Donnerstag, 18. Juni 2009

Auf die Insel mit viel Bergen




In Invercagill habe ich den Tag mit Ester, meiner Couchsurfwggastgeberin und ihrem Bruder Sam beim Golfen verbracht. Von ein paar schnieken Golfcaddyfahrern (die haben mich verdammt an die deutschen Golfer erinnert- eingeschleppt?) vertrieben, haben wir creativity golf oder auch freedom golf gespielt, mit einigen überaus fordernden Parkbank, Denkmal und Spielplatzhindernissen. Mann, war das lustig! Ich suche momentan ein wenig nach Dingen, die mich aus meinem kleinen Tief herauskatapultieren. Die Leosache hängt mir ein wenig nach, teils auch, weil ich mich als zu naiv erlebt habe. Es ist ruhig geworden hier, ohne die anderen Touristen und ich bin nicht immer so voller Tatendrang und Freude wie gewohnt. Das liegt sicher auch daran, dass ich viel näher an der Natur bin, die auch nicht sommerlich blüht.

Neuseeland war wohl nicht abgelegen genug. Eigentlich wollte ich eher einen Fallschirmsprung wagen, nun bin ich ziemlich weit weg von allzu aufregenden Dingen auf Stewart Island. Die Insel ist die drittgrösste Neuseelands mit 450 Einwohnern, die sich freilich in irgendeiner Form alle kennen. Die Überfahrt vom kleinen Ort Bluff, den man vor allem wegen seiner Austern mag, dauert eine Stunde und kostet 60 Dollar. Der junge Kapitän Tim gab mir eine Einführung in die Sicherheitsregeln, die paar anderen Leute an Bord (sechs, sieben?) seien alle locals, die bräuchten das nicht. Und wenn ich es nicht allzu wild haben wolle, sei ich weiter hinten an Bord eindeutig besser bedient, es sei ein rauer Tag auf See. Ich wollte natürlich das volle Vergnügen, hielt mich ordentlich fest, beugte die Knie und hüpfte in Surferpositur über und manchmal in und unter die Wellen und plauderte mit Tim. Leider waren die Delfine, die er im Herweg gesehen hatte, schon weg und der vorbeischwimmende kleine blaue Pinguin wurde nur von ihm erspäht. Ich will wissen, wie es ist, auf so einer kleinen Insel, so ganz weit weg von allem, was so viele Menschen für erstrebenswert halten. Ausserdem wäre es natürlich zu fein, einen Kiwi in der Wildbahn zu sehen, von denen es hier mehr als Einwohner gibt. Die kleinen Vögel sehen schlechter als ich und es kann sein, dass sie buchstäblich in einen reinlaufen. Ich werde mich wieder brav in den Busch aufmachen, ob für drei oder zehn Tage, finde ich morgen im DOC Büro heraus. Kiwis gibt es übrigens mindestens dreierlei, angefangen hats wohl mit den hühnchengrossen runden Laufvögeln, dann gings auf die grünen und gelben Früchte und letztlich heissen alle Neuseeländer so.

Mein Wwoof Gastgeber hier heisst Gavin, geht auf die fünfzig zu, wirkt aber sehr jugendlich. Er ist viel gereist, um unsere Alpen mit dem Motorrad und auch in Afrika. In Südostasien war er tauchen, was er offenbar am allerliebsten macht. Hier hat er einen Vertrag als Taucher mit einer Lachsfarm und prüft deren Netze. Mit zwei Freunden hat er ein Ofenpizzarestaurant und ausgebildet wurde er als Schreiner. Das macht Spass, aber mehr für ihn selbst, meint er. So hat er ein ganzes Haus gebaut, das ziemlich verwinkelt und eigentümlich, aber wirklich schön ist. Er hat eine Sauna und eine grosse Wanne eingebaut, er schläft erhöht mit Meerblick und ich direkt unter der Küche in einem Hochbett unter dem Ofen, weil ich doch sonst frieren könnte, wie er schon sorgenvoll mit der Bettflasche in der Hand meinte. Ich sitze hier in der Küche und schaue aufs Meer und den Wellen zu. Ich bin ganz froh, dass ich das mittlerweile „kann“, vor meiner Reise hätte ich vielleicht sowas wie Langeweile empfunden oder doch den starken Drang, irgendwas zu machen. Ich bin ein klein bisschen ruhiger geworden, zumindest manchmal. Vom Fenster habe ich wie so oft ein Panaroma, das mich ein Superweitwinkelobjektiv vermissen lässt. Kalt ist es hier freilich, ganz winterlich und windig, bis zu minus zwei Grad. Die paar Inselbewohner, die ich heute getroffen habe, meinten alle ungefragt, auf der Strasse und in den kleinen Läden, dass es doch sehr, sehr kalt sei.

Gavin hat fünf Hennen und einen Hahn, ein erstaunlich warmes Tunnelgewächshaus, in dem er auch die Wäsche aufhängt und eine Wurmfarm. Ich habe den Verdacht, wir würden das einfach Kompost nennen. Es scheint ihm an nichts zu fehlen, er liest gern an den langen Winterabenden und ansonsten hat er seine Golfausrüstung, geht tauchen, baut und gräbt und guckt ein bisschen fern. Hie und da wird er wohl mit seinem Motorrad die insgesamt 27 km Strasse abfahren, dies hier gibt. Seine Wasserversorgung ist ihm vor kurzem umgekippt, das heisst, sein Regenwassertank ist umgefallen. Nun hat er ein neues System und wir werden wohl gemeinsam einen Rinne graben, um einen Schlauch dorthin zu verlegen. Aber er will mich nicht überstrapazieren, glaube ich. So war bis jetzt meine Aufgabe, den Kompost wegzubringen, die Handtücher aufzuhängen und die Hühner zu versorgen. Da gibt es aber wieder die vielen kleinen Dinge, die mich als Stadtkind so richtig blöd ausschauen lassen. Den Kompost hab ich nicht gefunden, die Hühner laufen irgendwie wild im Garten herum, aber nur ein paar und ich weiss nicht, ob ich dagegen was unternehmen soll oder das so gewollt ist. Und wieviel von welchen Körnern fressen die denn? Eine weitere peinliche Herausforderung war, das Feuer anzuzünden- trotz schöner Spreissel eine Aufgabe, die mich eine halbe Stunde beschäftigt hat. Was für eine Unfähigkeit! Feuer ist aber wichtig, da es sonst wirklich frisch ist. Viel Wärme geht ausserdem durch die nicht vorhandene Isolierung verloren und vor allem, weil Gavin seine riesigen Fenster nicht doppelverglast hat. Er meinte, es sei bedauerlich, dass ich meinen Neoprenanzug im Auto liess, hier könnte ich wunderbar schnorcheln- brrrrrrrrr...Ich härte mich momentan durch Joggen und die blossen Lufttemperaturen ab...Im Bett liege ich in meinen warmen Schlafsack gekuschelt neben einer kleinen Laterne mit einem Teelicht und lese Charles Dickens „The Old Curiosity Shop“ - wenn das mal nicht romantisch ist. A propos: Leo hat geschrieben, dass es doch sehr bedauerlich sei, dass er eine absolut wunderbare Beziehung ruiniert hat. Seufz...

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