Mittwoch, 29. Juli 2009

When the going gets tough...

Die Zeiten werden härter. Nach eineinhalb Wochen Betten beziehen, waschen, Geschirr spülen, Böden wischen, Klos wienern, aufdecken und abräumen mit einem schlechten Gewissen, wenn ich mir eine Pause nehme, steigen meine und Leos Laune nicht gerade. Zwar habe ich nie getrunken, war aber immer einigermassen tolerant. Hier hingegen torkeln die Leute herum, sind laut, stinken nach Alkohol und erzählen einen Riesenhaufen Mist. Jeden Tag, am Nachmittag geht’s los. Und das sind wirklich so ziemlich alle Menschen, mit denen wir zu tun haben. Manchmal reisen Nichtalkoholiker durch, aber unser Chef Don, die Kollegin Cass, die Polizisten, die Feuerwehrmänner, die Strassenarbeiter, die Leute, die hier eine wilde Zeit im Truck verbringen- sie trinken alle spätestens ab drei bis in die Nacht. Ich beginne den Alkohol zu hassen und sehe nicht, was er Gutes bringt. Natürlich hatte ich auch oft mit gemässigt trinkenden Menschen zu tun, aber die scheinen hier nicht aufzutauchen. Der Alkohol bremst die Kollegen und ihr Leben besteht darin, herumzusitzen oder zu -stehen, eine Bierflasche in der Hand und dröge zu schauen. Dazwischen kommen Kommentare, dass man keine Zeit zu nichts hat. Offenbar vor allem nicht, die Bäder zu putzen oder über das absolute Minimum an Pflege und Sorgfalt hinauszugehen. Das Gute wiederum ist, dass Don und Cass sowieso da sitzen und trinken und ich bis dato nicht mit der Bar bzw. dem Pub behelligt werde und daher mit Leo ins Zimmer gehen kann, wenn wir gegen neun mit der Küche fertig sind.

Leo hat es freilich noch schwerer, da er ohne mich schon längst das Trinken wieder angefangen hätte, wie er selbst gesteht. Und dann würde es für ihn steil bergab gehen, meint er. Er würde einen Streit und vermutlich eine Rauferei mit unserem Chef anfangen und der würde ihn feuern. Passiert alles nicht. Acht Wochen halten wir durch, das erste Wochengehalt haben wir schon in der Tasche. 4480 Dollar, ich seh die Dollarzeichen in meinen Augen. Apfelpflücken war schöner und das Umfeld angenehmer, aber weit weniger einträglich mit zirka 1500 Dollar Ersparnissen am Ende.

Ich versuche, Dinge an meinem Arbeitsplatz zu verbessern, wo es mir einfällt. Zu Beginn haben wir die Küche rundum gesäubert und ausgemistet. In die Zimmer kommt mehr Licht, ich putze die darob sehr erstaunten mit roten Drecklagen überzogenen Fenster, weg mit der hässlichen alten Dekoration und dafür schöne Wurzeln und Äste aufgestellt. Das Holz ist hier sehr hart und dicht. Die Bäume sind hier keine Mamasöhnchen, wers hier schafft, der hätte woanders leicht lachen und ähnlich sehen Leo unsere „Prüfung“ hier auch. und Einen ganz besonderen hohlen Ast fand ich gestern beim Laufen und brachte ihn Leo mit, der eine Leidenschaft für Treibholz hat. Hat ihm sehr gefallen. Ich wusch das Stück und legte es zum Trocknen vor unser Zimmer, wo es einer dieser Saufköpfe aufsammelte und verheizte. Hat mich nicht gerade gnädiger gestimmt. Leo liebt es, wenn ich ihm vorlese, so dass er mit Hume, Leviathan, aber auch Romanauschnitten versorgt wird. Normalerweise schläft er darüber bald ein. Uns bringt die Zeit hier näher zusammen. Wir sind einander die einzig gute Gesellschaft, neben Haribo Goldbears natürlich, die wir im Aldi in Sydney erstanden haben. Neben mir ist immer der Lonely Planet, der mich daran erinnert, was es hier noch an Schönem zu entdecken gibt. Die Zeit vergeht eigentlich ganz gut, sind wir doch immer mit irgendetwas beschäftigt. Mir ist klar, dass mich nur Selbstdisziplin weiterbringt. So schreibe, laufe und lese ich regelmässig und erbarmungslos meinem Missmut entgegen.

Jaja, die Känguruhs hüpfen hier quasi vor der Haustür herum. Wann immer ich joggen gehe, sehe ich einige, die mich verwundert anschauen und sich dann aus dem Wüstenstaub machen. Ein heiterer, freundlicher Anblick. Nein, die beissen und treten nicht, das sind Wildtiere, die machen sich aus dem Staub. Wie übrigens auch die Schlangen, man sollte nur nicht auf eine treten. Spinnen habe ich noch keine entdeckt. Unsere drei schwanzlosen Wildkatzen werden zahm gefüttert und sind mir neben den vier Hunden eine rechte Kuschel- und Spielfreude. Ich will mehr über das Wildlife hier lesen, mal sehen, ob ich ein gutes Buch online finde. Gar nicht so einfach, wo der Onlinebuchversand hier nach meinen Recherchen lange nicht so verbreitet ist wie in Deutschland.

Noch ein bisschen mehr zum ganzen Setup hier. Strom kommt aus der Steckdose und die ist mit einem ständig lärmenden Dieselgenerator verbunden. Es ist also fast so laut wie neben einer lauten Strasse mitten in der Wüste und das 24 Stunden am Tag. Wenn man nur zehn Minuten läuft, fällt auf, welch unglaublich Stille hier ist. Nur die vielen Vögel singen und der Wind ist manchmal so heftig, dass ich meine liebe Not habe, meine täglich fünf Waschmaschinen Laken, Handtücher und Spannbezüge auf die Leine zu kriegen. Es gibt also alles, was man sich vorstellt. Wasser aus dem Wilson River vor allem, der wohl der Grund ist, warum das Hotel hier und nirgends anders steht. Leider ist das Wasser oft braun und der Fluss ein eher stehendes Gewässer, so dass wir der Trinkwasserqualität nicht recht trauen. Die Temperaturen sind recht warm, hier ist der kälteste Monat des Jahres mit konstantem Frühsommerwetter nach deutschen Massstäben. Nachts kanns schon mal kühl werden, tagsüber werden wir so auf geschätzte 19, 20 Grad kommen. Und es gibt zwei Regenwassertanks- weiss der Himmel, wie in die Wasser gekommen ist. Es gibt ein steinernes Haupthaus und vier kleine Unterkunftsbaracken mit je zwei Bädern und Toiletten. 40 Dollar kostet die Nacht pro Person im Doppelzimmer. Recht basic, aber schon gerechtfertigt. Ein bisschen über Jugendherbergsstandard, würde ich sagen. Eine Nacht im Hostel kostet 25 Dollar, da schläft man dann aber im Sechsbettzimmer in der Zivilisation.

Hier hat mal jemand angefangen, der Ahnung vom Geschäft hatte. Die Laken sind sinnvoll beschriftet, es gibt einige gute Küchenausrüstung und die Maschinen tun ihren Dienst. Dass Don und Cass keine Ahnung vom Geschäft haben, zieht die Sache natürlich ein wenig runter, ändert aber nichts an der vorhandenen sinnvollen Grundstruktur. Ich bin vor allem erstaunt, wie hier eben nicht kalkuliert wird. Die Preise sind willkürlich und nicht berechnet, wie man das so macht. Nicht ein Drittel Einkaufskosten, ein Drittel Personalskosten und der Rest Gewinn- wir können hier verlangen, was wir wollen. Unser Menü mit Crocodile's yummy soup with crispy toast und THE long expected, miles driven for, well deserved roast meal with veggies und Kangaroo's homemade dessert of the day werden nur von mir und Leo angepriesen, dann aber auch prächtig verkauft. Auch Leos Muffins kommen gut an, wenn denn mal einer davon erfährt....

Man läuft hier nicht, man fährt im Truck oder kommt mit einer kleinen Cessna angeflogen. Vierradantrieb ist nicht nötig, aber wohl irgendwie schick. Die nächste winzige Ortschaft ist 150 km entfernt, um uns herum gibt es ein paar sogenannte Stationen mit Pferden und Kühen. Wenn einer krank wird, kommen die flying doctors, für die hier überall gesammelt wird und deren oft schräge Geschichten ich hier in einem Buch lese.

Ich sage mir oft, dass ich die Perspektive auf Geld und eine gute Weiterreise nicht aus den Augen verlieren darf und dass ich hier genug Gelegenheit habe, mich auf Fitness, schreiben und lesen zu konzentrieren. Macht mich doch alles nur hart und widerstandsfähig

Freitag, 24. Juli 2009

Lektionen im Hotelwesen weit, weit draussen




Nach dreizehn Stunden und 1100 km im Truck mit einer monströsen Gefriertruhe auf der Ladefläche und ziemlich eingeklemmt, haben wir es nach Noccundra in unser Hotel geschafft. Joe, der 21jährige Sohn des „Hotelmanagers“ Don, fuhr um halb vier in der Früh los, holte uns ab und fuhr die ganze Strecke, während ich versuchte, ihn bei Laune und wach zu halten. Nicht ganz einfach, wenn man selbst immer wieder einschläft und Leo auch nur schnarcht.

Die Nacht hatten wir bei den Eltern von Danielle in Molong, einem kleinen Ort nordöstlich von Sydney verbracht. Die Fahrt dorthin ging durch die Blue Mountains – ein Gebiet, in dem man hübsch wandern könnte, sich aber nicht verlaufen sollte wie ein junger Tourist neulich, den man bald für verloren erklärte, um ihn dann spektakulär nach einiger Zeit ohne Nahrung wiederzufinden. In Molong wurden wir wieder einmal sehr nett untergebracht und bekocht- wie immer mit Braten und ein paar Gemüsen aussenrum. Als Vegetarier tut man sich hier wie in Neuseeland sehr, sehr schwer. Danielles Eltern hatten gute Bildbände zu Australien und ich bekam einen etwas besseren Eindruck, auf was ich mich hier eingelassen haben: sicher auf richtig viel Hitze und weites, weites Land.

Auf der Fahrt sahen wir mehr tote als lebende Känguruhs, ein paar Emugruppen, die bis zu 80 km/h laufen können und viele kleine Vögel und sogar einen richtig grossen Adler. Ich hatte durch meine kleine Bibliothek einiges an Gepäck dabei und meine liebe Not, eine Extratüte auf der Ladefläche sinnvoll zu befestigen, so dass sie nicht flatterte. Joe ist ein ruhiger, aber wohl netter und sicher sehr fleissiger Kerl, der zwei Wochen Urlaub von seinem Job als Flugzeugmechaniker bei der Armee genommen hat, um bei seinem Vater auszuhelfen und ein Boot wieder in Schuss zu bringen.

Er brachte uns durch das weite Land, das man nicht zu Recht Wüste nennen kann, finde ich, dafür wachsen zu viele Bäume und zu viele Tiere sind unterwegs. Es ist aber doch sehr flach und die rote Erde ist meist sehr trocken hier. Hie und da gibt es Siedlungen, die grösste, 300 km von Noccundra entfernt, heisst Cunnamulla. Passt zu einer der Sydneygegenden Woolloomoolloo doch recht prächtig. Warum will man da leben? Ich weiss nicht recht. Jedenfalls ist man weit weit weg von so ziemlich allem. Noch viel weiter weg ist man freilich in Noccundra, wo aber doch erstaunlich viel los ist.

Hier tauchen die Farmer der umliegenden Stationen auf- wir haben auch einige Schafe und Kühe gesehen, die erstaunlich munter wirkten für das, was sie hier zu fressen und zu trinken zu haben scheinen. Und die Touristen, die mit Trucks und Wohnwagen rumfahren. Der Australier fährt wohl gern. Bleibt ihm auch nix anderes übrig, wenn er ein bisschen was sehen will in dem riesigen Land mit gerade mal 20 Mio. Einwohnern – 4 Mio. davon in Sydney. Man ist eher rustikal, gelinde gesagt. Gestern tauchte hier auch Frank auf, ein Mann mit einem Traktor und Anhänger mit einem Bindenhund aus Plastik auf dem Dach. Der Traktor gehörte seinem Vater, er hat ihn mit einem neuen Motor versehen und als er eigentlich auf Hochzeitsreise hätte sein sollen mit einem Anhänger versehen. Der Traktor fährt 35 km/h und Frank fährt durch den Staat Queensland, um Geld für Blindenhunde einzuwerben. Deren Sinn hat er eingesehen gelernt, weil sein achtjähriger Enkel blind ist. Er ist ein aufmerksamer, sehr feiner Mann, der Landwirtschaft lehrt und ein guter Zuhörer ist. Wir haben uns gesehen und es hat sozusagen sofort freundschaftlich zwischen uns gezündet. Er hat mir einen kleinen Blindenhundanhänger geschenkt und wir haben uns zum Abschied umarmt. Frank hat mich an David Lynchs Film „The Straight Story“ erinnert, wo ein sturer, aber sehr liebenswerter alter Mann mit Rasenmäher und Anhänger einen weiten Weg auf sich nimmt, um einen alten Freund zu besuchen, mit dem er sich zerstritten hatte. Eine tolle Art zu reisen eigentlich. Ein echtes Erlebnis und das noch für einen guten Zweck. Er hat auch eine Homepage www.guidedogsqld.com.au und Fernsehen, Zeitungen und Radio interviewen ihn. Hätte ich zu meinen Zeiten bei der Mittelbayerischen auch gemacht.

Don, unser Hotelmann, trinkt und raucht ganz gern, was man ihm auch ansieht. Er scheint ein netter Boss zu sein, ursprünglich Dieselmechaniker und ursprünglich verheiratet. Hat er beides eingetauscht für das Hotel hier. Es ist alles recht einfach, die Küche war etwas chaotisch und wir haben immer noch auszumisten und wegzuschmeissen. Neben Don arbeitet hier noch Cas, die nebenbei ein Fernstudium macht und Chiropraktikerin für Tiere werden will. Die Stimmung ist im Grunde ganz gut und alles läuft soweit, wenn man auch einiges verbessern kann, was Sauberkeit und Struktur anlangt. Das Gute ist, man lässt uns einfach machen. Das Schlechte daran ist, dass es hier offenbar kein Konzept gibt. Leos Kochkünste werden von den Gästen und den Bediensteten in den höchsten Tönen gepriesen und man ist allem Anschein nach dankbar, dass ich kräftig mit anpacke. Ich bin Küchenhilfe und Zimmermädchen, Bedienung und Putz- und Waschfrau. Das ist alles recht, da mir niemand dreinredet und ich Musik hören kann und mein Ding hier mache. Soweit. Die ersten beiden Tage... Geregelte Arbeitszeiten gibt es nicht und was wir verdienen, wissen wir auch noch nicht. Cas kriegt 80 Dollar täglich, was für uns auch gut wäre. Das wären gute 2000 im Monat, damit könnte man hübsch weiterfahren. Zwei Monate hier halte ich immer noch für eine gute Zeit.

Zwei Tage sind vergangen, seit ich das geschrieben habe. Mittlerweile haben wir weit mehr Einblick. Leo hat ein gutes Gespür für Menschen und ihm ist gleich aufgefallen, dass etwas nicht stimmt. Es hat sich herausgestellt, dass Don hier nicht mehr lange bleiben kann. Nicht mehr lange bedeutet wohl so um die zwei Monate. Ein Kumpel von ihm, der ein Pub in der Nähe von 500km hat, will uns gleich übernehmen. Offizieller Grund für seinen Rausschmiss hier ist, dass die Pacht auf zwei Menschen lief, ihn und seine Frau. Nun ist sie nicht mehr da und sie wollen ihn los haben. Das kann ich auch verstehen, es scheint nämlich als wäre er nicht der rechte Mann für das Geschäft. Er ist nett und scheint aufrichtig, aber er hat keine Ahnung und kein Interesse, was die Küche und was die Preise anlangt. Er fand es bestimmt toll, ein Pub zu haben, wo er gemütlich sein Ding machen, trinken und in die Weite gucken und hie und da Motoren reparieren kann. Cas hat für eine Weile hier gekocht, nachdem seine Frau und eine andere Köchin gegangen sind. Sie hat uns am ersten Abend ein Mahl aufgetischt, für das man als Gast 22 Dollar zahlen soll. Es war schauderhaft. Das Grillfleisch staubtrocken, die Karotten verkocht, der Broccoli vergammelt.

Nun werkeln Leo und ich so vor uns hin und ich habe das Gefühl, ich bin Christian Rach, der Restauranttester. Nun habe ich keine Ahnung vom Gastgewerbe und letztlich nur mein bisschen gesunden Menschenverstand. Ich habe die Menüs mit Leo zusammen aufgestellt und hübsch getippt, unterlegt mit einem Foto vom Restaurant als Wasserzeichen im Hintergrund. Ich bringe alle Zimmer und das Restaurant auf ein bisschen mehr Glanz, Leo übernahm gleich die Küche. Sieht alles schon weit einladender aus. Vor allem essen nun die Leute auch mal einen Muffin, wenn sie vormittags kommen und kriegen eine Vor- und Nachspeise zu ihrem Dinner. Vorher gab es nur aufgewärmten Fertigfrass und das berühmte Mahl, das Cas uns vorsetzte. Mehr und Vielfalt zu bringen macht mehr Spass und hält uns beschäftigt und zugleich nehmen wir Geld ein, das Don sicher brauchen kann. Es ist spannend, so ein Projekt zu haben, das wir zu zweit schmeissen können. Leo bringt mir einige Grundlagen in der Küche bei und ich sehe ihn selbstbewusster in seiner gewohnten Umgebung. Er hat gute Ideen und Struktur und ich merke, dass er sein Geschäft gelernt und durchschaut hat.

Nach dem Mittagessen nehmen wir uns frei, machen ein Nickerchen und ich lese Hume's „Treatise on Human Nature“. Herrlich- Zeit und den Kopf für einen Klassiker, der sich auch noch gut lesen lässt. Und wenn wir noch so einen Job annehmen, werde ich mich nochmal durch Kants „Kritik der reinen Vernunft“ nagen. Dazwischen den Lonely Planet, den ich in Sydney in einem Hostel geschenkt bekam und der mir eine Idee von der Geographie hier und dem was ich sehen will, gibt. Ziemlich begeistert bin ich von John Birmingham's „Leviathan“, der Geschichte Sydneys. Geschrieben wie ein Krimi sehe ich Aborigines und Kriminalität und Alkohol, arrogante und dumme Weisse und sogar Leo ist angetan von soviel Action.

A propos: Leo hat das Trinken und das Rauchen wieder vollständig aufgegeben, wir reden oft über den Alkoholismus und ich bin zuversichtlich, dass er wirklich trocken bleiben will, weil er weiss, dass er andernfalls alles verlieren wird. Mich als erstes.

In der Früh gehe ich laufen und habe meine kindische Freunde an den Känguruhs, boing, boing, und den rotbäuchigen Kakadus. Die Natur ist hier wirklich beeindruckend. Trocken und nur ein paar Gewächse, aber doch so viele Arten!

Samstag, 18. Juli 2009

Ins Outbackabenteuer

Morgen starten wir in unser Outbackabenteuer. Fuenf Stunden Zug- und Busfahrt in einen kleinen Ort bei Orange, nordwestlich von Sydney, wo wir bei den Eltern von Danielle uebernachten. Hier laeuft wirklich alles ueber Beziehungen.. Joe, der Sohn des Wirts in der Pampa kommt am Montag um viertel nach vier in der Frueh dort angebrauat, laedt uns in seinen Truck und auf gehts zwoelf Stunden gen Arbeitsplatz. Natuerlich habe ich mich nachgerade panisch mit Buechern eingedeckt, Hume werde ich mir vornehmen, eine Art Kriminalgeschichte Sydneys, Virginia Woolf und Proust. Ich baue Kartenspiele nach, wir haben das gute Reisescrabble. Sonnencreme, T-Shirts und Hartnaeckigkeit. Muesste hinhauen, oder?

Unsere Zeit in Sydney haben wir mit viel socialising zugebracht. Danielle wollte uns wieder treffen, Art bekam nicht genug von uns und vor allem nicht von Leos Kochkuensten. So wurden wir zwar zu Rod (dem rothaarigen Herrn mit Bart auf dem Gruppenfoto, daneben ist Art) umgesiedelt, aber Art lud sich doch zum Essen ein. Das bedeutet fuer ihn eine Stunde Fahrt einfach, die er aber gern in Kauf nimmt. Ich bin immer noch platt, welche Strecken man hier mal so eben mit dem Auto zuruecklegt.

Leo meinte heute, irgendwie seien Staedte dann doch immer aehnlich und recht hat er. Natur erlebe ich auch als vielfaeltiger. Wir guckten uns heute das Powerhouse Museum um, das man als bestes Museum Sydney empfohlen kriegt. Design und Technik sind die Themen des hellen, aber gut gegliederten Museums. Wir haben brav gelernt, dass ich einen Carbonfussabdruck von 4 Hektar hinterlasse. Der durchschnittliche Australier liegt bei 10, die Weltbuerger im Schnitt bei 2,5 und letztlich sollten wir auf 2 kommen. Ich glaube, uns Deutsche plagt das schlechte Gewissen schon laenger und intensiver, wenn man den hiesigen Lebensstil samt Recycling und Reiseverhalten anschaut. Seufz - ob wir das Ruder noch rumreissen? Ob ich mich noch umweltfreundlicher verhalte?

Ich war im Secondhandladen und hab mich fuer fuenf Dollar mal wieder richtig aufgeschneckselt. Natuerlich waren die Buchlaeden auch hier etwas enttaeuschen. Analytische Philosophie ist sehr, sehr duenn gesat, man hat ein paar Klassiker auf Lager, aber doch vor allem die Bestseller in rauen Mengen. Bruce Chatwins "Traumpfade" sind weitgehend unbekannt und ein bisschen Ratlosigkeit schwappte mir entgegen, als ich was uebers Outback lesen wollte. Ein paar Leute sagen von sich, sie seien Brettspieler und erzaehlen dann mit leuchtenden Augen von Mensch aergere dich nicht und Leiterchenlaufen, mit Glueck von Monopoly.

Dafuer hat man auch hier grosse Haeuser mit technischem Firlefanz wie dem Flachfernseher, der mit einem Computer verbunden ist und Filme aufnimmt und irgendwie alles kann, Ich Provinzkind kenn doch sowas nur vom Hoerensagen.

Leo jedenfalls kommt mit seinen Kochzaubereien bestens an und ich bin hier bisweilen im Hintergrund, was mir neu ist, uns aber sicher beiden nicht schaden kann. Unser Chef in der Wueste kommuniziert bis dato auch nur mit ihm und ich bin gespannt, wie sehr er den starken einsamen Wolf mimen wird und wie gut ich damit klar komme.

Wie auch immer unsere Zeit unter den Dingos in der Wueste wird: wir haben hier mit den Couchsurfern Leute, die uns gern wieder aufnehmen und sogar ein Ohr fuer Jobs fuer uns offen halten.

Mittwoch, 15. Juli 2009

Aufwärts!




Wir haben einen Job, einen Job, einen echten Job! Eigentlich sogar zwei, für jeden von uns was zu tun. Der Job befindet sich in Noccundra, eine Zweitagesreise im Jeep von hier entfernt. Wir werden in einem Hotel arbeiten und die Einwohnerzahl des Ortes mit unserer Anwesenheit um hundert Prozent erhöhen. Im Netz hiess es noch, es wohnten vier Leute dort. Masslos übertrieben. Der Job scheint in mancherlei Hinsicht ideal: wir können zusammen arbeiten, wir haben Unterkunft inklusive, wir sehen die wahre australische Wildnis, Dingos, Känguruhs und Koalas inklusive und vor allem haben wir keine Gelegenheit, Geld auszugeben. Ich sehe, wie ein Hotel funktioniert und werde Leo in der Küche helfen, Zimmer in Schuss halten und Leute bedienen, vermute ich. So weit weg von allem zu sein wird sicher eine spannende Erfahrung. Es gibt Internet und die Bibliothek, die ich mitschleppe und die ich morgen noch um ein bisschen Philosophie erweitern werde. Weiter gibt es: Einen Fluss zum Reinhüpfen, einen Tennisplatz und wohl um die 25 Menschen täglich, die mit ihren Jeeps durch den Busch jagen gehen wollen. Wir sind richtig erleichtert, dass wir Geld verdienen können. Der Besitzer Don gibt uns zwei Wochen Testzeit, wenn es uns nicht gefällt, können wir wieder mit seinem Sohn rausfahren. Er scheint schlechte Erfahrungen gemacht zu haben mit Leuten, die die Abgeschiedenheit so gar nicht mochten.Wenn es nicht ganz furchtbar ist, bin ich wild entschlossen für ein, zwei Monate durchzuhalten. Geld sparen, noch zwei, drei Monate Australien sehen und dann Lehrer werden. Dieser Plan fühlt sich gut an und scheint mir sogar vernünftig.

Den Job haben wir über Danielle, unsere erste Couchsurfgastgeberin in Sydney gefunden. Ihr Vater ist der Nachbar des Sohnes vom Noccundrahotelbesitzer. So läuft das. Networken ;). Couchsurfen kann man sich tatsächlich zum Lebensinhalt machen und von dort weiter wurschteln. Wir haben viel probiert: Jobseiten, offizielle Suchen im Netz, Posts in Gruppen, Leute im Einkaufszentrum angesprochen, Lebenslauf dagelassen, geholfen hat schliesslich, dass wir unsere brandneuen Bekannten einspannten. Eine Woche haben wir immerhin damit verbracht, uns dahingehend zu organisieren. Bin ich ungeduldig, erwarte ich zu viel?

Art, bei dem wir momentan untergebracht sind, ist weiter ganz wild auf Leos Kochkünste und deren Ergebnisse, so dass wir immer drei Gänge hatten, deren Zutaten er finanzierte. Er nimmt uns mit zur Bushaltestelle und hilft uns, wo er kann. Er scheint recht froh über unsere Gesellschaft zu sein. Vor allem ist er froh, dass wir den Hund mit rausnehmen. Rani war heute ziemlich fertig, als ich sie erst mit zum Laufen nahm und sie dann noch zum Supermarkt mit uns ging. Nein, gelaufen wir hier auch in Hundekreisen nicht viel...

Gestern war ich damit beschäftigt, unsere frisch eingetroffenen Bankkarten am anderen Ende der Stadt abzuholen, wo sie zu unserer früheren Couchsurfadresse bei Danielle gegangen waren. So ein Theater mit dieser Bank. Nicht nur wurden wir über eine Stunde in der Commonwealth Bank von einem überaus unwitzigen Japaner mit sogenannten Beispielen, die wenig mit der Lage zu tun hatten und blöden Kommentaren gepflastert (is gleat, tlavelling, yeah?! Me tlavelled, too! Let me give you example). Nebenbei hat er die Standardoperation zwei Girokonten zu eröffnen nicht auf die Reihe gekriegt und Leo hat nun kein Passwort für sein Konto, das er aber dringend braucht. Hab ihn nur kurz aus den Augen gelassen, ich vorm Japaner flüchtete und schon ging alles schief. Nein, nein, gestern wurde ich dann auch noch lange telefonisch über meine Zufriedenheit mit dem exzellenten Kundenservice befragt und sollte uns heute auf der Homepage endgültig über einen nichtexistenten Button anmelden. Art meint, er ignoriert die Homepage, mit der könne er auch nix anfangen und der Mann ist Softwareprogrammierer. Grrrr. In Traumneuseeland war das alles in fünf Minuten erledigt und das Konto hat keine vier Dollar im Monat gekostet. Kein Wunder, dass ich immer wieder wehmütig die Neuseelandbilder anschaue.

Für Sydney Zentrum haben wir uns erst einen Tag Zeit genommen. Bevor wir vermutlich am Montag gen Noccundra reisen, ändert sich das aber noch. Morgen ziehen wir zu Rod, einem Bekannten von Art, der auch Couchsurfer ist. Rod wohnt näher an der Stadt und vor allem den öffentlichen Verkehrsmitteln. Leo ist nicht besonders scharf auf die Stadt, ich hingegen sehr. Da wartet noch ein riesiger, japanischer Buchladen auf mich, der siebzig Prozent aller lieferbaren englischen Bücher vorrätig haben soll, was ich kaum glauben kann, aber unbedingt sehen will. Und wir haben die Oper im Endzustand gesehen, im Gegensatz zu ihrem Architekten Jörn Utzon, der sein Budget mit 102 Mio Dollar laut Führer lässig um das dreizehnfache überschritten hat. Gehasstes, nun geliebtes Gebäude. Ich stand mit gebotener, aber nicht überzogener Begeisterung davor. Hat schon was! Wir wanderten zum Fischmarkt, vorbei an riesigen Museen und gingen ins Museum für zeitgenössische Kunst, wo wir Photographien von Aborigines heute sahen, die ganz gemäss dem Vorurteil ihre Probleme mit den Weissen zu haben scheinen und viel trinken. Aber dem wollen wir mal lieber noch genauer nachgehen. Sydney ist gross, hell und es ist warm wie an einem bedeckten Sommertag in Bayern, was hier meist laut als „freezing cold“ kommentiert wird. Ich glaube, ich mag hier nicht im Sommer sein. Grosse westliche Städte scheinen mir doch ähnlich. London, Paris, Sydney. Museen, Opern, Autos und Einkaufsstrassen. Meist hell, luftig und glänzend, soweit es nur irgend ging. Nett mal anzusehen, schöner ist es in der Natur zu leben- stadtnah...

Ich hatte Zeit, im Café von Toshiba auf Art zu warten. Glas, grau und viele, viele Stöckelschuhe, Anzüge und Kostüme, schwarz. Schminke und das Gefühl- aaaaaargh, das kann ich nicht aushalten, weg von der künstlichen Welt, die man so oft als die wahre, die des grossen Geldes ansieht. Ich fühle mich sehr, sehr fremd dort und bin vermutlich einfach nicht für ein Büro, das Schwarz und starke Machtstrukturen geschaffen. Nichts Neues, nur immer wieder neu erlebt.

Die letzte Woche fühlten Leo und ich uns unkomfortabel. Arbeitslos. Ohne Geld wird das Reisen schwierig. Und ich verstehe, dass die Menschen ihren Wert oft darin sehen, Teil eines Arbeitsgefüges zu sein, eine Position inne zu haben, dazuzugehören. Ich stelle fest, dass es was anderes ist, das nur zu wissen oder es wirklich selbst zu fühlen. Auch das war Teil meiner vielen Erfahrungen und Abenteuer auf der Reise. Viele Dinge, viele Leben und das sehr dicht aufeinander. Unangenehm, anstrengend soll es auch sein, auf dass ich sehe, was mir wirklich wichtig ist und was ich mit meinem weiteren Leben anstellen mag. Weitgehend hab ich das nun schon herausgefunden, aber ein bisschen Australien kann mir sicher nicht schaden.

Und wir haben einen Aldi entdeckt! Joghurt ist mit einem Dollar irgendwas für hundert Gramm erschwinglich und vor allem gibt es ordentliche Gummibären und sogar etwas, das Brot ein bisschen näher kommt als der hiesige Standardtoast. Wow!

Samstag, 11. Juli 2009

Laufen, bewerben und essen

Puh, wir jagen immer noch nach Arbeit. Naja, Leo schläft eher, ist heute matt, nachdem ich gestern nicht ganz auf dem Damm war. Warum wissen wir auch nicht. Gestern hatte Art Gäste, die Leo bekocht hat. Wir verkommen hier fast ein wenig zu Wwoofern. Leo kocht, ich stehe eher im Weg rum, unterhalte die Gäste oder in Arts Fall den Hund und wir werden mit feinem Essen und einem Bett versorgt. Noch glücklicher wären wir freilich über einen Job. Ich habe mich als Schülerlotse, im Packhaus, als Fundraiser, im Schwimmbad als Kasseuse, als Buchverkäufer, als Callcentertante und als persönliche Assistentin beworben, meinen Lebenslauf an Zeitarbeitsfirmen geschickt und doch letztlich mit Leo übereingestimmt, dass wir uns einen grösseren Gefallen tun, wenn wir aufs Land gehen oder gleich nach Queensland, wo die Saisonarbeit dicht gesät ist. Jedenfalls habe ich in meinem ganzen Leben zuvor weniger Bewerbungen geschrieben als heute an einem einzigen Tag.

Wir haben es aber noch immer nicht ins Zentrum geschafft und ich bestehe auf Stadtbesichtigung, bevor wir uns woanders hin aufmachen. Muss doch die Oper und ein bisschen Kunst sehen und ein paar wirklich grosse Buchläden!

Art, unser Gastgeber, arbeitet als Softwareingenieur für Toshiba. Er ist absolut passionierter Hobbykoch und hat sogar darüber nachgedacht, seinen Job für einen in der Küche hinzuschmeissen. Finanziell sicher nicht weise, aber wo es um Passion geht, hat er mein volles Verständnis. Er wohnt neben einem grossen Nationalpark, 30 min ausserhalb der Stadt mit seiner Schäferhündin Rani. Ein sehr braver, sehr freundlicher Hund, den ich spazierenführe, wenn ich Gespräche übers Essen gar nicht mehr so ganz aufreibend finde... Er ist gepflegt und hat hier allen Luxus und bezeichnet sich selbst als eher konservativ. Dass er Couchsurfer aufnimmt, hat ihn selbst gewundert. Er ist über einen Freund mit einigen in Kontakt gekommen, die er mit seinem Jeep zum Campen gefahren hat. Das war dann so gut, dass er mittlerweile passioniert Couchsurfer aufnimmt und nur von guten Erfahrungen berichten kann. Er kümmert sich um uns, schickt uns gen Stadt, wandern und zeigt uns Links für die Jobsuche und ist sehr begierig von Leo neue Küchentipps zu lernen. Unsere gestern verfertigten Dampfnudeln waren zwar nciht ganz ideal, haben ihn und die anderen aber doch schier vom Hocker gehauen. Er hatte einen früheren Couchsurfer und dessen Gastgeber und seine japanische Freundin eingeladen. Am Dienstag hat er einen neuen Couchsurfer und wir dürfen dann zu besagtem Gast umziehen, der sich dezent bei Leo erkundigte, wo man denn das nächste Mal von seinen Herrlichkeiten kosten dürfe. Ich bin erstaunt, dass sowohl Danielle, unsere letzte Gastgeberin, als auch Art solche Unmengen für Essen ausgeben. Ja, bin ich hier denn in Frankreich? Jedenfalls sind die Australier nicht dünn und wenn Art sagt, dass ihm das Cholesterin fast zu den Ohren rausläuft, wundert mich das kein bisschen... Ganz erstaunlich ist, dass die Menschen in den grossen, reichen Häusern hier oft ein bisschen bis massiv übergewichtig sind. Wenn ich an ihnen vorbeijogge, höre ich Kommentare wie "hard work!" und auf die Nachfrage, wo ich denn abbiegen soll, kommt der Kommentar mit gerunzelten Stirnen: "that is very, very far away" und letztlich stellt sich die Distanz als in fünf lockeren Gehminuten erreichbar heraus. Die Menschen haben fast alle Hunde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die genügend Auslauf haben...

Freitag, 10. Juli 2009

Jobjagd in Sydney


Sydney – über vier Millionen Einwohner. Ein bisschen mehr als in ganz Neuseeland. Wir sind schweren Herzens abgereist. Leo hatte lange den Plan, nach Australien zu kommen und ich habe schliesslich ein Visum, das ich nutzen mag. Aber, ach, Neuseeland....
Als wir ankamen war es ein ziemlicher Aufwand, zu unserer Couch bei Danielle zu fahren. Sie sittet ein Haus mit 17 Vögeln zwanzig Kilometer ausserhalb des Zentrums, das wir bis heute nicht gesehen haben. Ein netter indischer Busfahrer hat uns nach Dienstschluss in seinem Bus zur richtigen Haltestelle gefahren, so dass wir zumindest in die richtige Richtung fahren konnten. Danielle holte uns dann von einer Tankstelle ab, da ab sieben kein Bus mehr zu ihr fuhr. Das Haus ist riesig und luxuriös, mit Pool und Giacometti- und Niki-de-Saint-Phalle-Skulpturen. Danielle ist freundlich und hilfsbereit, aber doch sehr anders als ich. Ich bin vor allem erstaunt, dass sie weder arbeitet noch ihre Studien recht ernstzunehmen scheint. Nein, das geht mich nichts an, ich bin dankbar, dass wir hier die Couch beschlafen dürfen. Ich stelle nur fest, wie unterschiedlich ihr Leben ist. Sie kann den Tag im Einkaufszentrum und im Cafe verbringen, kauft sehr gerne sehr viel ein und ist dann müde und mag DVDs anschauen. Wo sie auch hinwill, wird das Auto bemüht und das Einkaufszentrum ist in einem ganz anderen Stadtteil, was freilich viel Zeit in Anspruch nimmt. Sie hatte gestern Freunde zu Gast, die Leo bekochte und ich ein wenig beplauderte. Prompt trafen wir heute einen von ihnen im Einkaufszentrum wieder. Von wegen- das ist eine grosse Stadt.

Danielle ist leicht zu erstaunen, vor allem, wenn ich im Pool schwimmen gehen, was frisch, aber nicht unmöglich ist. Ich merke, dass ich mit ihrem gemächlichen Temperament etwas kollidiere, zumal wir sehr motiviert sind, Arbeit zu finden und dann wenig auf relaxen mit unzähligen Filmen aus sind. Leo hat ihre fünf Freunde bekocht, die zu Besuch kamen und damit einen grossartigen Dienst geleistet. Überhaupt ergänzen wir uns gerade gut. Ich kümmere mich um die Computerdinge und unterhalte manche unserer Couchgastgeber, er hat ein Ohr und einen Draht zu ganz anderen. Wir kommen erstaunlich gut miteinander klar, er lässt mir viel Freiheit, sei es, dass ich laufen gehe oder längere Zeit im Internet oder im Buchladen verbringe. Er ist ausgeglichen, hilfsbereit und freundlich und wird zusehends lockerer. Er ist sehr glücklich über die Couchsurferei, sagt sogar, er profitiert mehr davon als vom Apfelpflücken, weil er sich gezwungen sieht, mit sehr unterschiedlichen Leuten ins Gespräch zu kommen. Und dabei hatte er anfangs überhaupt keine Lust auf fremde Häuser und Menschen und vor allem Küchen.

Wir beide sind uns sehr bewusst, dass wir Geld brauchen. Zackzack haben wir gestern Konto beim nervigsten und langsamsten Japaner mit dem anstrengendsten Nichthumor des Planeten in einer kurzweiligen Stunde eröffnet, Handynummer (0421 726220 - liebe Anrufe sehr willkommen! ) erworben, Steuernummer beantragt und Jobmöglichkeiten auskundschaftet. Ich habe mich in einem Buchladen beworben- ein Traumjob wäre das freilich und ich werde mich in möglichst vielen anderen bewerben und überlege, Fahrradkurier zu werden. Leo hat sich auf Kochstellen beworben. Ihn zieht es in abgelegene Gegenden, wo die Unterkunft mit gestellt wird. Er will das aber nur machen, wenn sie mich auch nehmen. Eine gute Idee, da wir an einem solchen Ort kaum Geld ausgeben, aber gut verdienen können. Drückt uns die Daumen, dass uns was Gutes in den Schoss fällt!

Ab morgen verbringen wir die Nächte auf der Couch von Art, der uns mit dem Auto abholt- welch Luxus! Er scheint seinen deutschen Schäferhund über alles zu lieben.

Ich überlege, was ich intellektuell tun kann. Ich suche Futter. Welchen Philosophen lesen, über welche Dinge was dazulernen, wenn wir wieder arbeiten, vermutlich sehr, sehr abgelegen. Ich arbeite an meiner philosophischen Allgemeinbildung, bin ich doch schauderhaft erschreckend vergesslich, wenn es darum geht mir zu merken, welcher Philosoph welche Position in welchem Bereich vertreten hat.

Sonntag, 5. Juli 2009

Requiem und die wahre Naechstenliebe





Stimmen wir also ein in den Chor der Trauernden. Madaz ist von uns gegangen. Er war ein gutes Auto, ein treuer Begleiter, lauschig in den Naechten, wendig an den Tagen und immer fuer mich da. Im Oamaru, gerade als ich ihm 30 Dollar in den Tank gefuettert hatte, wollte er nicht mehr. Ein Boesewicht hat ihm eines Tages den Filter geklaut, er hat sich Dreck in die Motorlunge gezogen und wollte nicht mehr. Der Schrottmann gab mir vierzig Dollar, ich nahm Blossom the Powerpuff an mich, machte ein Abschiedsphoto und das war dann die Beerdigung. Tja. So ist das Leben.

Wir waren auf jeden Fall froh, dass er uns so weit gebracht hatte. In Oamaru hatte ich mich wieder um eine Couch bemueht und fand auch eine bei Rene, der 20 Autominuten ausserhalb lebte. Zurueck in die falsche Richtung bedeutete das, aber besser als im kalten Auto am Strassenrand schlafen, dachten wir. Bis wir dort anlangten... Rene wohnt zwischen Schrottautos in einer Huette mit Loechern und Karton an den Waenden. Chaos beschreibt die Lage nicht adaequat. Er zittert und steht wohl unter Drogen. Ausserdem hat er kein Geld. Er hatte lauter positive Kommentare auf seiner Couchsurfing Seite, aber trotzdem fuehlten wir uns unwohl. Das auf seinem Unterarm eintaetowierte Hakenkreuz und Photos mit passendem Gruss und dunklen Gestalten gab mir den Rest. Wir schlossen uns in unserem Zimmer ein, kuschelten uns aneinander und stellten die schweren Rucksaecke an die Tuer. Er war irgendwie aus. In der Frueh, er schlief im Wohnzimmer, bewegte er sich keinen Millimeter, wir hinterliessen eine Nachricht und machten uns zackig aus dem Staub.

Und dann machte Madaz schlapp und wir wussten nicht wie weiter. Kein Bus nach Christchurch, ein nieseliger Tag und zu spaet, um per Anhalter weiterzufahren, meinte Leo. Am naechsten Tag wuerde ein Bus fahren, zwanzig Dollar, den sollten wir nehmen. Gut, wir kauften die Tickets und ich ueberlegte, wo wir schlafen koennten. Es ist wirklich saukalt und Leos Vorschlag, im Park zu campen, schien mir nicht recht attraktiv. Zurueck zum Nazi war uns aber noch weniger genehm. Es gab da aber noch Peter, einen Couchsurfgastgeber, den ich angeschrieben hatte. Offen schwul, schien sehr nett und ich wollte ihn unbedingt kennenlernen. Meine Notloesung war, seine Nummer im Telefonbuch zu suchen und ihn anzurufen. Ich hatte ihm schon eine Mail geschrieben, auf die er nicht geantwortet hatte und Telefonnummern sind auf der Seite nicht angegeben. Ich rief ihn an, erzaehlte ihm die ganze Geschichte und er lachte nur und lud uns zu sich ein. Er ist Lehrer, betreut am Freitagnachmittag Kinder und geht mit ihnen zum Schwimmen. Wir sollten einfach zum Pool kommen und er naehme uns dann mit zu sich nach Hause. Er wohnt mit seinem Expartner Sean zusammen in einem sehr geschmackvollen Haus mit drei Katzen, einem Hund, Buechern und klassischer Musik. Sie bekochten uns, stellten uns Seans wunderbares Bett zur Verfuegung, wir hatten eine sehr anregende Unterhaltung mit zwei weiteren Freunden von ihnen, die zu Besuch kamen. Da gings ueber Buecher, sogar ueber Wagner, das Schreiben und das Lehrerdasein. Ich war nur noch gluecklich dort und auch Leo hat es sehr gefallen. Peter fuhr uns am naechsten Tag durch die Gegend, wir guckten ein Internat an, in dem er Problemkinder unterrichtet hat und plauderten angeregt.

Nur fuer Christchurch hatten wir noch kein Bett gefunden. Alle Leute, die ich anschrieb, hatten anderes zu tun. Sean rief Martin an, einen Freund, bei dem er einmal couchsurfen war. Martin hatte Zeit und Lust und holte uns vom Bus ab. Er ist auch schwul, wollte immer Pfarrer werden, hatte dann aber so seine Probleme mit dem Zoelibat und wurde stattdessen Kochlehrer und Naehlehrer an der High School. Ausserdem liebt er offenbar die Zeit um 1900 und er fuehrt ein kleines, aber sehr distinguiertes Restaurant in einem historischen Dorf hier. Als wir ankamen, bekochte er uns koestlich, redete wie ein Wasserfall, gab uns ein Zimmer mit sieben Stationen des Leidenswegs Christi und verwoehnte uns wirklich rundum. Er hat drei Katzen, Huehner, haufenweise Obst und nimmt uns mit, zeigt uns herum und bekocht uns zum Umfallen. Ich bin sehr, sehr gluecklich in der schwulen Gesellschaft, alle meine Erwartungen sind sogar weit uebertroffen und ich bin fassungslos, wieviel Offenheit und Zuneigung uns vollkommen fremde Menschen entgegenbringen. Martin nahm uns heute mit zur katholischen Messe, die ich aussergewoehnlich interaktiv und sogar humorig fand. Das bin ich nicht gewoehnt. Da ist nicht eine Person, die redet, alle sind willkommen, einen Kommentar zur Lesung abzugeben und der 75-jaehrige Pfarrer lacht sofort ueber seinen Fehler. Er hatte die Begruessung irgendwie doppelt gemacht... An Ostern hat er schon mal den Jesus vergessen und das laut herausposaunt und zeigt sich wohl auch sonst etwas unheilig, wie Martin berichtete.

Noch ein voller Tag, dann ist es aus mit Neuseeland fuer mich. Nicht weinen, dass es vorbei, sondern lachen, dass es gewesen ist....

Mittwoch, 1. Juli 2009

Couchsurfing along

Invercargill auf, wo ich herzlich von meinen Couchsurfinggastgebern willkommen geheissen wurde und auch gleich zum Klettern in der Halle eingeladen war. Fast wie heimkommen, aber nur fast. Leo hatte sich gemeldet und ich gab ihm Bescheid, dass er nachkommen könnte, auf dass wir über die Vorfälle der Vergangenheit reden können. Er kam per Anhalter und wir trafen uns am Supermarkt. Mager war er, ein bisschen grau und mitgenommen sah er aus. Die Schuldgefühle mir gegenüber hatten ihm zugesetzt und er war gekommen, um sich zu entschuldigen, dass er so ausgerastet ist. Er war bei einem Berater und ging zu Treffen der Anonymen Alkoholiker. Am Abend machten wir uns gemeinsam zu einem solchen Treffen auf und trafen seinen Berater am nächsten Tag, der sehr glücklich war, dass ich Leo nochmal traf. Er hat beschlossen und versprochen, mir gegenüber ehrlich zu sein und nicht mehr zu trinken. Das hat er auch bis heute nicht getan. Wenn er trinkt, wenn er ausrastet oder mich anlügt, ist er weg vom Fenster, ganz klar. Er findet die strikten Regeln hilfreich. So sind wir also wieder zusammen und fliegen am 7.Juli nach Australien. Eine wechselvolle Geschichte, das.

Und da wir beide unser Apfelpflückgeld ausgegeben haben- wie übrigens auch unsere anderen Pflückerbekannten- haben wir beschlossen wirklich und gnadenlos billig zu reisen. Das bedeutet natürlich nicht im Hostel oder sogar auf dem Campingplatz zu übernachten. Aber es ist saukalt, draussen. Couchsurfing hat sich als sehr ergiebig herausgestellt, wir mussten in der nassen Kälte, die der Winter so mit sich bringt, zum Glück nie im Auto schlafen. Nach Invercargill fuhren wir an der Küste entlang die Scenic Route gen Dunedin, das weiter östlich liegt. Wir machten Halt bei Jan und Brian, die wir beim Wandern auf dem Hollyford Track getroffen und die mich zu sich eingeladen hatten. Sie haben ein geräumiges Haus in Kaka Point auf einem Hügel, von wo aus sie das Meer überblicken können. Sie wohnen damit direkt im Gebiet Catlins, wo sie ziemlich beeindruckende Natur vor der Nase haben. Sie fuhren mit uns an den Strand zu Seelöwen, zu denen man direkt hinlaufen konnte und zu einem Leuchtturm, zeigten uns die Seehunde und in der Dämmerung sahen wir die seltenen Yellow Eyed Penguins vom Meer ans Land marschieren, was mich sehr gefreut hat. Sie sind ziemlich gross, hüpfen ein bisschen über die Steine und drehen sich um, auf dass die Partner auch nachkommen. Soll eine Lifetimestory sein, so eine Pinguinliebesgeschichte. Beeindruckend, wie vielseitig Jan und Brian sind. Sie war Lehrerin und malt und verkauft nun ihre Landschaftsbilder, sie bauen Gemüse an, kochen gern und machen ein. Alles fein im Team, man merkt, wie gut sie zusammenspielen. Sie arbeiten ausserdem als Freiwillige für DOC, pflanzen und pflegen Bäume und kümmern sich um die Pinguine. Er arbeitet immer noch in der Landwirtschaft und hilft bei Bauern aus. Sehr warm waren wir willkommen und sie nahmen regen Anteil an unserem Leben. Die beiden gehen auf die siebzig zu und haben doch eine sehr jugendliche Ausstrahlung. Sie haben drei Söhne, die in verschiedenen Bereichen der Welt leben und arbeiten und freuen sich über deren Abenteuerlust und Erfolge. Ich war schwer beeindruckt von soviel Lebenslust und Toleranz.

Leo hatte das Glück, beim Hitchhiken auf Jim zu treffen. Jim fuhr mit seinem Auto nach Hause nach Balclutha, das ungefähr 60 km von Invercargill am Meer liegt. Er nahm Leo mit, der ihm seine Geschichte erzählte. Jim gestand, trockener Alkoholiker zu sein und Leos Geschichte berührte ihn so sehr, dass er ihm helfen wollte und ihn bis nach Invercargill fuhr. Er wünschte Leo viel Glück mit mir und sagte ihm, dass es ihm eine Ehre und Freude war, ihn zu treffen. Leo sei jederzeit in seinem Haus willkommen. Jim ist Anfang vierzig und hat drei Kinder, Elly,13, Jayjay 4 und Zac, 3. Seine Ehe ist in die Brüche gegangen über seiner Trinkerei, seine Frau hat ihn eines Tags aus dem Haus geworfen. Erst verstand er nicht, warum, dann aber machte er sich auf, was zu ändern und ist nun seit über zwei Jahren trocken und glücklich, dass er die Kinder so oft sehen kann. Wir blieben zwei Tage bei Jim in Balclutha, der offen und freundlich über sein Leben erzählte. Er hält sich für nicht besonders schlau und für einen Aussenseiter. Dabei ist er ein herzensguter Mensch, der uns sein Schlafzimmer zur Verfügung stellte und gern auf der Couch schlief. Wir könnten bleiben, so lange wir wollten und wenn wir das Auto verkaufen, na dann könnten wir mit seinem fahren. Er hilft beim Schafescheren und arbeitet in grossen Fabriken, die Essen einfrieren. Er sagt, er weiss, was er zu verlieren hat, wenn er wieder zu trinken hat und im Grunde ist er ein glücklicher Mensch. Er hat sehr viel über sich nachgedacht, das Malen angefangen und schien mir den Kindern ein gütiger und freundlicher Vater zu sein. Ein wunderbarer Mensch, an dem die Bildung ein wenig vorbeigegangen ist. Hätte er sich mehr zugehörig gefühlt, besseren Zugang in der Schule gefunden, sein Leben hätte sicher einen ganz anderen Lauf genommen. Ein altbewährtes Freedom Golf und eine Kochsession mit den Kindern machten den netten Familienaufenthalt perfekt.

Von Balclutha fuhren wir nach Dunedin, liefen auf dem Weg durch einen alten Tunnel, der uns ein echtes Gefühl dafür gab, wie es ist, nur ein kleines Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Wir hielten bei freilaufenden Schweinen und spazierten am gewaltig wellenden Meer. In Dunedin waren wir auf Jay und John Nixons Couch willkommen. Wir kamen mit dem obligaten Couchsurfwein an (in meinem ganzen Leben habe ich noch nie soviel Wein gekauft wie in Neuseeland) und wurden von einer sprudelnden Jay in der Nobelgegend Dunedins empfangen. Sie redete viel über undankbare Couchsurfer und allerlei anderes, so dass selbst ich kaum ein Wort unterbrachte. Sie schien nicht viel Gutes zu erwarten, aber trotzdem ehrenamtlich engagiert zu sein. Es schien mir, als wollte sie eigentlich ein schlechtes Weltbild bestätigt sehen, das sie aber dann als die grosse Märtyrerin und die einzig Gute herausstellte. Hier wohnte jedenfalls Geld und sie brach ab einem gewissen Punkt ihren Monolog ab und sagte uns, dass wir nicht auf die Couch müssten, sondern in ein momentan leer stehendes Apartment ziehen dürften. Schlicht und kühl war es dort, wir assen, guckten einen Film und schliefen dort, bevor wir uns bald wieder aufmachten, ein wenig irritiert über soviel unfreundliche Freundlichkeit.

Wieder gings ins Internetcafe, wieder war unsicher, wo wir die nächste Nacht verbringen würde. In der Studentenstadt Dunedin aber gibt es mehr als hundert Couchs, so dass wir zuversichtlich waren. Leo wollte zu Miguel, einem jungen spanischen Musiker, der nur sehr wenig Englisch spricht. Seine Freundin antwortete sofort auf meine kleine unbeholfene Anfrage auf Italienisch (ich kann spanisch lesen, da kann der Spanier bestimmt auch italienisch lesen, dachte ich mir offenbar ganz zu Recht). Sie ist Australierin und lebt mit Miguel in einem Haus am Stadtrand- Wohnung hat man hier nicht so, selbst Leute, die Sozialhilfe beziehen haben Häuser, normalerweise mit mehreren Schlafzimmer. Saukalt isses da, ohne Isolierung und Doppelverglasung und Zentralheizung. Man heizt mit kleinen Elektroheizerchen und offenen Feuern, die unterschiedlich effizient sind. Dazu gibt’s meistens eine Heizdecke, die ich gerade noch als unter meiner Würde ansehe. Noch. Dort hatten wir wieder die rechte Coucherfahrung, wurden zum Bohnensüppchen zu unseren Ehren, gebraut von Miguel eingeladen, in ein nicht ganz taufrisches Zimmer auf eine Matratze verfrachtet, plauderten lange mit einem anderen Gast und guckten eine DVD. Sophia hat Soziologie studiert und macht nun eine Ausbildung zur Schreinerin und arbeitet nebenher als Eislauflehrerin. Miguel unterrichtet Musik und lernt Englisch. Es schien fast, als wollten sie uns nicht gehen lassen.

Wir mussten aber früh los, da ich mich in einer Steiner Schule eingeladen hatte. Wenn ich Lehrer werden will, denke ich, sollte ich wissen, ob ich wirklich eine staatliche Schule will, oder ob ich die alternativen Schulen nicht doch sinnvoller finde. Mein Vormittag dort hat mir sehr gefallen. Die Schule ist sehr schön auf einem Hügel beim Meer gelegen und die Kinder sind dort vom Kindergarten bis vierzehn. Eine Schülerin erzählte mir gleich ungefragt, wie gern sie in der Schule ist. Sie schienen alle sehr glücklich, lernen Maori, Schwedisch und Französisch, haben Bewegung, spielen Theater, malen und singen, rezitieren grosse Textmengen auswendig (Steinerlieder und Literatur gleichermassen) und sind auch mathematisch recht fit, soweit ich das gesehen habe. Sie arbeiten gut zusammen, kommen bunt und gar nicht in Marken gekleidet in die Schule und reden freundlich und respektvoll miteinander. Lee, einer der Lehrer, der eine lange Obstpflückkarriere hinter sich hat, bevor er das Lehramt anfing, meinte, sie seien reifer als andere Schüler. Ich fand es toll, wie ernsthaft und wirklich interessiert sie an die Dinge gingen und mir sogar einen Haka, einen Maoritanz, vorführten. Der Besuch hat mich zum Denken gebracht. Schule scheint ihnen Spass zu machen. Ob sie genauso viel lernen und das lernen, was ihnen nützt, kann ich noch nicht gut beurteilen. Ich fühlte mich jedenfalls sehr wohl in dieser Umgebung. Schule ist das Richtige für mich, da bin ich ziemlich sicher.
In Dunedin sahen wir russische Kunst und trafen im Buchladen auf einen Anwalt, der uns unbedingt auführen wollte, einfach so offenbar, weil er ein wenig einsam war. Nicht ganz sozial angepasst, wie es scheint, schick gekleidet und freundlich und im Grunde schüchtern. Wir mussten das Angebot ausschlagen, waren wir doch bei Miguel zum Essen geladen. Dunedin hat wunderbare second hand shops und ich stattete mich für 15 Dollar mit Markenklamotten aus und liess die alten Rupfen hinter mir. Und dann gibt es viele verstaubte, verbücherstapelte Gebrauchtbuchläden mit Klassikern und Philosophieschätzen und anderen Entdeckungen. Leo kommt auf den Geschmack und will gar nicht mehr aus den Buchläden und Bibliotheken, wenn wir erst mal dort sind. Wir guckten in der städtischen Galerie Frances Hodgkins und schräge russische Kunst mit vielen nackten Menschen an und vergassen ein wenig die Zeit, was leider leider zu einem 45 Dollar Parkticket führte. Seufz. Ist mir mit dem Fahrrad nie passiert.... Cadbury Schokolade produziert in Dunedin und ich machte eine Firmenführung. In grossen Säulen wird Schokoladenmasse gespeichert und von dort durch die verschiedenen Maschinen geschoben. Da ist erstaunlich viel Handarbeit dabei. Einen Gag hatten sie am Ende eingebaut- Eine Tonne Schokolade fiel im Turm nach unten und spritzte mächtig. Das Ganze nennt sich Schokoladenwasserfall.

Am Abend fuhren wir nach Seacliff weiter, wo Sascha mit seiner Freundin mit kompliziertem irischem Namen und den zwei Hunden Britney (gross und kurzhaarig) und Stevie (2 kg, sehr umtriebig) und einer Maus namens Stuart wohnt. Stuart lässt die Vorräte weitgehend in Ruhe und wird daher geduldet. Sascha hat mit uns Äpfel gepflückt und uns eingeladen, gern mal zu kommen, wenn wir in Dunedin sind. Seacliff liegt 28 km ausserhalb nördlich, Richtung Christchurch, von wo wir abfliegen werden. Die Frau mit dem nicht zu buchstabierenden Namen arbeitet als Friseuse, er nimmt verschiedene Arbeiterjobs an, vom Strassenbau zu den Äpfeln- was gerade so kommt. Die beiden scheinen sehr entspannt, rauchen gern ein wenig Selbstangebautes und lassen uns gemütlich hier wohnen. Wieder die Flasche Wein, wir kochen, sie schnitt uns die Haare, wir sehen die Gegend. Leider ist es sehr kalt und Sascha hat sich beim Surfen das Sprunggelenk verzogen, so dass mein Sport nicht das Surfen, sondern das Laufen ist. Da bin ich ziemlich unfit- was will man machen. Die letzte Woche fühlte ich mich nicht ganz auf der Höhe mit dem Verdacht, beim Trinken der Bachwässerchen Giardiasis aufgeschnappt zu haben. Das ist ein Bazillus, der die Verdauung ins Schleudern bringt, sich aber nach zwei bis vier Wochen auch ohne Behandlung aus dem Staub macht. Ich habe mich aufs gemütliche Schwimmen und Aquajoggen (Gürtel umsonst, Bahn schön eingerichtet und das alles für zwei Dollar) in warmen Pools, Spaziergänge und Warten verlegt.

Von hier gehen wir nach Oamaru, hoffentlich auf eine weitere freundlich angebotene Couch. Es ist spannend, so zu reisen, abwechslungsreich und sehr heimisch. Sophia meinte, das Couchsurfen hätte ihr das Vertrauen in die Menschheit wiedergegeben. So oft sind es die Leute, die selbst nun wirklich nicht viel Geld haben, die einen einquartieren, bekochen, abholen und von Herzen willkommen heissen.

Mir fehlt das Lesen und die geistige Herausforderung, da wir eigentlich ständig am Reden und Socialisen sind. In Sydney haben wir uns eine Couch organisiert und werden sofort nach Ankunft auf Jobjagd gehen. Uns geht das Geld aus und ausserdem will ich einfach wieder arbeiten. Eine regelmässige Betätigung, das hat schon was. Mal sehen, was so eine grosse Stadt mit zweimal soviel Einwohnern wie ganz Neuseeland zu bieten hat.

Das Reisen ist spannend, ich mache es gern, aber nicht ein Leben lang. Nicht immer in totaler Geldknappheit sein und einen Ort zu haben, zu dem man täglich zurückkommt und vor allem einen Beruf zu haben, zu dem man gerne wieder geht, das ist auf Dauer doch erfüllender. Und freilich vermisse ich mein liebes soziales Umfeld.