüssen und einen dann nicht weiter behelligen und verfolgen. Beim Aufstieg zum Tempel auf einem Hügel traf ich auf ein deutsches Paar, das vollständig normal wirkte. Sie erzählte mir, sie seien schon nahe dran gewesen, wieder abzureisen, hätten sich dann aber über einen Gletschertrip und weniger touristische Orte doch eine sehr schöne Zeit gemacht. Seit ich hier bin, verstehe ich erst, warum man keine Touristen mehr sehen mag: Wenn sich die hiesige Bevölkerung ganz deren vermeintlichen und tatsächlichen Bedürfnissen anpasst, bereist man nicht mehr ein Land, sondern einen Jahrmarkt. Und da ich schon das Oktoberfest meide, geht es mir hier natürlich genauso. Lieber gemütlich abends im Zimmer lesen, als cool hinter einem Bhang Lassi, also einem Marihuanalassi hängen, das man uns gestern schon beiläufig angeboten hat.

Ich versuche, morgen ein Kamel für einen kleinen Ausflug zu besteigen und fuer heute abend werde ich mich ins Yoga begeben. Derweil umarme ich meine emsigen Leser vom unten sichtbaren kleinen Gipfel der Welt und bedanke mich fuer Eure lieben Mails! Mit Euch macht Reisen wirklich so richtig Spass!








Freitag, 21. November 2008

Pushkar und der ganze Wahn







Wie war das mit Hochmut und Fall? Nun ja, nachdem ich in Almora unbedingt noch allerlei Süsses und Fettes essen musste, hat mein Magen nach fünf Stunden Busfahrt ansehnlich protestiert. Nach einem verschlafenen Tag im Sri Aurobindo Ashram in Delhi, meinem Allheilmittel Apfelschorle, etwas vom guten Iberogast und homöpathischen Kügelchen, die mir Kavita reichte und auch der hiesige Homöpath mitgab, ist alles schon wieder ganz gut. Ich vermisse frischen Salat und ungesüsste Fruchtsäfte. Ich würde gerne Leitungswasser trinken und meine Zähne damit putzen. Ein ordentliches Müsli hätte auch was. Und ich will ein Steak, ausgerechnet. Aber diese Wünsche werde ich mir sicher in Neuseeland erfüllen können.

Lorna stimmte mir zu, dass man sich als Westler immun fühlt. Nein, mich fällt kein Tiger an, sowas gibt es doch nur in den wilden Geschichten über Afrika, aber nicht im wahren Leben. Und mich erwischt auch sonst keine Krankheit wie Tollwut, die bei uns als ausgemerzt gilt und Lepra sowieso nicht. Ich bin doch eine Weisse, grösser als die meisten Inder, überblicke das Feld und bin mehr ein Betrachter vom fernen Stern und nicht so ganz mittendrin. Bald ist der Traum wieder vorbei. Erst als ich vom Typhus der Schwedin höre und diese unglückliche Nacht im Zug verbringe, dämmert auch meinem Gefühl, dass ich mehr mittendrin bin als ich wahrhaben will. Die Westler in Delhi lächelten mich in freundlicher Verbundenheit an, ein bisschen als wollten sie sagen: „Ist schon verrückt hier, nicht wahr? Aber wir haben ja uns.“ Ich weiss nicht, was ich davon halten soll.

Die Busfahrt von Almora nach Kathgodam war eine wirkliche Meditationsübung. Ich sass vorne und war zu Beginn der kurvigen Fahrt in diesem sehr rostigen und knarzenden Bus, naja, man könnte sagen: nervös. Zu Kavita gebrauchte ich die Worte: „scared to death“. Ich hatte sehr oft die Gelegenheit den geschätzte vierzig Meter entfernten Abgrund direkt unter mir zu betrachten. Aber irgendwann war mir klar: Alarmstufe eins wird mir nicht helfen. Wenn ich das nicht überleben sollte, so könnte ich meine letzten Stündchen auch in gelassener Freude verbringen. Ich hörte ein wenig Musik, sang dann vor mich hin und genoss die Aussicht, die schliesslich im wahrsten Sinne atemberaubend war. Natürlich gibt es keine Strassenbeleuchtung und entgegenkommende Fahrzeuge, zumeist Busse oder LKW, die wie ein ganzer Jahrmarkt mit Herzen und anderem Blinkzeug ausgerüstet sind, werden auf besondere Weise gewarnt, dass man kommt. Man schaltet in schneller Abfolge das Licht aus und kommt zu einem kreischenden Halt. Das kann manchmal etwas dramatisch wirken, wenn beide am Steilhang bremsen und es auf einem Stocknacht ist, weil beide ihre Lichter ausschalten und niemand mehr weiss, wo er nun eigentlich hängt oder steht. Insgesamt funktioniert das aber erstaunlich gut. Und der Verkehr ist zwar von stetem Hupen durchsetzt, es wird aber nie geflucht und es gibt keine bösen Zeichen. Hupen bedeutet nur, dass man kommt und der andere einen bitte nicht über die Böschung schieben soll.

Die Zugfahrt über döste ich, mein Magen liess mir keine Gelegenheit, mir über andere Dinge Sorgen zu machen und mit meiner wunderbaren Thermarestmatte und Schlafsack konnte ich sogar neben dem andauernd ohrenbetäubend quakenden Lautsprecher „May I have your attention, please?!“ passabel ruhen. Ein Pakistanischer Mann war von all dem recht beeindruckt und meinte, ich hätte da ja ein tolles Arrangement. Hier kennt man nämlich diese Outdoorsachen einfach nicht. Ein Inder im Bus erklärte den anderen bereits ziemlich aufgeregt die Funktionsweise meines Rucksacks mit Hüftgurt, Thermarestmatten und Schlafsäcke sind da freilich noch viel grössere Sensationen. Vor allem, wenn man gewöhnt ist, seine Sachen in alten Säcken zu transportieren und mit einer Art Stirnband befestigt herumzuschleppen oder auf dem Kopf zu tragen.

Ich brachte mit Kavita wieder einmal das Thema Komfort zur Sprache. Im Vergleich zu ihr bin ich ein rechtes Weichei. Sie meinte, im Westen findet sie es weit weniger komfortabel, zumal man sich nichts leisten kann und sehr viel dafür arbeiten muss, oft in einem Job, den man hasst. Das nennt sie einen Mangel an Komfort. Hier kann für drei Euro Übernachtung und Vollpension buchen, wobei man soviel Nachschlag haben kann, wie man will. Man fährt zehn Stunden Zug für drei Euro im Schlafwagen und ein Essen in einem schicken Restaurant mit vielen Gängen für zwei ist durchaus für sechs Euro zu haben. Und Taschenbücher kosten zwischen drei und zehn Euro, selbst die importierten. Ich bin gespannt, wie ich das Thema Komfort in Neuseeland neu betrachten werde. Ich freue mich schon sehr auf die Reise dorthin.

Mittlerweile bin ich an meinem neuen Ziel Pushkar angelangt.Gestern starteten wir mit dem Nachtzug von Delhi los und ich überreichte Kavita ein Buch von Sutcliffe zum Abschied, auf dass sich der Spass fortsetze, den wir gemeinsam hatten. Sie ermahnte mich mehrmals zu schreiben, dass er mir auch wirklich gut gehe und wollte schon beinahe mit mir in Ajmer aussteigen, um mit mir weiter nach Pushkar zu fahren. Ich wurde sozusagen wieder einmal adoptiert. Doch kaum nahte die Trennung von Kavita, änderte sich auch meine Rolle und ich lotste zwei Spanier und eine Französin gen Bus und damit gen Pushkar. Von den Spaniern spricht einer ein wenig Englisch, der andere Französisch und bei Marie, der Französin ist es mit Englisch nun wirklich nicht weit her. Sie war so froh, dass ich die Dinge in die Hand nahm, dass ich nun mit ihr ein Zimmer im Aroma Hotel in Pushkar teile und viel am Übersetzen bin. Das Hotel hat eine Dusche, warmes Wasser und vermutlich keine Bettwanzen, mehr will man nun wirklich nicht erwarten für die zwei Euro Übernachtungskosten.

Nachdem ich in Pushkar gleich zwei Stufen aus dem Bus auf meinen Rucksack fiel und von einigen schockierten Indern in die Höhe gezogen wurde, bugsierte ich mich durch alle Herren mit offenkundig überaus preisgünstigen aber exzellenten eigenen Etablissements gen Hotel. Alle wollen natürlich, dass man in ihrem Gästehaus übernachtet. Einer von ihnen war besonders hartnäckig, so hartnäckig, dass wir es irgendwann beide komisch fanden und lachen mussten. Vor allem, als ich anfing, weitere mögliche Vorzüge seines Hotels aufzuzählen wie z.B. einen Riesenpool und eigene Diener für mich.

Hier angelangt rief ich Yaan an. Er kam sofort mit seinem Motorrad angebraust und nahm Marie und mich mit in seinen Laden, munter durch die Fussgänger navigierend. Er ist ein sehr attraktiver und netter Inder mit sehr gutem Englisch, der offenbar seine zweieinhalbjährige Nichte sehr liebt, mit der wir lustig gealbert haben. Er hat hier einen bunten Taschenladen und arbeitet nebenher als Touristenführer. Er hatte gleich eine Täschlein für meinen Schlafsack parat, dessen eigentliche Tasche ich dummerweise im Zug habe liegen gelassen. Bei ihm traf ich auch noch auf eine italienische Dame, Rosanna, die auch kein Englisch kann. Mit den dreien ergab sich so eine eher anstrengende Unterhaltung, da ich für alle als Übersetzer herhielt, worüber sie natürlich ganz froh waren. Yaan meinte schon, Rosanna sei schon am Vortag aufgekreuzt und man habe nur über den Taschenrechner und daher wohl über Preise kommuniziert. Sein bester Freund hat gerade ein kleines Hotel eröffnet mit tollem Blick auf den heiligen See, in dem man auch mit viel Respekt und vor allem voller Bekleidung ein Bad nehmen darf. Die Dachterrasse ist hier wie in unserem Hotel sensationell und vor allem hat man Gelegenheit, einmal ein wenig Ruhe zu geniessen und z.B. seinen Blog zu schreiben, ohne dass einem die verschiedensten Menschen lautstark die verschiedensten Dinge andrehen wollen. Der eine Junge sammelt Münzen aus der ganzen Welt und will mich in sein Haus einladen, die nächste Frau will photographiert werden, Kinder wollen mir die Hand schütteln, andere wollen mich mit der Riksha herumkutschieren und die nächsten wollen mir eine Blume für den heiligen See geben und wieder einer will mir seine Kirche zeigen. Auf all diese verlockenden Angebote kann ich natürlich nicht eingehen und bin manchmal kurz davor zu schreien: „Stop! Ich will jetzt sofort meine Ruhe haben! Ich bin ein ordnungs- und privatsphäregeliebender Europäer und ich will mal fünf Minuten denken, ohne dass mich wieder einer anquatscht!“ Meinem Wunsch nach all dem hat das Schicksal nachgegeben, als ich gestern ganz zufällig in der Bibliothek des Goetheinstituts landete. Ordentliche Zeitungen mit Text, in die man sich mehr als zwei Minuten vertiefen kann! Bücher, Ruhe! Mein Gott, war das schön!

Meditieren oder wahnsinnig werden, das scheinen hier die Alternativen zu sein. Mit einer Mischung aus Abscheu und Verwunderung treffe ich hier auf einige Westler, die das offenbar nicht als Alternativen, sondern als wunderbare Kombination ansehen: meditieren UND wahnsinnig werden scheint ihre Wahl zu sein, wenn sie mit vollkommen verklärtem Blick Blümchen durch den See schieben, die Augen auf irgendeinen selbst ernannten Guru geheftet, eingehüllt in vielfarbige Stoffbahnen. Nein, das kann nicht gesund sein! Ganz so viele Touristen habe ich bis dato noch nirgends in Indien angetroffen und daher auch nirgends so viele Nepper und Marktschreier. Nirgends schien mir die Hippie- und Drogenszene so lebendig wie hier. Natürlich gibt es auch allerlei Yoga- Meditations- und Reikikurse und man kann sich Hände und Füsse massieren lassen. Mal sehen, wofür ich mich breitschlagen lasse. Bis dato komme ich mich noch als eher abgeklärter analytischer Philosoph vor, der vieles mit einiger Distanz und Kopfschütteln aufnimmt.

Yaan will eine Kamelsafari für mich organisieren und er schlug auch vor, eine Radtour zu machen. Beides kommt mir sehr entgegen. Wüste bedeutet hier nicht nur Sand, es wächst schon hie und da was und auch die Hitze ist nicht allzu wild. Aber es ist schliesslich auch Winter und die Inder klagen über die „Kälte“, die mich nur milde schmunzeln lässt. Yaan schlug auch eine Tour auf einen Hügel vor, um den Sonnenaufgang zu bewundern. Nein, nein, die Idee war, dass ich allein dorthin wandere!

Gestern war ich noch mit Rachana, Sanju und Kavita beim Essen, wobei wir nicht nur herausragend speisten, sondern auch richtig viel zu lachen hatten. Rachana hat eine gewisse Ironie, die ich sehr mag und die mir entspricht. Das beste ist, dass mich in Varanasi, meiner nächsten Station, ihr Bruder nicht nur abholen wird, sondern ich auch bei ihren Eltern wohnen darf. Ich bin wirklich überwältigt von soviel Liebenswürdigkeit! Dort werde ich dann wieder etwas weniger Tourismus erleben und dafür sehen, wie eine Familie hier lebt, worauf ich mich wirklich freue.

Bis jetzt fand ich es meist spannend und lustig. Wenn ich dann aber in Delhi vor einem grossen Kino stehe und einfach nur gemütlich den neuen James Bond sehen mag, das aber nicht möglich ist, da mein Rucksack und auch nicht mein Handy oder meine Kamera mit hinein darf, zeigen sich die nervigen Seiten. Gut, ich hätte das Zeug blauäugig dem zwielichtig aussehenden, dünnen Herren überlassen können, der da mit einer grossen Metallbox stand. Beinahe eine Garantie dafür, dass das das ein Abschied von meinem Rucksack für immer gewesen wäre. Kein James Bond, tja. Und auch wenig Ruhe und Raum für sich allein. Ich vermute, das sind die Seiten, die die Westler wahnsinng machen. Wie es auch in meinem Buch „Shantaram“ von einer der Figuren heisst: Die Inder sind Menschenfreunde. So viele Menschen auf so engem Raum- die Europäer würden sich totschlagen, die Inder kommen damit klar. Bleibt ihnen ja auch nicht viel anderes übrig. Dazu noch überall Kühe, Schweine und Hunde, gross und klein, leidend und munter. Wahre Überlebenskämpfer viele von ihnen.

Meine letzte Station und auch mein Abflughafen gen Auckland ist Bombay. Dorthin gelange ich von Varanasi auf einer beschaulichen 27-stündigen Zugfahrt. Yaan hatte eine Freundin in Neuseeland und hat sich zwar von der Frau aber nicht vom Land entliebt. Für ihn suche ich nun einen billigen Flug im Februar, was ihm bis dato noch nicht gelang. Dass ich Reisegesellschaft innerhalb Indiens finden würde, dachte ich mir, nicht aber, dass sich ein Inder ebenfalls nach Neuseeland aufmachen will. Zumal es einfach schwierig ist, mit hiesigem Verdienst in andere Länder mit hohen Preisen zu reisen. Ich meine, selbst ich Hungerleider bin hier als ernstlich reiche Person angesehen.

Achja, das Land hier scheint mir ein Traum für schwule Vegetarier. Händchenhaltende oder eng umschlungene Männer sieht man hier ständig, aber sie sollen hetero sein, betont man immer wieder. Und da Fleisch zu essen mit ernstlichen Magenfolgen enden kann, lässt man es besser. Es gibt eh kaum welches. Ich wüsste ja gern, was passieren würde, wenn ich eine gemütlich im Müll mampfende Kuh über den Haufen schösse und grillte, harhar.

Achachja: a propos Müll: man hat nur die Chance, das Zeug einfach fallen zu lassen, wo man eben ist, es z.B. aus dem Zug zu werfen. Dieses Land kennt keine Mülleimer, nein und auch den kleinsten gelben Sack konnte ich nirgends entdecken und nein, auch keinen Altglascontainer, schön nach Farben getrennt. Meine Ordnungsliebe und versuchte Umweltfreundlichkeit jault.

Montag, 17. November 2008

Mr.Shah











Lorna und Karl vermissen uns. So kommt es, dss wir uns jeden Tag wieder treffen, nachdem wir uns vorher innig verabschiedet hatten Und wir sind schon gespannt, ob sie nicht doch noch kurzentschlossen mit uns mitkommen. Sie meinten schon, dass sie noch nie in Rajasthan waren. Uns würds freuen. Es liegen zwei Nachtzugfahrten vor mir, heute eine nach Delhi und morgen eine nach Ajmer, von wo aus ich nach Pushkar weiterfahren will, um dort eine Kamelsafari mitzumachen und auf den dortigen See zu gucken. Weg aus Almora, weg von meinem attraktiven Jellebi-mit-Joghurt-Verkaeufer. Jellebis sind suesse Fettkringel, mmhmmm, eine wahre Wucht und er macht sie einfach wunderbar!



Mein Hindibuch ist nur bedingt hilfreich, z.B. sind darin nicht die Zahlen aufgeführt und man kann sich darüber freuen, dass man den Satz, man sei 6 ft. 10 auf Hindi sagen kann, aber keine andere Grösse angeben kann. Man erfährt auch allerlei Wissenswertes über die Zeiten in Hindi, so kann man nicht nur „I will be going“ und „I will have gone“, sondern auch „I will have going“ sagen: Main jata raha ho unga! Ist das nicht schön? Auch „The Week“, der hiesige Spiegel, der eher wie die Newsweek aussieht, macht mir Freude mit folgender verlockender Essensbeschreibung: „A mildly spiced beef stew that is littered with small rice dumplings.“ und der Lonely Planet tut sein übrigens mit folgendem Zungenbrecher: „Tiruvannamalai is also home to the Sri Ramanamasramam Ashram.“



Nach einem feinen Spaziergang zu Eagle's Rock ein wenig oberhalb Almoras mit endlich klarem Himalayablick und Lorna und Karl, machten wir uns auf zur Schalfabrik. Dort arbeiten 350 Frauen und acht Männer, die Masterweaver. Die Fabrik ist ein Projekt, das Arbeit schaffen sollte und das ist Mikta, der Chefin und Gründerin auch wirklich gelungen. Die Menschen dort verrichten sehr einfache und eintönige Tätigkeiten. Eine ist, die Wolle zu säubern, die sie geliefert bekommen. So sitzen dreißig Frauen auf Plastikfolien im Schneidersitz am Boden und rupfen an kleinen Wollhäufchen herum. Andere weben, was natürlich schon sehr viel anspruchsvoller ist und wieder andere sitzen an Fahrradfelgen, um die Fäden aufzuziehen. Man durfte leider keine Fotos machen und ich konnte nach Anfrage bei unserer Führerin Muni nur das eine erhaschen. Es gibt auch eine Gruppe, die Schals aus Brennesselfäden strickt und eine, die kleine rote Etiketten mit weißer Farbe in sehr feinen Mustern bemalt. Die Schals werden in alle Welt geliefert, momentan steht eine Lieferung nach USA an. Das Erstaunliche für mich ist, dass diese Arbeiten alle furchtbar eintönig erschienen und ich schon beim Zusehen dachte: herrje - und das ein Leben lang machen?! Aber sie scheinen alle sehr glücklich. Nun haben sie Arbeit, verdienen vielleicht sogar besser als ihre Männer und tun was Sinnvolles. Außerdem scheinen die anderen eine nette Gesellschaft darzustellen, meinte Lorna. Jedenfalls bin ich ins Grübeln gekommen, unter welchen Bedingungen meine locker bei H und M gekauften Klamotten wohl entstehen. Was ich nämlich in der Panchachuli Womens Weaving Factory gesehen habe, sind die guten Bedingungen.



Am Sonntag, am Tag zuvor, ergab es sich, dass ich mit unserer schwedischen Nachbarin Katrin und unserem Mr. Shah einen Ausflug zum nahe gelegenen Nanda Devi Tempel unternahm. Dort betete er und liess seine erstaunlich kräftige und sichere Stimme erschallen, während ich auf dem stillen Berg Greifvögeln beim Fliegen zusah und frische Luft und Aussicht genoss. Dort hatte es eindeutig Stimmung. Das fand offenbar auch ein Einsiedler, der schon seit acht Jahren dort oben sitzt, wie er mir erzählt hat. Mr. Shah erzählte uns ein wenig aufgeregt von seiner Gefährtin aus England und dass es doch nett wäre, wenn die Einundachtzigjährige im Falle seines früheren Ablebens mit ihm verbrannt würde. Ich war mir nicht so sicher, ob das auch der Plan der Engländerin ist. Auf dem Rückweg sahen wir Löwenspuren im Sand und Mr. Shah meinte, die seien hier durchaus verbreitet und würde hie und da in der Nacht auch jemanden angreifen. Das erstaunlichste war, dass er den halben Weg, den uns der Jeep vom Tempel nicht gefahren hatte, ganz munter lief. Ich würde sagen, das waren bestimmt fünf Kilometer und er war wirklich gut dabei. Besser als die quengelnde Katrin, die nach Kaffee und Essen winselte. Shah lud dann noch zu einem seiner Enkel in ein winziges Restaurant ein, in dem es herrlichen Tee und mit Masala gewürzte Kartoffelpuffer gab. Als ich Shah wegen seines munteren Schritts lobte, meinte er, er sei ein Sportsmann gewesen, mit viel Rennen und Hockey. Ah, meinte ich, ich renne auch viel. Darauf er, ganz entsetzt: „What happened? Why are you so bulky now?“

Und natuerlich trafen wir auf die durchgeknallte Franzoesin. Es gab kein Entrinnen, ich haette hoechstens den Berg hinunterspringen koennen, als sie uns auf einer der engen Strassen entgegenkam. Katrin kannte sie noch nicht und hat sich sofort zulabern lassen. In Sekundenschnelle hat sie sie sogar umarmt, als sie meinte, sie muesse Medikamente nehmen. Sie sei krank, habe Depressionen, Angstzustaende und Tinnitus. Das schon vor Reise. Sehr verstaendlich, dass man sich in dem Zustand mit vier schweren Taschen nach Indien aufmacht und dort von den verschiedenen Reisenden Unterstuetzung erwartet. Katrin erzaehlte dann von ihren Depressionen und Mr. Shah entfernte sich, waehrend ich in einem spontanen Reflex eine Felsen erklomm und mich dann mit meinem Buch zum Lesen setzte. Nein, ich bin kein wandelnder Psychotherapeut!

Über Katrin haben Arina und ich uns schon ein wenig amüsiert. Sie will gern eine Gletschertour im Niemandsland machen, allerdings mit ganz knappem Budget und selbst Zelt und Kocher tragen. So könnte es gut sein, dass sie irgendwo hockt, wo niemand ist außer ein paar Löwen und Leoparden, die genauso hungrig sind wie sie. Sie hat ausserdem alle möglichen Nahrungsergänzungsmittel dabei, Pillchen, Samen und breitet all das gern im Restaurant aus und mischt es unters Essen. Am Wasser spart sie und nimmt lieber das hiesige Leitungswasser, geklärt durch ein Tröpfchen Chlor. Sofort nach dem Chlor schüttet sie das Wasser in sich hinein und denkt nicht über Einwirkzeiten nach. Nun ging es ihr gestern ziemlich schlecht und auch mein pflanzliches Iberogast wollte nicht helfen. Der Doktor, zu dem sie mit ihrem neuen Grosspapa Shah ging, den sie mittlerweile Baba nennt, machte einen Bluttest und stellte Typhus fest. Sie sei wohl geimpft, habe aber die Auffrischung vergessen. Mit Antibiotika soll es bald weggehen, allerdings muss sie starkes Fieber und Grippesymptome fürchten. Hm. Keine Sorge, ich trinke a) nur Wasser aus versiegelten Flaschen und b) bin ich geimpft, hab ich extra noch checken lassen. Erstaunlich, womit man hier konfrontiert ist. Es ist zwar eine Reise in die Vergangenheit für mich, aber doch mit einigen Modifikationen. Ganz so war es doch bei uns nie, oder?



Heute und morgen sind also Reisetage, vermutlich werde ich viel Zeit mit Dösen in den verschiedensten Lagen und Orten und der Lektüre des hier gefundenen Wälzers „Shantaram“ von Gregory David Roberts verbringen. Es geht um einen Häftling, der aus dem neuseeländischen Gefängnis ausgebrochen ist und nach Bombay geflohen ist, wo er im Slum lebt und sich in die Schweizerin Karla verliebt. Das Ding hat fast 1000 Seiten und ist ein richtiger page-turner, den Karl und Lorna auch schon verschlungen haben.



Zeit, laufen zu gehen, meine Hotelnachbarn führen schon wieder ihr tägliches Rotz- und Spuckkonzert aus, während ein anderer "Take That" mitjault und pfeift und nebenbe seinen Zigarettenrauch zu uns ziehen laesst. Kavita meint: man muss gar nicht Zug fahren, um das volle Vergnuegen geniessen zu koennen.

Samstag, 15. November 2008

Romantik oder so






































Da sitz ich nun neben einer Kerze vor unserem kleinen Feuer, an unserem neuen Ort Almora, das den Rauch natürlich nicht in den Kamin, sondern in unser Schlafzimmer bläst. Indien hat zwar seine modernen Seiten, aber das heisst nicht, dass nicht auch manchmal der Strom ausfällt und man sein Feuer im Schlafzimmer anmachen muss. Nachdem gestern die Ratte von Karl und Lornas Zimmer zu uns gewechselt war und sich über einen meiner Äpfel hergemacht hat, fanden wir es auch einen guten Zeitpunkt, weiterzuziehen.

Das Hotel, in das wir in Almora gezogen sind, gehört Mr. Shah, einem 92-jährigen ehemaligen Bankmanager, der sich alleine darum kümmert. Das bedeutet unter anderem, dass ich mich heute um ein Fläschchen Zeugs mit der Aufschrift „Kills all germs“ gekümmert habe und meine putzige Seite im Bad herauskehrte, was auch die alles andere als pingelige Kavita sehr begrüsste. Und wir wohnen schon im Luxuszimmer des Hauses, das jedem von uns ca. 3,5o Euro pro Nacht abverlangen wird. Wenn uns das zu teuer ist, meinte Mr. Shah, wäre er auch mit jeder anderen Summe zufrieden. Der Mann ist einer von der Sorte, die man ständig knuddeln könnte (Ihr seht ihn neben einem seiner liebevoll drapierten Stofftiere) und das Hotel ist derart besonders, dass es einfach nur noch Spass macht. Hier gibt es einen offenen Kamin und einen gigantischen Jesus über unserem Bett. Die Wände sind mit rotem Tuch behangen und es stehen zwei klapprige Holzliegestühle schräg vor einem Fernseher, den man immerhin dazu bewegen kann, sein rotes Lichtlein aufleuchten zu lassen und darauf eines dieser Lämpchen, die vor allem aus aufgestellten Plastikfädchen bestehen, die leuchten sollen. Natürlich tut die Lampe bei uns nichts ausser durch ihr Dasein ihre eigene Absurdität zu betonen. Dass der vorher von Mr. Shah gepriesene Boiler nicht funktioniert und Spülung bei dieser Pseudowestlertoilette bedeutet, dass wir mit dem Eimer nachkippen müssen, haben wir noch nicht mal mit einem Achselzucken bedacht. Ein wenig schmunzeln musste ich dann aber doch wieder, als ich sah, dass das Wasser aus dem Waschbecken einfach munter auf den Boden rinnt, wenn das kleine Eimerchen darunter voll ist. Die alten Teddybären, die auf dem Weg hierher überall in Blumenampeln hängen und sicher von mehr als einer Generation sehr, sehr lieb gehabt wurden, sagen eigentlich schon alles. Zusammengenommen fühlt man sich, als sässe man mitten in einem Flohmarkt, auf dem es nur die Dinge zu kaufen gibt, die seit Jahren und Aberjahren niemand wollte. Eine echte, sehr grosse Versuchung ist der staubige Schrank mit den blinden Glasscheiben in der sogenannten Empfangshalle, in dem Reisende den „Herrn der Ringe“, den „Fänger im Roggen“ und „Geschichte machen“ neben einigem anderen in bemitleidenswertem, aber lesbarem Zustand hinterlassen haben. Und Mr. Shah erzählte uns etwas aufgeregt davon, dass er eine Dame in Aussicht habe: ein Gast aus Notting Hill meinte, er sei genau der Rechte für ihre Oma. Ich wünsche dem kleinen Mann das Beste und alles Glück!

Ein nobles Hotel ist dafür gemacht, dem Reisenden Komfort zu bescheren, unsere Hotels scheinen dafür gemacht, uns Erlebnisse mitzugeben und unseren Humor auf die Probe zu stellen. Hat ja nun alles seine Vor- und Nachteile.

Der heutige Tag war einer des Ausprobierens. Gegipfelt hat die Versucherlaune in einem neuen Haarschnitt, der wirklich sehr kurz geraten ist. Nun ja, kostet ein zwölftel des billigsten Friseurs in der Heimat und war ein Erlebnis. Arina kam mit mir und Kavita nach Almora. Sie ist ebenso experimentierfreudig wie ich, was das Essen anlangt und so futterten wir uns durch die hier berühmten Süssigkeiten, die meist sehr süss, manchmal aber auch voller Gewürze und ganz sicher voller Überraschungen sind. Ich hatte auch geröstete Linsen, die ein bisschen wie Erdnüsse schmecken und fette süsse Kringel mit fantastischem Joghurt in einem kleinen Restaurant, zubereitet von einem wirklich sehr attraktiven Inder. Vielleicht wird mir mein heute für einen Euro fünfzig erworbenes „Teach yourself Hindi“ noch gute Dienste erweisen, wenn ich dort wieder vorbeischaue und mehr sagen kann als nur wie mein Name ist und dass ich Joghurt (Cörd) und Kringel (Jellibi) mag. Almoras Fussgängergässchen sind einen Spaziergang wert, ich fühle mich öfter sehr versucht, einfach in die duftenden Säcke mit Anis oder in die Kichererbsen zu springen oder doch mal das ganze gehörig durch die Finger rieseln zu lassen. Und dann sind da natürlich all die wunderbaren bunten Stoffe, die einem das Gefühl vermitteln, dass man doch so farbig und lustig durch die Welt gehen darf, wie man gerade will. Vielleicht besteht der Witz gerade darin, dass die Farben eben nicht zusammenpassen. Eine sehr befreiende Sache. Immer wieder spannend sind die Apotheken am Rande, die alles verkaufen, was bei uns der Arzt wohl nur im äussersten Notfall verschreiben würde. Ich komme auf den Geschmack mit frischen Guaven und freue mich an den herrlichen Chapati, die ich ja nun schon selbst im Lakshmi Ashram produzieren durfte. Da man sie erst in einer Pfanne anbrät und dann noch in die Kohle wirft, kommt es immer wieder vor, dass auf dem Teller Kohlestückchen auftauchen. Das einfache Essen hier ist aber insgesamt eine Wucht und mein Abendessen, bestehend aus fünf Chapati, einem Stückchen Butter und einem Joghurt als Nachspeise kostete mich mit Trinkgeld 27 cent und war deliziös!

Katrin, eine Schwedin, hat sich uns nun ein bisschen angeschlossen, sie würde auch gern zum Gletscher wandern und Mr. Shah hier will sich darum kümmern, dass das klappt. Ausserdem riefen Lorna und Karl an, die sagen, dass sie uns vermissen, was wir sehr lieb finden und daher morgen den Tag mit ihnen verbringen. Am Ende werde ich hier mit einem Tross weisshäutiger Menschen durch Indien zockeln.

Gestern haben Kavita und ich einen längeren Spaziergang zu einer Teeplantage unternommen, der sich wirklich ausgezahlt hat. Es war spannend zu sehen, wie die Teeblätter mit Kraft von einer jungen Frau gepflückt werden und dass es sich bei Teebäumchen um gerade mal hüfthohe, bonsaiähnliche Gewächse handelt. Auch der Trockenvorgang mit Ventilatoren und Rüttelmaschinen, Sieben und einer Temperatur von hundert Grad war toll anzusehen. Ich werde Tee nun ein bisschen anders sehen. Der Tee aus Kausani sei weltberühmt und ist offenbar sehr teuer. Ich hab mir ein Tässchen weissen Tees gegönnt, der sehr sanft und rund schmeckte. Hmmmmm. Irgendwie haben wir verpasst, in die Schalfabrik zu gehen. Aber hier haben wir wieder die Chance.

Gut, der Teil als uns bettelnde Kinder auf dem Heimweg mit Stöcken bewarfen, weil wir ihnen kein Geld geben wollten, war eine unangenehme Sache. Ich ignorierte sie erst, drehte mich dann nach einiger Zeit schnell um und schrie sie an: „Stop it!“, was sie zusammenschrecken liess und uns Ruhe brachte. Sutcliffe schreibt, man verwandle sich hier in ein Miststück, das Leute rüde abschüttelt und anschreit. Ich werde also nicht nur mit einem Matschhirn weiterziehen müssen, sondern auch noch eine fiese Person sein – das sind ja mal Aussichten!