Mittwoch, 27. Mai 2009

Von grossen Maerschen









Ich bin zurueck. Ich sitze in der Buecherei von Te Anau nach sieben Tagen im sogenannten Busch. Und ich frage mich, wie ich jemals wieder die kleinen Kulturwaeldchen Deutschlands geniessen soll. Na, ich uebertreibe ein bisschen. Aber ich kann doch ehrlich sagen, dass ich ganz verrueckt nach diesem Busch bin. Da sind die Farne, die riesigen bemoosten alten Baeume und die Voegel, vor allem der neugierige Fantail, der sich direkt vor mich auf den Weg setzte. Die Baeche und Fluesse, durchsichtig und gruen und das Wasser einfach trinkbar und koestlich. Die schneebegipfelten Berge, die unfassbare Ruhe und der Frieden, der jeden Gedanken an eine grosse Stadt richtig schraeg erscheinen lassen. Wie, so habe ich mich gefragt, will ich hier jemals wieder zurueckkehren? Es gibt so vieles, das ich an Deutschland mag, aber wenn es um die Natur geht, so fuehle ich mich hier daheim wie nirgends zuvor. Die Sehnsucht wird bleiben. Und eine Sehnsucht nach dem wohl ziemlich trockenen Australien kommt nicht so richtig auf.

Leo und ich sind aufgebrochen nach einigem Packen und Organisieren und marschierten munter nach einer eineinhalbstuendigen Autofahrt um vier los. In ca. zwei Stunden sollten wir an der ersten Ersten Huette sein. Aeltere Wanderer kamen uns entgegen und meinten, es dauerte sicher zweieinhalb Stunden. Leo war irritiert. Wir kamen an, er war erschoepft, wohl immer noch ein klein wenig mitgenommen von seiner Magengeschichte quengelte er, ich koenne ihm doch wohl auch mal helfen. Ich meinte, er solle sich ausruhen, ich uebernaehme das Abendessen. Er machte sein eigenes Ding und ging schweigend ins Bett. Wir redeten letztlich doch noch ueber den kleinen Zwist und alles schien gut. Am naechsten Tag, als ich gerade alles in meinen Rucksack gestopft hatte, meinte er, ich muesse noch einige Teile des Essens einpacken. Ich meinte, das haette er mir doch aber auch frueher sagen koennen. Da reichte es ihm. Er meinte, er ginge nun nach Hause, das haette so alles keinen Sinn, er wolle seine Sachen, die wir in Te Anau ins Schliessfach gelegt hatten und fuehre per Anhalter weiter. Ich war entsetzt. Nach all der Zeit in Ettrick und Ko war ich endlich in Fjordland, das Wetter schoen, alles organisiert, ich bester Dinge gen wunderbares Naturerlebnis und nun sollte ich einfach wegfahren?! Leo war nicht umzustimmen. Er wolle nicht mehr, er sei so nicht gluecklich, das haette alles keinen Sinn. Wir trafen auf ein Paar auf dem Weg, die fragten, wie es ginge und ich meinte: Weniger gut. Sie ermunterten mich, es sei nicht mehr weit zum Parkplatz, was freilich gar kein Trost war. Kurz vor dem Auto, eine Haengebruecke trennte uns noch, machte Leo auf einem Felsen Halt. Ich sagte zu ihm, er solle bitte nicht gehen. Da beschloss er, mich wandern zu lassen und im Auto zu bleiben. (Welch schrecklich langweilige Aussichten - sieben Tage Auto!) Ich war einverstanden, wir packten um und ich lief den ganzen Weg zurueck zur Huette, wo ich das Paar (Jan und Brian) wieder traf. Bei Kerzenschein und den langen Abenden hatten wir genug Zeit, die ganze Situation durchzugehen und auch sie konnten Leo kaum verstehen. Warum war er so erbost? Warum zog er das Auto dieser herrlichen Natur vor, die er doch so liebt und von der er am Vortag noch gesagt hatte, er koennte sich nichts besseres vorstellen, als hier mit mir zu wandern? Am naechsten Tag lief ich gute drei Stunden an herrlichen Wasserfaellen udn ueber feine schauklige Bruecken zur naechsten Huette am Lake Alabaster weiter und verbrachte einen weiteren Abend mit Jan und Brian, die etwas spaeter eintrafen. Der naechste Tag gehoerte mir ganz allein und vermutlich auch die naechste Huette, die auf einer Insel steht und in der schon so mancher Wanderer vom Wasser eingesperrt war. Ich haette auch eine Huette weiter gehen koennen und dachte noch darueber nach. Erst fand ich die Huette nicht und kehrte kurz um, entschied mich dann aber doch, weiterzusuchen. Das schlimmste waere gewesen, ich haette draussen bivakieren muessen und selbst das waere mit meinem Bivaksack und dem guten Wetter kein ernstes Problem gewesen. Letztlich fand ich die Huette, machte ein Feuer, kochte ein herrliches Nudelmenu (wie koestlich doch Tuetennahrung mit ein paar Gewuerzen und Knoblauch aufgepeppt, auf einmal sein kann), sprang kurz in den eisigen See Lake McKerrow und setzte mich nach getaner Arbeit vor die Huette, um die Gegend zu loben. Ich freute mcih auf eine ruhige Nacht allein weit weg von allem und allen. Als es schon ernstlich daemmerte, kam ein Wanderer ums Eck. Ich bedauerte, dass ich nicht allein sein wuerde und sah genauer hin und vermutete erst und war dann sicher, dass es Leo ist. Er sah mich und meinte, ich haette das Milchpulver vergessen, das wollte er mir bringen. An einem Tag ist er fast zehn Stunden gelaufen, die Strecke, die ich in drei Tagen genuesslich zuruecklegte. Er meinte, es fuehlte sich nicht richtig fuer ihn an, im Auto zu sitzen und er dachte sich, If I want this girl I have to go and get her, no matter how far I have to walk! Und das hat ihn so motiviert, dass er mich schliesslich fand. Ich hoerte auf zu zweifeln und bewunderte seine Willensstaerke. Das ist viel besser als alle Blumen und Geschenke. Er meinte, es habe ihm richtig gut getan und das Gefuehl fuers Wandern und Jagen, die guten alten Zeiten, kaemen nun zu ihm zurueck. Ich bin maechtig beeindruckt. Wir wanderten gemuetlich in zwei Tagen wieder heraus und genossen die Zeit zusammen in dieser phantastischen Umgebung, wo man den Fluessen auf den Grund schauen kann.

Mittwoch, 20. Mai 2009

Hollyford Track



Endlich- es soll erheblich besseres Wetter werden von morgen an. Vier Tage Sonne, der ich aber immer noch nicht recht über den Weg traue, stehen bevor. Für alle Fälle habe ich mir eine Regenhose zugelegt, die mich auch zum Skifahren begleiten könnte. Mir ist eingefallen, dass ich zum Geburtstag einen Fallschirmsprung wagen will und freue mich jetzt schon drauf! Jedenfalls kann es gut sein, dass ich für die nächsten 8 Tage im Busch verschwunden bin, mit Leo und einem schweren Rucksack in Fjordland im Matsch herumsteige. Das Ganze nennt sich Hollyfordtrack. Herrliche Aussichten!
Für alle Fälle kann man sich hier mit den oben ausgestellten Possum Nipple Warmers ausrüsten! Und auf dem Weg könnten wir den ausgestorben geglaubten Vogel antreffen, den ich oben mit einem Blättchen versorge.

Dienstag, 19. Mai 2009

Schlingerkurs, emotional

It rained and rained and rained and rained
the average was well maintained
and when the tracks had turned to bogs
it started raining cats and dogs

After a draught of half an hour
we had a most refreshing shower
and then the most curious thing of all
a gentle rain began to fall

Next day but one was mostly dry
apart from a deluge from the sky
which wet our party to the skin
and after that, the rain set in

Anonymer Hüttenbuchautor

Das ist nicht tiefgründig, aber wahr- es schüttet und schüttet und schüttet. Das Auto ist nass, innen und aussen und nachts hat es eine Frostschicht, die Fenster sind dauerbeschlagen. Die Joggingschuhe durchweichen und stinken sofort und die Berge sind verhangen. Leo hat irgendein Magendesaster und friert in seinem windigen Schlafsack, während ich die Schönheiten des kleinen Touristenortes zur Genüge erkundet habe. Was Leo anlangt, war ich eigentümlich inkonsequent, ich gebe es zu. Erst ihn verlassen und ihn dann doch wieder herzitieren und umzirzen. Ich habe mir in der letzten Zeit vor allem erzählt, was uns trennt, nun betrachte ich eher, was uns verbindet. Das hilft ungemein, ich habe das Gefühl, einen neuen Menschen kennenzulernen. Er unterhält sich nun auch eher mit den Leuten in unserem Lakeview Holiday Park und ist auch sonst sehr emsig dabei, alles mögliche Neue aufzusaugen. Sogar in die Bibliothek scheint er nun gerne zu gehen. Es mag schon sein, ich weiss nicht genau, wonach ich suche. Durch Nachdenken und Kopflastigkeit, scheine ich es bis jetzt nicht gefunden zu haben. Vielleicht sollte ich einfach meinem Gefühl folgen. Es fühlt sich gut an, dass er wieder da ist, wir sind ehrlich und reden über Dinge, die wir schwierig finden. Vielleicht gibt es nciht mehr Garantie.
Diese Regentage sind wie ein langes Wochenende daheim- laufen, lesen, Internet, was Nettes kochen. Ich entwickle immer wieder so etwas wie ein schlechtes Gewissen über meinen mangelnden Aktionismus, schliesslich bilde ich mir ein, ich hätte die Pflicht, Neuseeland zu erleben und soviel wie möglich zu sehen. Aber nein, ein bisschen rumhängen und lesen muss drin sein. Zumindest offiziell bin ich schliesslich nicht auf der Flucht und gegen das Wetter kann ich nichts machen als warten, bis alles wieder wandertauglich wird.

Mein Skigebiet, in dem ich das Arbeiten anfangen könnte, hat ganze vier Lifte. Gut, ich könnte auch zu den anderen Bergen wechseln. Aber ich glaube eher, ich leihe mir in einem anderen, grösseren Gebiet, für einen Tag die Ausrüstung und sause die Berge rauf und runter. Dann war ich skifahren und kann weiter nach Australien und dort wieder arbeiten. Das Tourengehen muss ich noch näher auskundschaften.

Sonntag, 17. Mai 2009

Am eigenen Schopf heraus





Nein, vielleicht ist das nicht vernünftig. Ziemlich sicher sogar ist es das nicht. Aber es fühlt sich erstaunlich gut an. Leo sass fest, in Ettrick und vielleicht auch ein bisschen in seinem Leben. Er vermisste mich, ich vermisste ihn. Wenn auch eher als Freund, denn als Partner. Aber das weiss er. Wir telefonierten und nun kommt er nach Te Anau. Von hier aus werden wir nun doch wie geplant wandern, wenn auch nicht auf dem Milford Track.

Wegen des extrem früh eingebrochenen Winters wurden dort nämlich bereits einige Brücken herausgenommen und einige Bäche haben sich zu schwungvollen Flüssen gemausert, die man gern mal mit in die Tiefe rutschen kann. Das lasse ich lieber bleiben. Ich habe mich dafür gestern für eine Rentnerfahrt entschieden- mit dem Bus zum Milford Sound, wo die Gletscher die Berge ausgehölt haben und von dort mit dem Boot hinaus aufs Meer mit teils 80 km/h Wind, Seelöwen und Wasserfällen, die sich immer anders entwickeln. Bei soviel Regen in den letzten Tagen gings da richtig rund und wer vorne auf dem Deck stand, bekam eine ordentliche Dusche ab, die ich mir freilich unmöglich entgehen lassen konnte. Die ganze Gegend gehört zum Welterbe und man hat hier sogar einen rotschnabligen Laufvogel wiederentdeckt, den man seit langem für ausgestorben hielt.

Leo ist per Anhalter schon ein Stück weit gekommen und dürfte hier spätestens am Abend eintreffen. Im Auto habe ich eine Hälfte für ihn freigemacht und es wird sich zeigen, ob wir mit so wenig Platz beide ohne schlimmere nervliche Klagen über die Runden kommen. Das Wintercampen ist zwar mühsamer, aber mit Dusche, Küche und Fernseh-, Wasch- und Trockenraum machts eigentlich auch nur härter. ich liebe meine Funktionsklamotten und meinen warmen Schlafsack. Ich lasse mich nie wieder damit aufziehen, dass ich die Outdoorklamotten so gern mag. Hier sind sie immer angebracht! Meine kleine Sammlung konnte ich heute durch ein Merinoshirt erweitern, die hier sauteuer sind. Hat einer seit Tagen im Trockenraum vergessen, ich hab ein Schildchen hinterlassen, wenns wer vermisst, ich habs. Aber das glaub ich nicht. Daneben habe ich am sparsamen Leben meine Freude, gehe nicht essen und lebe aus dem Supermarkt. Wenn Leo erst wieder da ist, werden wir gar wieder ordentlich kochen. Ich vermisse die Kartoffelbreis mit Kumara!

Es scheint gar die Sonne und alles hat den Anschein, als würde es nun wieder gut. Genug der Tests, zurück zu den Freuden. Ob mein Dasein als Lifthansel dazugehören wird, weiss ich immer noch nicht. Ich vermisse das wwoofen und wüsste einen vorübergehennden festen Wohnsitz auch wieder zu schätzen. Auch meine trüben Gedanken, was ich denn nun eigentlich will, im Leben und wo ich hingehöre, verziehen sich gen Optimismus, dass ich meinen Weg -wie immer- schon finden werde und mein Leben in meiner Hand liegt und es mein Job ist, das Beste draus zu machen. Ich bin schliesslich am schönen Ende der Welt, um mich herrliche Natur, eine Bibliothek und die Freiheit zu tun, wonach mir das Näschen steht!

Auf den Bildern seht Ihr mich im Wind an Deck und einen Herrn im typischen Dress: Long Johns, kurze Hose, Crocs und dazu ein bisschen Welterbewasser.

Schnee hats hier auch....







Ich werde durchgeschüttelt. Auf meiner Fahrt nach Te Anau fiel mir ein, dass es eine gute Idee wäre, den Ölstand zu kontrollieren. Eine etwas impulsive Entscheidung und ich bremste zu abrupt an einem Rastplatz. Ich entschuldigte mich bei Madaz, aber das hat ihm nicht gereicht. Er entschied sich bei der Weiterfahrt, dass es eine gute Idee wäre, ein ordentliches Quietschen, Ratteln und Scheppern im linken Vorderrad zu produzieren. Leicht in Panik fuhr ich an den Strassenrand und rüttelte an den Reifen um nachzuprüfen, ob die bearing wieder auseinander gebrochen war und nahm gar die Radkappen ab. Nichts Ersichtliches. Dann erklomm ich einen Hügel zu einem Wohnhaus mit freundlichem kleinen Hund, aber ohne Menschen. In der Mitte von Nirgendwo wollte ich nicht den AA (das Äquivalent zum ADAC) rufen, sondern stellte mich an den Strassenrand in meiner roten Jacke mit einem halbherzig erhobenen Daumen und wartete. Nicht lange. Dann hielt ein netter Herr im schicken Arbeitseinteiler, ich schilderte ihm mein Problem und er fuhr eine Runde mit Madaz und meinte, da reibe wohl was an der Bremse, vermutlich sei da ein Stein, der würde wohl auch wieder rausfallen. Aber er wisse es auch nicht genau, ich solle langsam in eine Werkstatt rollen. Wenn ich in vier Stunden immer nach da sei, würde er mich mitnehmen, meinte er. Ich rollte mit schrecklichen Geräuschen zwölf Kilometer zum letzten von mir durchfahrenen Ort, Mossburn. Auf halber Strecke war alles gut, kein Geräusch nichts. Ich schilderte dem Mechaniker, der beträchtlich jünger als ich war, mein Problem, das eines sein könnte oder auch nicht und er meinte nur freundlich, das sei ein Steinchen, das käme schon mal vor. Und ich dachte an Joe Bennett, der da in einer Kolumne meinte, es gäbe zwei Typen Menschen, die die zu lange in der Schule waren und einfach nur weinend am Strassenrand sitzen, wenn das Auto aufmuckt (ich!) und solche, die die Ärmel hochkrempeln, unters Auto rutschen, einmal kräftig irgendwo ruckeln, irgendwas befestigen und fröhlich pfeifend weiterfahren.

Naja, fast fröhlich pfeifend kam ich dann doch in Te Anau an, von wo aus ich meine Wanderung in der Fjordlandgegend zu planen. Es schüttete. Es stürmte und ich hörte, der Winter sei früh dran, man würde gerade die Brücken aus dem Track nehmen, den ich eigentlich angehen wollte, damit sie nicht von Lawinen fortgespült werden. Im Informationszentrum überzeugte man mich, dass es eine bessere Idee wäre, einen anderen Track zu gehen, aber auch dort könnte es ungemütlich werden. So kaufte ich mir vorsorglich Gamaschen und verabredete mich mit drei Jungs, die das gleiche vorhatten für den nächsten Tag. Mit einigem Regen erreichten wir zackig die erste Hütte auf tausendirgendwas Meter- auf dem ersten Foto ist alles noch einigermassen manierlich. Für den nächsten Tag hiess es, es könnte wilde Winde und Niederschläge geben. Vor allem im Verlauf des Tages. Meine Herren schliefen lange und ich startete mit einem Tschechen, der zwei Mädchen aufholen wollte. Es schneite, es stürmte, wir holten die Mädels ein, sanken dann aber bis zur Hüfte und tiefer im Schnee ein, wir sahen kurzzeitig kaum mehr die Markierungen und es war eine Situation, in der man sich nicht gern verläuft, weil das die unangenehmsten Konsequenzen haben könnte. Ich spürte etwas Panik aufkommen, sagte mir aber dann, dass doch alles gut sei. Die Mädchen drehten um, der Tscheche kämpfte sich alleine weiter. Nach einiger Zeit erreichten wir die anderen von meiner Gruppe, die aber auch nicht mehr weiter hoch liefen und kamen schliesslich an der Hütte an, nass und erleichtert. Ich merkte, dass mir in dieser Situation Bescheidenheit steht und ich nicht den Helden mimen muss. Letztlich bin ich doch ein unerfahrenes Hasi.

Ich habe Leo angerufen und ihn betrunken im Pub erwischt. Vor Jahren hat er das Trinken aufgegeben und nun erzählt er mir, es gefällt ihm so gut in Ettrick, er bleibt einstweilen da und er vermisst mich einfach so. Ohjeeeeeeee. Ich vermisse ihn auch, aber das ändert schliesslich nichts an der Lage und unseren Unterschieden. Ja, nun wäre es gut, von netten Freunden umgeben zu sein.

Dienstag, 12. Mai 2009

Und das Wetter gibt den Rahmen dazu...





Es schüttet. Und ich heule. Es ist vorbei. Ettrick. Leo. Die Äpfel. Da hilft einfach nix. So lange war ich an einem Ort und habe so viel Gutes erlebt und bin Leuten nahe gekommen. Da bleiben die Erinnerungen, ein paar Mailadressen und ein bisschen Geld auf dem Konto. Und mit Leo und dem lustigen deutschen Paar Alex und Jochen Freunde. Eigentlich keine schlechte Ausbeute.
Leo und ich, das hat er irgendwann selbst gestanden, sind wie, „chalk and cheese“: er ruhig, ich nicht der grosse Schweiger, er sehr impulsiv und gefühlsbetont, ich kopfbetont und eher planend- zumindest werfe ich meine Pläne nicht täglich über den Haufen- ich ein Bücherwurm, er hat in seinem Leben ein Buch gelesen, ich mit einem immerhin schwungvoll begonnenen Mathestudium, er knabbert am kleinen Einmaleins. Er ist sanftmütig, positiv und freundlich, wunderbar zu Kindern und Tieren und hat eine Verbindung zur Natur, die ich sehr bewundere, er hat mich umsorgt und geliebt wie ich das vorher nicht kannte. Er ist ein liebevoller, wunderbarer Mensch, aber wir passen nicht zusammen, wir haben uns nur wenig zu sagen. Und ich habe mich zunehmend aufgeregt über Planlosigkeiten und seine ausschweifenden, aber so oft nicht zielführenden Antworten und für mich nicht nachvollziehbaren Aussagen, die so oft widersprüchlich waren. Er und ich, das sind zwei Universen. Es tut mir sehr Leid, ich wäre so gerne mit ihm weitergefahren und hatte meine Freude am Zuzweitsein. Nun bin ich ein bisschen verzagt und wünsche mir ein Sofa und Freunde, die ich treffen und anjammern kann. So bleibt mir nur das Selbstmitleid in einer kalten Gegend, schnief.
Wir wollten seit Wochen zusammen zum Milford Sound fahren und gestern hat er es sich anders überlegt, aber nur, weil er meint, es sich nicht leisten zu können, wandern zu gehen. Dabei kostet das doch fast nichts und ich konnte nicht verstehen, dass er seine Meinung einen Tag vor der Abreise kund tut, wo ich doch glaubte, wir wären uns seit acht Wochen einig und arbeiten darauf hin. Er bleibt in Ettrick und wartet, ob ich wiederkomme.
Nun bin ich allein in Lumsden angekommen, auf einem Campingplatz werde ich in Madaz schlummern, in sehr viele Schichten gehüllt, da hier schon der Schnee fällt und ich meinen Atem sehen kann. Ein etwas seltsamer Platz, aber ich weiss hier eine warme Dusche und vor allem eine Küche mit Licht zum Sitzen und Lesen zu schätzen, auch wenn sie stinkt und rauchig ist. Sonst hätte ich um sechs ins Bett gemusst und wäre wohl um vier aufgestanden. Ein Sofa zum metertiefen Einsinken, ein Wasserhahn tropft, eine Katze maunzt erbarmenswert, es schüttet wieder und ich kann mir keinen Ort vorstellen, an dem es sich besser melancholisch sein liesse.
Ich werde mich mit Jane Austens „Pride and Prejudice“ einrollen und mich die windigen, verschneiten, wohl saukalten, umwölkten Berge freudig visualisieren... Reisen auf die billige Art stellt im Winter schon ganz andere Herausforderungen. Da mögen mir meine Thermalwearschichten helfen, die hier gleich sehr viel mehr Sinn haben als daheim. Und geholfen hat bestimmt auch mein beharrliches Eiswetterjoggen und das Schwimmen im fast zufrierenden See mit meinem guten Neoprenanzug. Brrr!

Auf den Bildern seht Ihr meinen letzten, schon in der Dunkelheit gepflueckten Apfel. Alle haben da noch zusammengeholfen und ich mich sehr gefreut ueber soviel Gemeischaftlichkeit. Auf dem Sprunggruppenfoto sind Leo, Alex, Jochen, Thomas und ich, die Apfelpfluecker, die bis zuletzt noch da waren. Und die Enten wurden von Peter geschossen und uns vor die Tuere gelegt- zur beliebigen Zubereitung. Spannende Sache, so eine Ente zu rupfen, auszunehmen und zu essen. Ich guck wieder, dass ich ziemlich vegetarisch in Zukunft lebe...

Montag, 4. Mai 2009

Birndl, der Bennett und das nahe Ende einer steilen Karriere

Das Birndl

Mittlerweile habe ich ja ein Auto. Es mag schickere und grössere geben (abzählbar viele in Neuseeland, abzählbar viele, aber letztlich doch unmöglich zu zählende, in Deutschland). Mein Madaz ist ein funktionierender Verkehrsteilnehmer und als solcher mit Licht und demzufolge auch Glühbirnen ausgestattet. Und weil Madaz seine Dienste seit 1989 zu tun hat, fällt so eine Birne schon mal aus. Wenn auch nur vorne rechts und auch da nur teilweise, so dass das Aufblendlicht noch entgegenkommende Autofahrer blendete. Das könnte teuer werden, vor allem, wenn man auch noch mickrige 80 km/h auf gewundenen Straßen fährt. Also musste eine neue Birne her. In der 2000 Einwohner Metropole Alexandra gibt es einen Autodandler, der offenbar Autoteile schrottreifer Autos sammelt und sie in seiner Garage beeindruckend ordentlich aufreiht. Ich baute die Birne aus, zeigte sie vor und stellte fest, dass sie sogar einen Namen hat: H6. In seiner Garage gab es allerhand, vor allem H4, aber keine H6. Ähnliches ereignete sich in den Tankstellen Alexandras – viele Birnen, aber nicht die richtige und dazu immer eine kleine nette Konversation, wie sehr man das doch bedauere und dass man mir dennoch alles Gute wünsche. Da ich mehr als ungern aufgebe, fuhr ich gestern nach Roxburgh, um dort in der Tankstelle nach einer H6 zu fragen. Der nette blonde Tankstellenwärter wollte erst mit eigenen Augen sehen, dass ich auch wirklich eine H6 brauche, bevor er das Suchen anfing. Ich baute also wieder einmal aus- ganz stolz, wie lässig ich die Motorhaube öffne, das Plastikding vom Gummiding ziehe, die Klammer öffne und das Birndl raushole und dann die offensichtliche Beschriftung „H6“ vor seine Nase halte. Das sei erstaunlich, meinte er. Ich schaute triumphierend und meinte, er hätte sich sicher gedacht, ich Stadtmädel hätte keine Ahnung wovon ich spräche, was er mit „No, quite the contrary, when you stepped into my shop, I thought this chick knows what she is talking about“ recht ansehnlich konterte. Nun müsse gleich im Nachbarladen im Katalog schauen, ob man die Bestellung aufgeben könne. Den Ladenschlüssel zum sonntags geschlossenen Nachbarladen hatte er - eh klar, im familiären Roxi. Ich solle derweil ein Auge auf die Tankstelle haben, dass da nix passiere. Dass er nicht dachte, ich könnte ihm die Kasse ausräumen, fand ich freundlich von ihm. Der Katalog kannte keine H6, der Gute hatte allerdings einen eindeutigen Kiwilösungsansatz: Ich solle doch gleich mal zur Müllhalde (dump, tip oder auch Tiffany's genannt) fahren, da könne ich die Lichter ausbauen und nach einer Birne suchen und gegebenenfalls eben eine zufeilen, so ich keine passende fände. Das befeuerte meine Abenteuerlust und ich machte mich mit Leo gen dump auf, wo uns ein netter Rentner empfing und uns viel Vergnügen wünschte. Mit einer Brechstange machten wir uns an den Autos zu schaffen und brachten es auf drei funktionsfähige Birnen namens E1. Nebenher noch eine „National Geographic“, Handschuhe und eine Thermoskanne, die sich in den Kofferräumen der Schrottautos fanden. Der freundliche Rentner bestätige mich darin, dass man so ein Birndl doch einfach mal einbauen könnte, 12 V hatten die E1, ganz wie meine H6. Mit ein bisschen roher Gewalt, dem Verbiegen der Metallklammer und dem Hinschieben des Gummidings und dem leicht forcierten Aufstecken des Plastikdings habe ich nun ein 1a- Licht für ummasonst und sogar zwei Ersatzbirnen. An der Tankstelle hätte ich 19 Dollar für eine H4 bezahlt, die auch nur ähnlich ist. Leo meinte, ich sei dem Kiwiansatz nun schon verdammt nahe und als ich später tanken fuhr, freute sich mein blonder Tankstellenwärter.

Wenn wir aber nicht über den Dump hüpfen oder unsere Winterkleidung im Altkleiderladen aufrüsten, pflücken wir nun Grannies, das nachgerade sichere Ende der diesjährigen Pflückerkarriere. Ein paar Bins sind für unsere Zähne drauf gegangen, Leo und ich liessen uns eine Füllung in Alexandra von einem jungen englischen Zahnarzt verpassen, der nach Neuseeland gezogen ist, weil man hier ganz gut skifahren kann und es doch eindeutig weniger stressig zugeht. Es soll hier ein paar sehr schöne Skitouren geben, vor allem eine Gletschertour, für die man eine Woche rechnen sollte. Ein Traum, genau das würde ich gerne machen, ich werde dafür mal den hiesigen Alpenverein kontaktieren.

Nachdem ich nun über mein Leben in epischer Breite nachdenken konnte, ist mir Abwechslung recht und ich habe ein Interesse entdeckt, auf das ich sehr lange gewartet habe: Geschichte. Eher Weltgeschichte als nur die deutsche Sicht, auch wenn Deutschland mit seinen paar Leutchen beträchtliches Aufsehen erregt hat. Es gibt da ein Buch von Niall Fergusson, betitelt „The War of the World“, das der Frage nachgeht, warum das zwanzigste Jahrhundert besonders grausam war. Auf sechs CDs in nahezu acht Stunden vorgelesen, lerne ich nun endlich, wofür ich mich bis dato vor allem wegen blanker Ignoranz zu schämen hatte. Die Bücherei in Alexandra machte es möglich und nicht nur das, sie hatte auch weiter Joe Bennett Kolumnen auf Lager (ich kenne keinen vergleichbar guten Kolumnisten- philosophische Tugenden hat er zu Hauf mit Klarheit, präziser Sprache, einem absolut treffsicheren Humor und schlicht schierer Könnerschaft) und einen Wälzer „The Visual History of the World“, der mich auch inhaltlich schier umhaut. Mann, Mann, was habe ich nachzuholen. Aber ich bin sicher, das wird. Die Geschichte Neuseelands fasziniert mich ja nun schon seit einer Weile, da könnte es doch munter mit anderen Weltteilen weitergehen.

Ein bisschen traurig bin ich, dass sich unsere Pflückergemeinschaft auflösen wird, am meisten bedauere ich, dass Jochen und Alex sich nach Asien aufmachen werden. Wir haben entdeckt, wie ähnlich wir uns in einigen Dingen sind, vor allem haben wir einen Humor, der uns die Freizeit oft lachend zusammensitzen lässt. Alex hat sich neulich den Fuß vertreten und ich fragte täglich, wie es ihr geht. „Besser“, war die Antwort immer. Dann kam Jochen mit einer grossen Säge ums Eck und ich meinte, „ich dachte, Alex Fuss sei besser geworden?!“- hihi! Alex und Jochen reisen wie ich: immer der Nase nach, mal sehen, wie lange man wo bleibt und mal sehen, was passiert, wir packen das. Wenn das Geld ausgeht, sucht und findet man einen Job. Ganz anders das andere deutsche Paar: sie wirken eher gestresst, haben ein Jahr geplant und allen (offenbar beträchtlichen) Besitz zu Geld gemacht, keinen Job in ganz Australien gefunden und hecheln nun eher unentspannt ihrem akribischen Plan nach mit einer sehr genauen Vorstellung, wann sie wo was erleben werden. Und Äpfelpflücken bedeutet emsiger Konkurrenzkampf. Huiui, das wäre nix für mich. „Ich lass mich ned stressen“, meinte Jochen, „schon gar nicht beim Reisen!“ Reisende sind eben auch sehr unterschiedlich.

Ein bisschen Heimat ist mit Gerhard Polt und Hans Söllner zu mir geschwappt, wenn ich zweiteren auch ein bisschen platt und monoton finde. Es ist doch weit mehr Bayern als Deutschland, was ich vermisse. Die Berge, die Dialekte, die Muhackln, mei, es is scho o schee, derhoim! Aber ich weiss auch, was ich von Neuseeland vermissen werde: die Weite, die Schafe, die Kühe, die Vögel, die hohen Weiden, die Vielfalt der Natur- dichter nasser Busch an einem Ort und 100 km weiter Trockenheit und Felsen. Das Gelassene, die freundlichen Schwätzchen in den kleinen Läden, das Improvisierte, Selbstgemachte, Meer und Berge so dicht zusammen. Nach dieser Erfahrung wird es noch schwieriger für mich sein, mich in eine geschniegelte Welt einzufügen.Wenn das mit dem Erwachsenwerden bis dreissig noch nicht geklappt hat, wird das vermutlich sowieso nichts mehr.

Und damit ihr wisst, was ich meine, wenn ich von Joe Bennett schwärme, hier ein Schmankerl aus seinem „Eyes right (and they's wrong)“:

Suffer the little goats

It's half six in the morning and the trees are thrashing and the rain is slanting and it feels like one of the bad bits in a worse film about satanism and I've just battled down the drive to fetch the paper and as I battled I was struck, as one so often is, by the fundamental question that underlies all systems of moral philosophy, the bedrock question that you reach when all fripperies are washed away by the ferocity of the weather, to wit: how hard is it to help a goat?
The goat, or rather thhe goats, both of them, lodge at my place. And it isn't a bad place to lodge. They've got two paddocks. When they've eaten most of the grass in one, I move them to the other, and then, some weeks later, rather cleverly, I move them back again. It's a system of farming all of my own and I strongly recommend it to anyone out there in the animal husbandry business, though I generally avoid using the term animal husbandry when speaking with urban types for fear of misunderstandings.
Stretching under the fence, so that the goats can get at it from either paddock, lies a stainless steel trough, which I refill daily from a good-quality kinkless hose. And every morning and every evening in winter, when the grass is not at its most abundant, I toss the little darlings heel ends of bread, the occasional carrot, banana skins, a fistful of goat nuts- which are not what they sound like but rather a nutritional supplement that comes in a sack- and the odd sock for roughage. These goats are fat.
In one of the paddocks stands a crude three- sided hut in which the goats can take shelter when the weather turns nasty. In the other paddock stands a palace. I built the palast last autumn. It cost me several hundred dollars, two thumb-nails and a firkin of sweat and it afforded me more satisfaction than anything except puberty. Even today, six month later, I still sometimes lumber up the hill merely to admire it, to smite the mighty solidity of its four-square corner posts and its roof trusses and to lean against it smug with the knowledge that I built it and that is good. At present I am carving a Latin inscription that I shall eventually nail to the palace's lintel. 'Hoc aedificavit Josephus MMVI', it will say.
The palace has got everything a goat could need in bad weather: mangers, sleeping quarters, a lounge and, above all, dry warmth. 'Suffer the little goats come unto me,' says the palace, 'that I might succour them when the southerly blows and the trees are thrashing and the rain is slanting and it feels like one of the bad bits in a worse film about satanism.'
But my goats are deaf. For as I was battling back up the drive with the paper and the dogs in the half-light of this tempestuours midwinter morning, I happened to look up to the paddocks where the goats lodge and there on the hillside, mute and stationary were the dim shapes of two goats. Sodden goats. Probably shivering goats. For goat pelts, however shaggy they may grow in winter, lack lanolin. Water permeates them, soaks to the skin. And when the trees thrash and the wind slants and all the rest of it, goats without shelter can die. Their internal systems falter, their extremities shut down, their knees fold, they sink to the ground, and their little tails wag feebly and then fall still for ever. Or so I've read, though what I read wasn't quite so affectingly poetic
So here were two goats in close proximity to crossing the bourn from which no traveller returns. And yet they were standing, and had presumably stood all night, in even greater proximity to a goat hotel so luxurious that it would banish in perpetuity all discomfort, all thoughts of unreturnable-from bourn crossing. But had they availed themselves of it? The question is redundant and the answer is inexplicable.
What more could a goat owner do? I had showered the goats with kindness and dollar bills and a palace and they had thrown the lot back in my face We will stand and suffer, thank you, they said.
And now, in my warm dry study, where I can hear the rain still beating its crazy tattoo on the roofing iron, I realise that this is far more thon a story of goatish intransigence. This is a story of pride, of independence, of the undying need to stand on our own four feet and bleat to the world that in our own small way we are who we are, take us for good or ill, and that pride is not a sin but rather what gives us worth. Two spoilt little goats but how their story ramifies. I think I'd better stop.

Bennett jedenfalls hat in mir einen wahren Verehrer gefunden – und er hat mir klargemacht, dass mein Englisch leider leider noch lange nicht da ist, wo ich es gerne hätte- es kommt mit meinen blöden Witzen einfach noch nicht ganz mit. Noch nicht?