Mittwoch, 12. November 2008

It isn't always like that
















Wir haben es nach Kausani in der Region Uttarakhand geschafft. Bereits nach einer kurzen, gemütlichen Fahrt von achtzehn Stunden waren wir da! Kavita und mir haben sich Lorna und Karl angeschlossen, die ein Hostel auf einer schottischen Insel haben. Sie sind sehr nett und da wir alle unsere Gesellschaft schätzen, haben sie sich spontan entschieden, mit uns zum Anashaktiashram nach Kausani zu kommen.

Die Fahrt, nun ja, sagen wir, sie war für die etwas härter gesottenen. Um halb neun kam das Taxi, das uns alle zum Bahnhof Neu Delhi bringen sollte. Erst hatte uns das Taxiunternehmen vergessen, dann wurde doch noch eines hergeschickt. Auf dem Bahnhof waren wir zwischen gefühlten Millionen auf dem Boden sitzenden, rennenden und schreienden oder meditierenden Indern, Kavita und ich in der Gegend der zweiten Klasse. Kurz vor unserem Einstieg eine dreiviertel Stunde nachdem der Zug abfahren sollte, gab es noch eine kleine Schlägerei, Kavita wurde bei der Gelegenheit ihr Schloss gestohlen (was bitte fängt man mit einem Zahlenschloss an, dessen Nummer man nicht kennt?) und ein Inder entleerte seinen Magen aus dem Zug auf den Bahnsteig, während die putzigen Ratten eine Dusche unter der Toilette des Zugs nahmen. Kavita sagte: „It isn't always like that!“ Wir fochten also unseren Weg zu unserer reservierten Liege im Abteil S3 und kraxelten hinauf zu unseren kleinen Hühnerställen, nachdem wir unser Gepäck ebenfalls hochgehievt hatten. Mit meiner neu erstandenen Kette sicherte ich meine Rucksäcke und bettete mein Haupt auf dieselben. Sehr lautes Handygeschepper, vielstimmiges Schnarchen und diskutierende Männer vermochten mich nicht recht in den Schlaf zu wiegen, so dass ich meinen MP3-Player herauskramte, mich in meinen Schlafsack kuschelte und mich mit Elgars Violinkonzert ablenkte, was mir freilich ein wenig surreal in diesem Kontext vorkam. Dazwischen das Knarzen und Quietschen der Räder und immer wieder eine frische Brise Dieselrauchs durch die offenen Zugtüren. Kavita sagte: „It isn't always like that!“ Soviel Vergnügen und das für läppische drei Euro! Gegen fünf machten sich einige fröhliche Inder auf, ihre Atemwege durch lautes Gurgeln, Rotzen und Spucken zu reinigen. Ich konnte nicht mehr an mich halten und hatte schlicht und ergreifend einen Lachkrampf. Kavita sagte: „It isn't always like that!“ (Kavita hat das gerade gelesen und meinte, an diesem Punkt hätte sie nicht gesagt, dass es nicht immer so sei, da es eben doch immer so sei.)

Um sechs kamen wir auf dem Lande an, das sich dann doch als kleinere Stadt herausstellte. Mein Frühstück in Form einer Banane, einer Guave und eines Apfels teilte ich mit drei bettelnden Kindern während meine Reisebegleiter von zirka 28 Taxifahrern umringt wurden, die uns alle die grosse Ehre erweisen wollten, uns nach Almora zu chauffieren. Nach harten Verhandlungen fanden wir einen Jeep mit profillosen Reifen und einem sehr hageren jungen Fahrer, der mit uns und einer größeren Anzahl Inder samt unserem mit Schnüren befestigten Gepäck auf dem Dach durch die kurvigen Bergstrassen raste. Wohl Lorna und mir, die wir vorne sassen und sogar ein wenig eindösen konnten, obwohl wir uns wie in einem Barshaker fühlten. Das Dösen war wohl besser, da wir sonst vollkommen zu Recht um unser Leben gebangt hätten, zumal wenn die Achse des Jeeps verdächtigt knarzte und Karl, der Münchner ist, einmal beiläufig und in leicht sarkastischem Tonfall das Akronym „TÜV“ ins Spiel brachte. Wir nahmen in Almora unser Frühstück in einem Hotel und liessen unsere Rucksäcke unter der Aufsicht des dortigen Portiers. Ich meinte, ein bisschen erstaunt: „Ah, es ist ja noch alles da!“ Kavita sagte: „It isn't always like that!“ Als wir schliesslich in Kausani ankamen, sahen wir einen Bus aus dem sich eine Frau übergab und sich weitere unterschiedlich farbige Kotzspuren aus eigentlich jedem Fenster zeigten. So schlecht war also unsere Jeepfahrt beleibe nicht!

Irgendwie ergab es sich, dass sich uns eine Französin anschloss, die sich als ziemlich neben der Spur, anhänglich und nervig entpuppte. Sie hatte vier! Reisetaschen mindestens mittleren Gewichts dabei und liess einige Gepäckstücke ganz fröhlich Karl und mich tragen. Kaum zu glauben, dass sie schon fuenfzehn Mal in Indien gewesen sein will. Eigentlich wollte sie nicht mehr nach Kausani, sondern in Almora Halt machen, hat dann aber offenbar von unserem Charme angelockt doch ihre Pläne geändert und traf hier einige Stunden nach uns ein. Seither ducken und verstecken wir uns gern hinter Mauern.

Ich finde es hervorragend, dass auch die Landbevölkerung nur scheinbar rückständig ist. Ich hatte das Glück, eine Männergruppe fotografieren zu können, die einer abendlichen Schafkopfrunde frönt. Leider hatte ich keine die Gelegenheit zu sehen, ob sie die lange oder die kurze Oberpfälzer Version spielen und auch die Weißbierkrüge sind auf dem Foto nur schwer zu erkennen. Ähnlich scheu sind die schneegekrönten Himalayaberge, die sich nicht recht blicken lassen, geschweige denn für ein Foto für Euch posen wollen. Hier hoffe ich durch gutes Zureden in den nächsten Tagen noch Gutes zu erreichen.

2 Kommentare:

Tine hat gesagt…

also nocheinmel....

Hallo Andi,

finde es immer wahnsinnig interessant was du da alles so schreibst. Würde gerne noch viel mehr Hintergrundinformationen erhalten, aber leider kann man nicht alle seine Eindrücke zu Papier bringen. Erwarte also dass du dir alles bis ins kleinste merkst und es mir nach deiner langen Reise dann ausführlich erzählst.

Ich wünsche dir noch viel Spaß und alles Gute auf deiner Reise durch diese doch etwas andere Welt.
Ach ja, schau heut Nacht mal nach oben, ich winke dir dann aus unserem Flugzeug zu wenn wir über dich drüber fliegen :-)

Alles liebe,
Tine

Tina hat gesagt…

Nach der Tine kommt die Tina...

Les fleißig deine Einträge und wünsch dir weiterhin so viele tolle, interessante Erfahrungen! Das weniger Schöne gehört dazu, um das Schöne zu schätzen zu wissen. :)

Pass auf dich auf!
Diplomanden-Tina