Donnerstag, 18. Juni 2009

Was ist schon anstrengend?











Dem Matsch entstiegen- ein neuer Mensch. Naja, ein bisschen viel Drama, das. Mal ganz langsam und von vorne. Da ich schon mal auf Stewart Island war, wollte ich natürlich auch was sehen und das tue ich gerne wandernd. Gavin meinte, wenn ich wirklich was sehen will, müsste ich schon ein bisschen mehr als die drei Tage Rakiura Walk machen. Das ist ein weiterer der sogenannten Great Walks, sehr schön beschildert und mit vielen Stegen für den pässlichen Tritt. Und da gibt es den Klassiker, die längste Wanderung Neuseelands und, wie ich nun weiss, ganz sicher eine der wirklich härteren. Zehn Tage North West Circuit. Mit legendären Schlammmassen (schon das Wort!), anständigen Steigungen und 125 km Strecke. Ich war ein wenig naiv, dachte, die Wege seien wie auf all meinen anderen Wanderungen. Da ist schon mal Dreck am Schuh kleben geblieben und es ging über ein paar Würzelchen, aber das, nein, das...

Gavin fuhr mich am 9. Juni um dreiviertel sieben an den Start des Tracks, der auch der Anfang des Great Walks ist. Als ich den nach drei Stunden freudigen Spazierens hinter mir liess, war ich nach kürzester Zeit knietief im Morast, gnaaaatsch, gnaaaatsch. Und da voran zu kommen, kostet Zeit und Kraft. Nach sieben Stunden war ich an der ersten Hütte, der Bungaree Hut, herrlich am Meer gelegen. Nach einer Stunde kamen zwei weitere Wanderer an, Ben und Adam, beide 24. Ich hatte mich auf Einsamkeit eingestellt, nun hatte ich Gesellschaft mit genau dem gleichen Plan für die gleiche Zeit. Die beiden waren wenig gesprächig und meine Freude hielt sich in Grenzen, zumal sie sich wenig um Feuerholz kümmerten. Hat sich auch alles während der zehn Tage nicht geändert. Aber ich lief alleine und stellte bald fest, dass ich mir mächtig was vorgenommen hatte. Essen für zehn Tage und die üblichen Wanderutensilien auf dem Rücken hatte ich mich durch einige Bäche zu kämpfen, an Wurzeln hochzuziehen und sogar manchmal an Seilen durch den Schlamm abzulassen. Aber ich bin stur, hatte beschlossen, das durchzuziehen, also liess ich nicht locker und motivierte mich brav. Ich dachte, das Apfelpflücken hätte mir Gelegenheit gegeben, über mein Leben nachzudenken. Jetzt aber hatte ich erst so richtig die Chance. Leo, meine Eltern, meine Freunde, meine Zukunftspläne und Erinnerungen bildeten meinen Film. Dreissig Jahre- da gibt’s viel mehr Stoff als von mir erwartet. Das ist ein wenig so, als würde ich in den hintersten Ecken einer Rumpelkammer kehren. Ich dachte, es würde nicht mehr schwieriger kommen als durch Matsch und Hügel von Hütte zu Hütte, bei Beginn des Tageslichts um acht los und unbedingt bis um fünf wieder dort, wenns dunkel wird. Dazwischen Wasser und ein Müsliriegel. Die angegebenen Zeiten von sechs bis acht Stunden Wandern überschritt ich oft, einfach, weil mich der Matsch gefangen hielt. „Nicht schauen, nicht denken, laufen!“ hab ich mir wohl zehnmal am Tag gepredigt.

Am siebten Tag strebte ich nach der Big Hellfire Hut die Mason Bay Hut an. Ein stürmischer, regnerischer Tag, mit Hagel und kalt dazu. Ich war fasziniert vom wilden Meer und den knarzenden Bäumen. Als der Track am Strand entlang ging, fand ich bald heraus, dass die Flut mächtig bis über meine Knie herschwappte und ich fürchtete, einfach in den Berg geschoben zu werden, der da steil aufragte. Ich guckte ein bisschen verzweifelt nach der Hütte, die aber lange noch nicht in Sicht war. Eine Stunde Tageslicht hatte ich noch. Ich malte mir aus, was mir schlimmstenfalls passieren könnte. Nun, dachte ich, eine Nacht draussen, unter einem Busch, in meinem Bivacksack mit all meinen noch trockenen, warmen Klamotten bekleidet. Das letzte bisschen Tageslicht nutzte ich, um den rechten Busch zu finden und setzte meinen Bivackplan um. Schlafsack in den mitgeführten Müllsack, das ganze in den Bivacksack. Die Jacken dienten als Unterlage und der Rucksack wurde zur Matte umfunktioniert. So lag ich am Hügel im Hagel und harrte aus. Von sechs Uhr abends bis um acht in der Früh döste ich, checkte, ob noch alles einigermassen trocken war und ich nicht am Hügel abrutschte, lauschte den mächtigen Wellen und dem Hagel und guckte stündlich auf die Uhr. Es war kühl in meinen Hüllen aber nicht eisig in der doch sehr kalten Nacht. Meine Ausrüstung hat sich voll bewährt und ich war erleichtert, dass letztlich alles doch recht unproblematisch war. Zwar war ich noch dreckiger und alles etwas feucht, aber ein gutes Feuer in der nächsten Hütte hat den Schlafsack trocknen lassen und mich wieder ganz auf die Bahn gebracht. Ein Abenteuer, das mich ein wenig hat bangen lassen. Aber ich freute mich, nicht panisch zu werden, sondern ruhig geblieben zu sein und das Beste aus der Situation gemacht zu haben. Wenns schwierig wird, kann ich mich auf mich verlassen.

Auf dem Weg gab es immer wieder Gesellschaft. Roland, einen unfassbar fitten Wanderer in der anderen Richtung, der mir seine Zahnbürste schenkte, da mir meine aus der Tasche gefallen war. Und vor allem zwei Gruppen Jäger, die sehr zünftig und lustig waren und mich mit ihrem eingeflogenen und erbeuteten Essen fütterten. Da gabs auf einmal Bacon and Eggs zum Frühstück, Paua Muscheln und Blue Cod zum Abendessen und Rehgulasch bei der anderen Gruppe. Einer schenkte mir sehr gute Wandersocken, die ihm zu klein sind und sie gaben mir Vitaminsprudeltabletten mit auf den Weg, die ich mir so sehnlich vom Universum gewünscht habe. Die Krönung war die kalte Dusche, die sie installiert hatten und mir zur Verfügung stellten. Ich bin sehr dankbar über soviel Menschenliebe und fühlte mich gleich sehr geborgen bei soviel Fürsorge. In der vorletzten Hütte trafen wir auf DOC- Leute, die mir erzählten, dass es gar nicht so ungewöhnlich sei, dass Leute im Freien übernachten, wo die Flut bei Mason Bay herbrandet. In der letzten Hütte gab es Felsen am Meer, von denen wir bei Ebbe Miesmuscheln zum Abendessen pflückten. Mhm, ein Fest!

Ein Jäger hatte mir erzählt, dass ich am Strand Handyempfang haben könnte. Ich sprach kurz mit Leo, der sich wild entschuldigte für seine haarsträubende Geschichte und momentan wieder weg vom Rauchen und Trinken hin zum Laufen kommt. Er will übers Meer schwimmen, um bei mir zu sein. Verrückter Kerl. Und klar: ich vermisse ihn...

Als ich letztlich heute am zehnten Tag in Oban mit meinem Wanderstock einlief, vollführte ich ein Freudentänzchen, setzte meine Tarnmütze auf meine dreckverklebten Haare und freute mich über soviel nette Mails von Euch. Vielen Dank! Ich wusste schon, warum ich mich darauf gefreut hab! Zehn Tage im Busch, mit Kiwis, dem kleinen Vogel Tomtit, den Fantails, den melodiereichen Tuis, den Manukabäumen, den vielen Farnen und Bächen, in den Bergen und am Meer. Für meine hundert Euro Futtergeld hatte ich wirklich ein phantastisches Abenteuer und jede Menge Zeit zum Nachdenken. Zweifel, ob ich das packe und letztlich die Zuversicht, dass alles gut geht. Wenn ich mir etwas wirklich ersehnte wie diese Vitamintabletten hab ichs gekriegt. Ich bin sehr dankbar für die Zivilisation, die Chips, Kekse und Milch, die ich mir gegönnt habe. Die warme Dusche, die Waschmaschine, den warmen Ofen und das elektrische Licht. Ich feiere das Leben und sehe sehr klar, wie gut ein bisschen Verzicht tun kann. Langweilig war mir nie, auch wenn ich an ganz andere Dinge als gewöhnlich dachte. Warm, trocken, ankommen, schlafen, essen- worüber sollte ich mir sonst Sorgen machen?

Auf die Insel mit viel Bergen




In Invercagill habe ich den Tag mit Ester, meiner Couchsurfwggastgeberin und ihrem Bruder Sam beim Golfen verbracht. Von ein paar schnieken Golfcaddyfahrern (die haben mich verdammt an die deutschen Golfer erinnert- eingeschleppt?) vertrieben, haben wir creativity golf oder auch freedom golf gespielt, mit einigen überaus fordernden Parkbank, Denkmal und Spielplatzhindernissen. Mann, war das lustig! Ich suche momentan ein wenig nach Dingen, die mich aus meinem kleinen Tief herauskatapultieren. Die Leosache hängt mir ein wenig nach, teils auch, weil ich mich als zu naiv erlebt habe. Es ist ruhig geworden hier, ohne die anderen Touristen und ich bin nicht immer so voller Tatendrang und Freude wie gewohnt. Das liegt sicher auch daran, dass ich viel näher an der Natur bin, die auch nicht sommerlich blüht.

Neuseeland war wohl nicht abgelegen genug. Eigentlich wollte ich eher einen Fallschirmsprung wagen, nun bin ich ziemlich weit weg von allzu aufregenden Dingen auf Stewart Island. Die Insel ist die drittgrösste Neuseelands mit 450 Einwohnern, die sich freilich in irgendeiner Form alle kennen. Die Überfahrt vom kleinen Ort Bluff, den man vor allem wegen seiner Austern mag, dauert eine Stunde und kostet 60 Dollar. Der junge Kapitän Tim gab mir eine Einführung in die Sicherheitsregeln, die paar anderen Leute an Bord (sechs, sieben?) seien alle locals, die bräuchten das nicht. Und wenn ich es nicht allzu wild haben wolle, sei ich weiter hinten an Bord eindeutig besser bedient, es sei ein rauer Tag auf See. Ich wollte natürlich das volle Vergnügen, hielt mich ordentlich fest, beugte die Knie und hüpfte in Surferpositur über und manchmal in und unter die Wellen und plauderte mit Tim. Leider waren die Delfine, die er im Herweg gesehen hatte, schon weg und der vorbeischwimmende kleine blaue Pinguin wurde nur von ihm erspäht. Ich will wissen, wie es ist, auf so einer kleinen Insel, so ganz weit weg von allem, was so viele Menschen für erstrebenswert halten. Ausserdem wäre es natürlich zu fein, einen Kiwi in der Wildbahn zu sehen, von denen es hier mehr als Einwohner gibt. Die kleinen Vögel sehen schlechter als ich und es kann sein, dass sie buchstäblich in einen reinlaufen. Ich werde mich wieder brav in den Busch aufmachen, ob für drei oder zehn Tage, finde ich morgen im DOC Büro heraus. Kiwis gibt es übrigens mindestens dreierlei, angefangen hats wohl mit den hühnchengrossen runden Laufvögeln, dann gings auf die grünen und gelben Früchte und letztlich heissen alle Neuseeländer so.

Mein Wwoof Gastgeber hier heisst Gavin, geht auf die fünfzig zu, wirkt aber sehr jugendlich. Er ist viel gereist, um unsere Alpen mit dem Motorrad und auch in Afrika. In Südostasien war er tauchen, was er offenbar am allerliebsten macht. Hier hat er einen Vertrag als Taucher mit einer Lachsfarm und prüft deren Netze. Mit zwei Freunden hat er ein Ofenpizzarestaurant und ausgebildet wurde er als Schreiner. Das macht Spass, aber mehr für ihn selbst, meint er. So hat er ein ganzes Haus gebaut, das ziemlich verwinkelt und eigentümlich, aber wirklich schön ist. Er hat eine Sauna und eine grosse Wanne eingebaut, er schläft erhöht mit Meerblick und ich direkt unter der Küche in einem Hochbett unter dem Ofen, weil ich doch sonst frieren könnte, wie er schon sorgenvoll mit der Bettflasche in der Hand meinte. Ich sitze hier in der Küche und schaue aufs Meer und den Wellen zu. Ich bin ganz froh, dass ich das mittlerweile „kann“, vor meiner Reise hätte ich vielleicht sowas wie Langeweile empfunden oder doch den starken Drang, irgendwas zu machen. Ich bin ein klein bisschen ruhiger geworden, zumindest manchmal. Vom Fenster habe ich wie so oft ein Panaroma, das mich ein Superweitwinkelobjektiv vermissen lässt. Kalt ist es hier freilich, ganz winterlich und windig, bis zu minus zwei Grad. Die paar Inselbewohner, die ich heute getroffen habe, meinten alle ungefragt, auf der Strasse und in den kleinen Läden, dass es doch sehr, sehr kalt sei.

Gavin hat fünf Hennen und einen Hahn, ein erstaunlich warmes Tunnelgewächshaus, in dem er auch die Wäsche aufhängt und eine Wurmfarm. Ich habe den Verdacht, wir würden das einfach Kompost nennen. Es scheint ihm an nichts zu fehlen, er liest gern an den langen Winterabenden und ansonsten hat er seine Golfausrüstung, geht tauchen, baut und gräbt und guckt ein bisschen fern. Hie und da wird er wohl mit seinem Motorrad die insgesamt 27 km Strasse abfahren, dies hier gibt. Seine Wasserversorgung ist ihm vor kurzem umgekippt, das heisst, sein Regenwassertank ist umgefallen. Nun hat er ein neues System und wir werden wohl gemeinsam einen Rinne graben, um einen Schlauch dorthin zu verlegen. Aber er will mich nicht überstrapazieren, glaube ich. So war bis jetzt meine Aufgabe, den Kompost wegzubringen, die Handtücher aufzuhängen und die Hühner zu versorgen. Da gibt es aber wieder die vielen kleinen Dinge, die mich als Stadtkind so richtig blöd ausschauen lassen. Den Kompost hab ich nicht gefunden, die Hühner laufen irgendwie wild im Garten herum, aber nur ein paar und ich weiss nicht, ob ich dagegen was unternehmen soll oder das so gewollt ist. Und wieviel von welchen Körnern fressen die denn? Eine weitere peinliche Herausforderung war, das Feuer anzuzünden- trotz schöner Spreissel eine Aufgabe, die mich eine halbe Stunde beschäftigt hat. Was für eine Unfähigkeit! Feuer ist aber wichtig, da es sonst wirklich frisch ist. Viel Wärme geht ausserdem durch die nicht vorhandene Isolierung verloren und vor allem, weil Gavin seine riesigen Fenster nicht doppelverglast hat. Er meinte, es sei bedauerlich, dass ich meinen Neoprenanzug im Auto liess, hier könnte ich wunderbar schnorcheln- brrrrrrrrr...Ich härte mich momentan durch Joggen und die blossen Lufttemperaturen ab...Im Bett liege ich in meinen warmen Schlafsack gekuschelt neben einer kleinen Laterne mit einem Teelicht und lese Charles Dickens „The Old Curiosity Shop“ - wenn das mal nicht romantisch ist. A propos: Leo hat geschrieben, dass es doch sehr bedauerlich sei, dass er eine absolut wunderbare Beziehung ruiniert hat. Seufz...

Mittwoch, 17. Juni 2009

Der Aventuere Rueckkehr

Ich bin wieder da! Zu berichten habe ich von 125 km in oft knietiefem Matsch, Hagel, Schnee, Sturm, einem wilden Meer, wunderbaren Kiwis und vor allem einer Nacht unter einem Busch in meinem Bivvybag. Die Tour war das anstrengendste, was ich je in meinem Leben unternommen habe. Kommt kein Marathon und keine Lektuere eines Philosophieaufsatzes nicht hin. Saugeil wars, wenn ich das mal so sagen darf. Ich berichte, mit Bildern, im Detail, sobald ich wieder richtiges Internet habe. Und ganz lieben Dank fuer die vielen Geburstagsmails, die Vorfreude darauf war voll berechtigt. Ihr seid die weltallerbesten Freunde!!!

Sonntag, 7. Juni 2009

Nein, ich bin nicht alt. Ich kann noch laufen und das fuer zehn Tage, an der Kueste, im Busch. Mehr kann ich momentan hier leider nicht schreiben. Ich bin erst mal wech und ich werde es bestimmt lieben. Bis bald, Ihr Lieben, ich freu mich auf Euch, in jeder Form!!!

Freitag, 5. Juni 2009

Auf die Insel vor der Insel



Ich hab vergessen zu erwähnen was es mit dem sausage capital Tuatapere auf sich hat- nicht viel, irgendwann ist der Metzger dort zum Oberwurster im Radio ernannt worden, nun gibts ein Riesentratra. Soll uns nciht weiter stören, die Wurst schmeckt wie alle anderen auch- nicht...

Ich habe nun zwei Tage in Invercagill verbracht, der einzigen Stadt Neuseelands, in der man keine Studiengebühren zahlen muss, weil die Leute von hier ständig weggezogen sind. Hier kann man Tuataras im Museum anschauen, die ältesten lebenden Exen der Welt. Sehr munter, wenn sie Babies sind, sehr ruhig, wenn sie älter werden, wie Henry, der Opa, der mit 110 das erste Mal ernst machte mit Nachwuchs. Vorher war er unleidlich, hatte er doch eine Zyste am Schwanz, nach deren Entfernung sein Charakter ins Liebliche umschwenkte. Ihr seht auch einen Knochen eines Moa, ein Laufvogel, der bis zu drei Meter gross wurde, aber leider ausgerottet wurde. Immerhin warens wohl nicht die armen Possums, die ihn niedergestreckt haben. Sonst werden sie aber für fast alles verantwortlich gemacht: Rückgang der Arten und Schwund des Busches. Auch die Kaninchen mag man hier gar nicht und die Wiesel sind auch unbeliebt, fressen sie doch die Vogeleier und haben vor allem keine Fressfeinde, sondern nur den Menschen, der sie mit Gift 1080 aus dem Flieger erschlägt.

Ansonsten ist das hier ein Örtchen zum ein wenig shoppen und Studien für Australien betreiben- Queensland wäre jobmässig wohl günstig. Ich motiviere mich gerade, Anfang Juli dorthin zu fliegen.

Hier habe ich das gute alte Couchsurfen genutzt udn bin in einer einigermassen chaotischen MusikerWG untergekommen. Vier Leute und bis zu neun Couchsurfer, die sich im Wohnzimmer drängen. Jung und freundlich und ein bisschen schräg, mir ist das nur recht, vor allem sowas wie ein fester Wohnsitz, tata! Heute fahre ich in den Austernort Bluff, um von dort mit der Fähre nach Stewart Island überzusetzen. Dort erwartet mich Gavin, ein wwoofing Gastgeber, der sich mit seinem Garten auf Armageddon vorbereiten will, wie er sich im Wwoofbuch selbst beschreibt. Auf der Insel gibt es insgesamt 20 km Strasse und wohl keinen Handyempfang, dafür viel von meinem Lieblingsbusch, Delfine, Wale und viele Vögel. Heisst es- mal sehen!

Mittwoch, 3. Juni 2009

Der Zweiminutenblog



Brrrr, es ist echt kalt. Immer wieder Regen in Riverton, wo ich mich vergeblich um einen Wwoofingplatz bemühte, da doch im Winter nicht soviel draussen zu tun ist. Es reist kaum wer und ich will sparen und lieber im Auto frieren. Dort befestige ich eine Kerze in meinem Billy, dem Campingtopf und befreie Lizzy Bennett von den Qualen ihres Stolz und Vorurteils, wenn es um halb sechs dunkel wird. Einmal hab ich mir ein Bett in einem leeren Hostel geleistet, einmal auf einem Parkplatz vor einem Wanderweg geschlafen und bin dort prompt in der Nacht um zwei von einem anderen Auto angeleuchtet worden. Fand ich gruselig und bin aufgebrochen gen Strand, wo sichs bedeutend besser schlafen liess. Nun bin ich in Invercagill und versuche mein Glück bei den Couchsurfern bevor ich am Samstag auf die Stewart Island aufbreche, um dort erst zu wwoofen und dann zu wandern. Die Zeit vertreibe ich mir mit Plaudereien im Buchladen und einem langen Gespräch mit einem Spieleladenbesitzer, der erst Farmer, dann Erlebnispädagoge war, dann Management studiert hat und nun einen Spieleladen hat. Scheint ein glücklicher Mensch zu sein. Wir haben gleich eine Runde gespielt, das hab ich vermisst. Es wird wohl Zeit, einen "move" zu machen, ich spüre es. Australien, arbeiten, das ist angesagt.

Montag, 1. Juni 2009

Lügen und Zeiten der Klarheit




Leo ist ausgerastet. Nach einer herrlichen Wanderung kamen wir auf seinen Wunsch einen Tag früher im Motorcamp an. Am nächsten Tag war er schlechter Dinge und ich liess ihn allein. Da ist er spazieren gegangen, rief mich dann an und sagte mir, ich solle das Auto sofort packen, wir müssten weiter. Ich meinte, er solle erstmal heimkommen, dann könnten wir die Route besprechen. Er kam heim, packte ein paar seiner Sachen zusammen und eines meiner teuren Merino – Shirts und dampfte ab. Ich war fassungslos, lief ihm nach und fand ihn im Park, wo er übernachten wollte. Er wollte mir seine „wahre Geschichte“ erzählen, während er eine Flasche Sekt trank. Die Geschichte war wild und liess mich ihn schrecklich bedauern ob soviel durchlittenen Leids. Allerdings hat sie sich als vollständig falsch herausgestellt, als ich seine Schwester anrief und mich erkundigte, was wirklich dran ist. Ich habe ihm eine Matte und einen Schlafsack in den Park gebracht, weil es wirklich kalt war. Er rangelte noch kurz mit mir, er wolle im Auto schlafen, ich stiess ihn weg und sagte ihm, dass ich ihn betrunken nicht aufnähme. Er hat mich wohl in der Nacht noch gesucht, aber ich schlief bewusst woanders und hatte auch absichtlich das Handy aus. Nun ist er weitergereist, in eine andere Stadt. Er rief an, er wolle mit mir weiterreisen. Es täte ihm alles schrecklich Leid. Ich war natürlich vollständig platt. Während all der Zeit, da Leo und ich zusammen waren, hat er nicht getrunken, das hat auch seine Schwester bestätigt. Ich wusste um eine Alkoholvergangenheit, dachte aber, es sei eine Vergangenheit und war mir nicht sicher, ob er Alkoholiker war. Er sagte immer, er trinke nicht mehr, das ändere die Menschen, das sei nicht gut. Er ist der liebste Mensch, wenn er nicht trinkt, wenn er aber trinkt, scheint er sich nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Ich hab ihm gesagt, er müsse sich Hilfe suchen und das will er im Grunde auch. Seine Schwester fürchtet, er wird sich umbringen, wenn er das nicht in den Griff kriegt. Viel kann ich ihm nicht helfen, ich habe ihm versprochen, dass wir Freunde bleiben. Ich wünsche ihm das Beste, er ist ein wunderbarer, aber ein kranker Mensch. Ich hege keinen Groll, er tut mir einfach nur sehr, sehr Leid. Wohin er geht, verbrennt er seine Brücken, hat Joan, seine Schwester mit Tränen in der Stimme, erklärt. Lügen jedenfalls vertrage ich gar nicht gut. Warum all das- vielleicht weiss er es, vielleicht erzählt er es mir irgendwann.

Ich habe mich eilig auf den Weg gemacht und fahre nun die sogenannte Scenic Route ganz im Süden Neuseelands entlang. Jan und Brian, das Paar vom Hollyford Track haben mich zu sich eingeladen und ich freue mich über soviel Gastfreundlichkeit. Auf meinem Weg kam ich an eine tolle Limestone Höhle, die ich freilich wacker und teils durch Wasser durchwanderte. Wo die Höhle ist, war früher Meer, das sie ausgeschwemmt hat, jetzt sind da faszinierende Steine und Glühwürmchen. Ich fuhr bis Tuatapere, einem skurrilen kleinen Örtchen mit einem Bushman's Museum,das ich heute noch besuchen will. Das Örtchen bezeichnet sich als Sausage Capital. Warum, das finde ich noch raus. Mein Holidayparkbesitzer besitzt auch noch den Allzweckladen hier, ein Hostel und ein Pub, zwei Katzen, einem zahmen Reh und einer zahmen Bergziege und den sprechenden Papagei Brandy, der gern auf mir herumsteigt. Angefangen hat er mit einem Fish and Chips Shop. Von Tuatapere startet der Hump-Ridge Track mit alpinen Abschnitten und viel Meer. Da es aber bis auf 200 Meter schneien sollte, liess ich das lieber bleiben und machte mich nur die sechs Stunden an Meer durch den Busch entlang auf. Normalerweise brauche ich die Zeit nicht, die die Zeichen angeben und trödelte vor dem Start etwas herum. Um zwölf war ich am Start und marschierte in Hochgeschwindigkeit los, um nicht in die Dunkelheit zu kommen. Ich genoss den Busch und war tief in Gedanken versunken, ganz das rechte Heilmittel nach dem Leoschock. Einmal blickte ich auf und sah etwas langes Weisses durch den Wald huschen. Lang, das hiess mannshoch. Dann war es weg. Ich fragte mich, ob ich nur einen seltsamen Lichteinfall gesehen hatte, oder schon am Halluzinieren war. Schnell lief ich weiter und stiess auf sieben Surfer, die ihre Bretter sechs Stunden in den Wald trugen, um dort surfen zu gehen. Da kann man getrost von Leidenschaft sprechen und ich war erleichtert, weil es nur ein unerwartetes Surfbrett war, das ich da gesehen hatte. Sie waren nicht sehr schnell, da sie Zutaten für wahre Festmahlzeiten auf dem Feuer dabei hatten: Gulasch, Kartoffeln, gebackene Bananen, einige Flaschen Alkohol, die Neoprenanzüge und die Bretter. Mit dem schnellsten von ihnen schaffte ich es nach fünfeinhalb Stunden zur Hütte, einer alten Schule. Was tut eine Schule in soviel Abgeschiedenheit? Port Craig wurde 1917 als Holzverarbeitungsstätte in Betrieb genommen. 200 Menschen lebten und arbeiteten dort und ich konnte noch allerlei Relikte anschauen. Die Kosten für eine so abgelegene Produktionsstätte waren aber zu hoch und 1928 hat man von einem Tag auf den anderen den Betrieb eingestellt. Nun schlafen also die Wanderer in der alten Schule. Ich wollte am nächsten Tag wieder rauswandern, fand dann aber die Gegend so spannend, dass ich noch einen Tag blieb und lange am Meer sass. Dort sieht man wohl hie und da Delfine, Wale, Seehunde und Pinguine. Als ich gerade dabei war, mit meinem Geschau aufzuhören, da mich die Sandfliegen verspeisen wollten, sah ich erst einen lustigen Schwimmvogel, der aber eher einer schwarzen Ente denn einem Pinguin und glich und dann etwas kleines Schwarzes, das immer wieder auftauchte. Es war die Flosse eines Hector Delfins, des kleinsten Delfins der Welt, die hier mit einer Population von ungefähr hundert Tieren herumschwimmen und gar mit den Surfern schwammen. Ich war glücklich, einen von ihnen zu sehen. Der Marsch zurück zum Auto war voller guter Gespräche mit den Jungs. Das Gute am Reisen ist schliesslich, dass man viele Menschen meist nur einmal sieht. Da kann man die Zeit auch für eine ehrliche Unterhaltung nutzen. Sie sind alle recht engagiert, einer hat für ein Jahr eine Schule in Rumänien mit aufgebaut. Alle haben die verschiedensten Dinge in ihrem Leben getan und sind für längere Zeit gereist, was hier nicht nur normal ist, sondern erwartet und sehr unterstützt wird. Wo ist die OE, die overseas experience? Alex hat mir erzählt, dass es ihn gelehrt hat, dass es fast nur die Grenzen gibt, die man sich selbst setzt. Da kann ich ihm nur recht geben.

Ich lese, nein, fresse fast ein Buch mit dem Titel „What should I do with my life“ von Po Bronson. Der Autor hatte einen langen gewundenen Weg, bis er endlich zu seiner Leidenschaft, dem Schreiben stehen konnte. Wie andere Menschen zu dem finden, was sie wirklich mit ihrem Leben anfangen wollen, hat er in vielen Treffen und Interviews mit sehr unterschiedlichen Leuten herausgefunden. Die Geschichten faszinieren mich sehr und bringen mich zum Nachdenken darüber, was ich nun weiter tun will. Ich bin immer meinen Leidenschaften gefolgt. Habe mich durch die Schule geboxt und in die Uni geschoben, mich sportlich trainiert und meinen Kopf so gut angestrengt, wie ich nur konnte. Ich habe mit Philosophie das Fach studiert, für das ich mich wahrhaft begeistern konnte und in den Hintergrund gestellt, dass ich damit nicht Lehrer werden konnte, wie ich es eigentlich seit langem im Sinn hatte. Daher wohl eine gewisse Ratlosigkeit nach dem Studium und ein bisschen Hin und Her. Ich spüre meine Berufung darin, zu helfen und das nicht nur ehrenamtlich. Als Lehrer könnte ich ein wenig Stoff vermitteln und positive Energie verbreiten und mich um ein paar Problemfälle kümmern. Ich hätte meine intellektuelle Spielerei und jede Menge Gelegenheit, meinen Unterricht zu ändern, sollte ich was Neues brauchen. Das Festlegen fällt mir immer noch schwer, ich habe es immer genossen, viele verschiedene Dinge in Angriff zu nehmen. Ich habe die Leute oft beneidet, die immer wissen, was sie wollen und darauf hin arbeiten. Ich habe mich gefragt, wie sie so sicher sein können. Ich glaube, viele sind sich gar nicht sicher und tun einfach, was von ihnen erwartet wird. Eine Familie, ein grosses Haus, ein schickes Auto. Auf dieser Reise bin ich nun allein, weit weg von den Erwartungen anderer, oder zumindest doch von vielen und will herausfinden, wie es weitergehen soll. Ich gebe nicht auf mit meiner Suche. Ich habe keine Verantwortung für ein Kind oder andere dringende Verpflichtungen, sondern nur die, das Beste aus meinem Leben zu machen. Ich habe viel für mich getan, nun will ich meine Energien anderen widmen. Lehrer werden? Ich denke viel daran und es hat mich nie losgelassen!

Wenn ich daran denke, Neuseeland zu verlassen, werde ich ein wenig traurig. Mir ist hier soviel Gutes widerfahren und ich habe mich in die Natur verliebt. Früher kannte ich diese Weite nicht, diesen Busch, die Tiere. Meine Sehnsucht nach grösseren Städten verblasst zusehends und ich will vor allem draussen sein, die beschneiten Berge direkt vor meiner Nase, das Meer einen Spaziergang weit weg. Das vermutlich trockene Australien lockt mich momentan gar nicht. Dort müsste ich aber nicht im Auto frösteln...

Mit den vielen Telefonaten wegen Leo wird mein Budget knapp, auch wenn ich wirklich sehr, sehr sparsam bin und ich werde mir bald wieder einen Job suchen. Ich laufe in meinem Op-Shop-Klamotten herum, koche selbst und schlafe im Auto oder in Hütten, für die ich bereits mit meiner Mitgliedskarte bezahlt habe. Eine Sorge ist, dass meine momentane Untermieterin im Juli ausziehen wird und ich einen neuen Untermieter brauche, wenn ich Australien noch sehen will ohne vollständig bankrott zu gehen. Ich mag die vielen kleinen Probleme, die sich täglich stellen, von der Autoisolierung zur nächsten Übernachtung zur Frage, was sich nun zu tun und anzuschauen lohnt und worauf ich verzichte. All das hat mich sehr vom Konsum abgelenkt, ich komme gut klar mit dem Zeug, das ich habe, alles andere als das wirklich Nötige habe ich daheim oft nur aus Langeweile gekauft, wie ich gestehen muss. Ich bin eine etwas andere Person,vielleicht lässt es sich besser beschreiben als noch etwas mehr kompromisslos ich: meist ein wenig Matsch an der abgerissenen Wanderhose und immer weiter weg von Parfüm und Glamour.