Mittwoch, 23. September 2009

Adressänderug

Aus Gründen, die ich hier schlecht schreiben kann, ändere ich meine Blogadresse. Ich versuche allen, von denen ich weiss, dass sie den Blog lesen, die neue Adresse zu mailen. Bestimmt habe ich jemanden vergessen oder nicht alle Mailadressen. Bitte sendet mir eine Mail an "andrea punkt potzler at gmail punkt com" und ich schicke Euch die Adresse zu!

Samstag, 29. August 2009

Cattle Station Dailies





Wir sind auf der Farm angekommen. Das letzte Stück stellte sich als das Schwierigste heraus. Leo wollte einige Zeit in Roma verbringen und wollte nicht, dass ich eine Fahrt nach Injune organisiere. So stellten wir uns am Sonntag an die Strasse für vier geschlagene Stunden in die Sonne, die hier wirklich mächtig warm ist. Zur Erinnerung: es ist früher Frühling und wärmer als bei uns an heissen Sommertagen. Jedenfalls wollte niemand halten und wir gingen mit unserem Zeug beladen etwas frustriert zu unserem Campingplatz zurück. Den Herweg wurden wir von unserem netten Nachbarn Rob chauffiert, der uns zu einem Radeltrip in den Süden eingeladen hat, den Rückweg bestritt ich mit einem weiteren Einkaufswagen, Leo schleppte und brach beinahe vor dem Zelt zusammen vor lauter Hitzschlag. Hätten wir alles einfacher haben können, kam doch unsere Gastgeberin Narelle am nächsten Tag nach Roma, um ihre Tochter Teah in der Schule abzusetzen und uns abzuholen. So habe ich immerhin ein bisschen Anhaltererfahrung gesammelt, wenn auch nicht von der wonnigsten Art. Wir durften die Nacht umsonst auf dem Campingplatz schlafen, der Manager hatte Mitleid, weil wir nicht mitgenommen wurden. Das Angebot nahmen wir dankbar an und machten weitere nette Bekanntschaften mit Vannachbarn. Ein interessantes, herzliches Sozialleben auf so einem Platz. Sehr hilfsbereite Menschen, die uns zu sich einluden. Überhaupt ein rechtes Faszinosum, wie viele Einladungen zum Radeln, Fliegen, Farmleben wir hier erhalten.

Die Farm namens Taringa von Steve und Narelle ist ein bisschen abgelegen vom Dorf Injune, das sich natürlich wieder mal stolz Stadt nennt. Alles über 200 Einwohner scheint hier eine Stadt zu sein, worüber der Europäer freilich nur milde lächelt. Auf der Farm gibt es fast nur Schlachtkühe, die auf den riesigen Feldern herumlaufen und somit bestimmt ein besseres Leben haben als die deutsche Durchschnittskuh. Gar nicht so nett aber ist, was sie über sich ergehen lassen müssen. Es ist gerade mustering und branding Zeit. Das bedeutet, die jungen Kühe werden ausgesucht, geimpft, die Stiere kastriert, ein Teil des Ohrs abgeschnitten und am Hinter tätowiert. Am grausamsten scheint das Entfernen der Hörner zu sein – da spritzt das Blut wie aus einem Springbrunnen. Bedauernswert sehen die Kälber aus, wenn ihnen das Blut an Kopf und Hintern herunterläuft. Und freilich wehren sie sich, so gut es geht. Um die Kühe überhaupt zum branding zu bringen, treibt man sie mit Motorrädern zusammen. Leo hat einen Motorradführerschein, ich bin bis dato nur als Sozia mitgefahren. Das wurde aber fix geändert und so kann ich nun auf einem Dirtbike herumfahren, was ich ganz erquicklich finde. Wenn die Kühe ausbüchsen über die Felder zu preschen, ist das meine nun aber nicht. Ich bleibe brav hinter der Herde. Auch hier hat sich Leo wieder einen kleinen Sonnenstich eingefangen und hatte Kopfweh und schlief. Schlafen, fernsehen, rumliegen, das sind momentan seine Haupttätigkeiten.

Steve arbeitet auf den Ölfeldern, er fährt mit einem Bulldozer herum und planiert bevor gebohrt werden kann. Scheint sehr, sehr viel Geld einzubringen, es bedeutet aber, dass er wenig Zeit für die Familie und die Farm hat. Am Donnerstag aber nahm er sich frei, um sich um die Farm zu kümmern und flog uns mit seinem Viersitzer über die Carnarvonschlucht, den Nuga Nuga See und die Ölfelder. Leo weigerte sich erst, liess sich dann aber doch zum Rundflug überreden und wir waren mächtig beeindruckt von der Aussicht und Bögen, die er an einem Steintor vorbei und über die Schlucht flog. Das Fliegen in einem kleinen Flieger ist kaum vergleichbar mit einem grossen. Man spürt ein bisschen Gefahr und Abenteuer, fliegt näher am Erdboden und sieht aus allen Seiten. Wir waren sehr dankbar für den Ausflug.

Ein weiterer Job hier ist das Gesundhalten der Känguruhbestände, wie es John, einer der hiesigen Farmarbeiter nennt. Wenn die Känguruhs, Wallaruhs und Wallabies am Abend auftauchen, tut er es ihnen im Pickup nach und schiesst. Dann wird ein Bein für die Katze abgeschnitten und weiter geht’s. Raue Sitten... Sicher ist das Schiessen besser als Gift, aber ich bin trotzdem wenig entzückt. Leo dagegen hatte seine wahre Freude, mal wieder schiessen zu dürfen und die Känguruhs umkippen zu sehen.

Richtig Spass hatte ich dagegen beim Wasserskifahren, das wir gestern in Angriff nahmen. Zwar war ich schon auf dem Wakeboard an einem See mit einem Lift, aber nie auf den Skiern hinter einem Boot. Nach drei Fehlstarts stand ich und fuhr meine Bögen und war recht glücklich. Rund gings dann auch auf einem grossen Reifen mit Griffen, der gar nicht so leicht festzuhalten war bei ordentlichen Kurven, Wellen und Geschwindigkeit. Hier wird jedenfalls nicht gefackelt, wos um Arbeit und Spass geht, gibt’s keine Zimperlichkeiten. Der sogenannte Damm, auf dem wir unsere Runden drehten, war ein kleiner brauner See und Leo wollte gleich gar nicht hin und zog einen Spaziergang vor. Ausserdem war in Injune ein Rodeo, zu dem nur er es schaffte, wir waren zu kaputt, es war spät und alle schienen schon recht betrunken als wir vorbeikamen.

Ich kann mein Glück immer noch kaum fassen von Noccundra weg zu sein. Bei Steve und Narelle wurden wir gut genährt, misteten die Küche aus, putzten und kochten, hatten aber letztlich doch das Gefühl, so richtig im Urlaub zu sein. Das ist das australische Farmleben – weitläufig, ein bisschen einsam, nichts für zarte Mädchen. Ich wäre gerne in der Carnarvonschlucht gewandert, Leo will sich gleich in die Arbeit stürzen. Wir haben uns nach einem weiteren seasonal job umgesehen. Momentan stehen das Ausdünnen der Weinstauden und verschiedenes Gemüsepflücken zur Auswahl. Mehr Geld kann nicht schaden, auch wenn ich fast nichts ausgegeben habe seit wir in Australien sind. Ich finde grossartigen Lesestoff, den ich immer noch in überdimensionierten Mengen mit mir herumtrage, zeichne und laufe regelmässig. Wir werden immer wieder um unseren freien Lebensstil beneidet. Leicht ist es nicht immer für uns, müssen wir uns doch immer umorientieren, unser Gepäck klein halten und sind so oft auf die Liebenswürdigkeit anderer angewiesen. Ein wirklich ganz anderes Leben als das sesshafte.

Und dazwischen spannendes wildlife mit einem Frosch auf der des Naechtens aufgesuchten Klobrille, erschossenen Dingos, blauen, roten und gelben Papageis und Salamandern von der Laenge eines Unterarms.

Kleiner Lesetipp: Craig Silvey, "Jasper Jones" ist ein wirklich spannender Roman, den ich in zwei Tagen ratzfatz durchlesen musste. Crime und Jugend, australisches Kleinstadtleben, Alkohol und Familienkrisen, sehr, sehr packend!

Freitag, 21. August 2009

Zurueck ins Glueck!





Noccundra ist Vergangenheit. Und da es für uns Vergangenheit ist, könnte das auch für Don bald der Fall sein. Wenn man nicht arbeitet in seinem eigenen Pub und eine trinkende Frau hat, die den Laden schmeissen soll und auch nicht viel mehr tut, spricht sich das herum.

Es wurde ungemütlich nach einer kurzen Phase der Entspannung. Don wollte Leo überzeugen, dass wir mindestens noch sechs Wochen bleiben sollten. Das war entschieden länger als die guten zwei Wochen bis Ende August. Leo wollte weiter Geld anhäufen, was freilich mehr als verständlich und auch begrüssenswert ist. Ich dagegen fand es nur noch schrecklich dort. Ich versuchte, es als Lektion im positiven Denken zu sehen. Don war meist nicht aufzufinden und wenn, sagte er nichts, guckte grimmig oder war barsch. Cassy war vor allem guter Dinge, wenn sie eine Bierflasche in der einen und eine Zigarette in der anderen Hand hielt. Guter Dinge bedeutete aber noch lange nicht, dass sie gearbeitet hätte, vielmehr machte sie mich aufmerksam, dass ich die Handtücher doch nicht mit den Laken waschen könne, ihr Zimmer putzen könne, nachdem sie ausgezogen war und die Toiletten Aufmerksamkeit bräuchten. Sie habe keine Zeit für solche Dinge, sie verbringe die ihre mit ihrer Freundin Alicia, die zu Besuch gekommen war. Ich kämpfte für meine Pausen, die ihr nun wirklich nicht einsichtig waren (2h am Tag, bei 12 bis 13h Arbeit) und auch dafür, nicht als ihr Putzdepp behandelt zu werden, nur weil es mir nichts ausmachte, die Toiletten zu putzen. Ihr Zimmer hingegen war ich nicht bereit zu putzen. War ja nun nicht als Privatsklave eingestellt. Als Alicia von Thargomindah, dem nächsten Ort abgeholt werden sollte, kam ich mit. Vier Stunden raus aus Noccundra, da nahm ich sogar ihre Trinkerei im Auto in Kauf. Auf diesen Strassen gibt es ausser Känguruhs nicht viel, in das man fahren könnte und auch wenn man von der Strasse abkommt, ist man auf einem riesigen Kiesfeld mit meist kleinen Bäumchen, die einem Jeep nicht standhalten würden. Ich tat an diesem Tag trotzdem all meine Arbeit, stand früh auf und arbeitete bis halb neun. Don aber gab Leo einen Tag Lohn weniger fuer mich und ich ging zu ihm, um zumindest einen halben Tag zu fordern. Das hat ihn mächtig aufgeregt und er beschwerte sich und wollte mir hundert Dollar geben, die ich nicht annahm. Ich nahm nur fünfzig und meinte, ein halber Tag sei genug, ich hatte ja ein bisschen Zeit in Thargomindah. Wieder Ärger, wieder Missmut auf allen Seiten. Am nächsten Tag spülte ich in der Küche ab, er kam herein, knallte 130 Dollar auf den Tisch und meinte, wir sollten zusehen, dass wir weiterkämen. Ich wusste nicht, was los war. Leo kam in die Küche, ebenso verwundert. Wir gingen zu Don und er meinte, der Grund sei, wir würden ihn verarschen, do not f... me around, und der Ofen sei schmutzig. Leo meinte, Don sei vollständig von der Rolle und würde wohl am nächsten Tag bereuen, was vorgefallen war. Ich sagte, ich wolle nur noch weg. Zumal Don wieder mal getrunken hatte und ich fürchtete, er könnte gewalttätig werden. Zufälligerweise hatte ich mich gerade an diesem Tag sehr nett mit Lyn und Phil, zwei Campern, die zum Mittagessen da waren, unterhalten. Sie fragten mich nach dem besten Campingplatz am Fluss und ich schickte sie zu einem Platz, den ich vom Joggen lieb gewonnen hatte. Ich vermutete, sie wären dort. Leo meinte, er fürchte auch, Don könne ausrasten und schickte mich aus der Küche. Ich sagte ihm, ich ginge auf einen Spaziergang zum Fluss und ging Lyn und Phil suchen. Leo meinte noch, ich solle nichts unternehmen, vielleicht ändere Don seine Meinung. Ich fand die beiden mit ihrem netten Yorkshire Terrier Rosy und schilderte die Lage. Sie luden mich sofort ein, bei ihnen zu übernachten und wollten mich auch am nächsten Tag mit nach Thargomindah nehmen, gerne mit Leo, aber eben auch ohne wenn er bleiben wolle. Ich war heilfroh, lief zurück zum Pub, sagte zu Leo, ich möchte mit ihm zusammen bleiben und mit ihm zusammen gehen, aber gehen würde ich in jedem Fall und die beiden würden uns mitnehmen. Er willigte ein, ich ging packen und wir gingen ins Bett. Beide konnten wir nicht schlafen, Leo wohl, weil er ans Geld dachte, das er nun nicht mehr verdienen würde, ich weil ich fürchtete, Don könnte ausrasten und Rabbatz in unserem Zimmer machen. Wir hatten zugesperrt, doch die Fenster waren windig. Es passierte aber nichts. Wir machten uns am nächsten Tag auf, um die Camper um halb zehn wie verabredet zu treffen. Cassy kam des Wegs und glaubte nicht, dass wir eine Fahrt organisiert hatten. Sie hatte immer noch nicht kapiert, dass ich ihr nichts vormache oder vorlüge. Don lief an uns ohne ein Wort vorbei. Warum alles so gekommen war, ist uns bis heute noch nicht ganz klar. Phil und Lyn waren wunderbare Gesprächspartner, die uns gar in ihr Haus nach Tasmanien einluden. Er ist pensionierter Programmierer und ein wahrer Technikfreak, sie hat ihm mit Büroarbeit und Kundenkontakt geholfen. Schon als ich sie am Campingplatz besuchte, war alles gut. Ein Pelikan landete majestätisch im Fluss (ehrlich ein beeindruckender Vogel), der Dieselgenerator war weit weg und ich war mit normalen, freundlichen und hilfsbereiten Leuten zusammen. Es ist schon interessant: in Noccundra überlegte ich mir schon, ob ich wirklich zu viel verlangte, da mir an Pausen in meinem 12, 13 Stundentag ohne freiem Tag gelegen war. Mit ihnen war mir klar, dass ich nun wirklich nicht spinne. Zumindest nicht, was das anlangt. In Thargomindah gingen wir zur Touristeninformation, um herauszufinden, wie wir weiterreisen könnten. Die Rede kam auf Don. Die Frau dort lebte auf. Oh, sie habe so viele arme Teufel gesehen, die dort für Monate gearbeitet hätten, ohne je Geld zu sehen. Sie habe eigentlich von niemandem gehört, der dort jemals bezahlt wurde, recht bedacht. Er liesse die Leute ohne Pause arbeiten und sie kämen einfach nicht fort aus Noccundra. Wir würden sie wirklich beeindrucken, da wir offenbar bezahlt wurde. Er sei schrecklich unfreundlich zu den Gästen und sie höre nur Beschwerden, die ihn aber nicht kümmerten. Es sei im Interesse der Gegend, dass Don das Pub verlasse. Das gab uns freilich noch eine andere Perspektive und ich war gar ein wenig stolz, dass wir letztlich doch unsere Pausen mit ein paar Ausnahmen einhielten und vor allem bezahlt wurden. Leo war immer noch nicht ganz hergestellt vom Schock, rausgeschmissen worden zu sein und vor allem, Abschied von mehr Geld nehmen zu müssen. Wir haben nun beide 2500 Dollar in der Tasche, was wirklich ein guter Start ist und Jobs scheint es an jeder Ecke zu geben.
Von Thargomindah rief ich in Injune, 500 Kilometer nordöstlich gelegen an. Dort sind wir auf einer Cattle Station eingeladen (Kühe, die mit Motorrädern und einem Flieger zusammengehalten werden). Ein sehr nettes Paar kam eines Tages nach Noccundra geflogen und lud uns ein. Wir gingen mit Lyn und Phil einen Burger essen, am Nebentisch fanden wir Rhys und Tex, zwei Männer, die für eine Ölfirma arbeiten. Sie erwähnten irgendwas von Anhaltern, die sie mitgenommen hatten und ich fragte, wo sie hinführen. Wir hatten ein Riesenglück und sie nahmen uns bis nach Roma mit. Sie hatten in Charleville ein Motelzimmer gebucht, wir stellten das Zelt hinter ihrem Zimmer auf und durften in ihrem Zimmer duschen und sie gaben uns gar auf Firmenkosten ein Abendessen aus. Nette, freundliche Kerle, die viel arbeiten, aber offenbar auch einen Haufen Geld machen. Leider vergassen wir unseren Golfschläger in ihrem Lkw. Ich hoffe nur, sie spielen eine Runde freedom golf zu unseren Ehren! Sie setzen uns vor einem Opshop ab, wo wir uns mit neuen Klamotten und Büchern eindeckten. Ich gab für neun Teile 14 Dollar aus und bin nun in Markenklamotten mit Hercule Poirot unterwegs. Auf dem Weg zum Campingplatz kam mir ein Einkaufswagen zu Gute, den jemand hatte stehen lassen. Er dient uns momentan als Allzweckschrank und Wäscheständer.

Von hier sind es nur noch 95 km zu unserer Farm, auch wenn es hier keine öffentlichen Verkehrsmittel gibt, sind wir zuversichtlich, morgen dorthin zu kommen. Leo wollte eine Weile hier bleiben und sich erholen. Wir sahen Harry Potter, ein kleines, freundliches Städtchen und unterhalten uns rege mit unseren meist pensionierten Nachbar mit riesigen Vans, zwischen denen unser Zelt sehr mickrig aussieht. Sie sind voll ausgerüstet, mit Waschpulver und Wäscheklammern, was uns wiederum sehr zu Gute kommt. Ich kann es kaum glauben, mal wieder frei zu haben, ganz frei über meine Zeit bestimmen zu können. Und immer wieder kommt der Gedanke: kein Terror mehr, keine Saufköpfe. Wirklich fast unglaublich.

Unser Nachbar lobte Neuseelands Naturschönheit und dass er dort zu gerne wandern gegangen wäre, sein rechtes Knie es ihm aber nicht erlaubte. So radelte er eben und radelt auch durch Australien. Da hat er mich auf meine alte Idee zurückgebracht, ein gutes Stück mit dem Fahrrad zu bestreiten. Einmal um Tasmanien- das wäre ideal, landschaftlich wie Neuseeland und auch weit kühler als weiter im Norden. Leo zögert noch und denkt mehr an ein Auto als an ein Fahrrad. Ich hingegen... - na, Ihr kennt mich!

Dienstag, 11. August 2009

Drei Wochen - wir schaffen das!



Drei Wochen sind wir nun hier und heute bin ich das erste Mal etwas weiter als die üblichen 5 km bei meinen Läufen jeden zweiten Tag gekommen. Eine Freundin von Cassy, Alicia, ist aus Canberra zu Besuch gekommen und ins ca. 180 km entfernte Thargomindah eingeflogen, wo wir sie abgeholt haben. Natürlich musste dort gleich im Pub eingekehrt werden, um das Trinken um zwölf munter zu beginnen und im Auto mit Zigarettenrauch noch zu krönen. Ein Traum. So ist der Lifestyle hier, heisst es, so sind 80 Prozent der Gäste – man lebt um zu trinken. Ich hatte einige richtig schlechte Tage und dachte mir schon, dass ich so lange unglücklich am Stück noch selten war. Leo hat wieder das Rauchen angefangen und versucht, es vor mir zu verheimlichen. Ich war enttäuscht darüber, dass er erst grosse Reden schwingt, dass er so froh ist, es aufgegeben zu haben und es auch nicht braucht und dann heimlich wieder anfängt. Es schepperte, er hatte seine schlechten Tage, ich hatte die meinen und all das hat die Dinge nicht leichter gemacht. Nun haben wir uns wieder zusammengerauft und es ist bedeutend einfacher. Es wird hier täglich wärmer, die Temperaturen sind nun die eines warmen deutschen Sommertags und dabei ist es hier gerade mal später Winter, Anfang Frühling. Nur zu froh bin ich da, dass wir Ende August abreisen wollen. Wie wir hier weiterkommen, ist aber noch nicht so recht klar. Ein Motorradfahrer hat sein Fahrzeug geschrottet und hat einfach keinen gefunden, der ihn im Auto mitgenommen hätte. Wer hier rumfährt ist mächtig beladen. Und mit den kleinen Flugzeugen zu fliegen ist mächtig teuer, wenn man kein eigenes hat. Wir haben allerdings schon eine Einladung, ein nettes Paar auf einer Farm zu besuchen, die dort mit Motorrädern und Flugzeugen die Kühe zusammenhalten und uns in der Gegend herumfliegen wollen. Dorthin werden es um die 500 km sein... Auch zum Wwoofen sind wir von einem deutschen Paar eingeladen worden, das in Australien nahe der Küste lebt.

Die Arbeit ist weiter hart, zumal die Pausen hart erkämpft und freie Tage nicht existent sind. Aber ich sehe ein Ende und Geld, um mit vergnüglicherem Reisen weiterzumachen. Da meine Laufschuhe langsam zerfallen, habe ich mir gar neue bestellt, Asics Kayano, nur vom Feinsten. Die sind hier weit billiger und ich freue mich wie ein kleines Kind auf die Lieferung! Und es zeigt sich meine alte Regel: Habe ich weniger freie Zeit, nutze ich sie besser. Ich zeichne endlich wieder ein bisschen, lese so viel es nur geht und wir spielen Scrabble und Lost Cities, das ich hier nachgebaut habe. Ich laufe, ich schreibe, ich gucke in die Natur. Ich werde sicher auch gute Erinnerungen mitnehmen. Wir machen hier einen guten Job und ich muss gestehen, dass ich manchmal etwas neidisch auf Leo bin, der ständig Lob für sein feines Essen kriegt, während ich das Gefühl habe, dass niemand so recht sieht, dass ich hier dauernd am Räumen, Waschen und Putzen bin. Leo lobt mich aber und neulich gabs gar Trinkgeld, was hier sehr unüblich ist. Ich gestehe, dass mir Anerkennung sehr wichtig ist, das merke ich hier besonders, da sie meist fehlt. Wir arbeiten aber sehr gut zusammen, ich rechne und denke eher, er kocht und spült auch mal, wenn er Zeit hat. Wenn wir wollten, könnten wir so einen Laden wie diesen hier vermutlich ganz gut schmeissen. Aber wer will das schon? Vom stillen Boss Don, der hier rausgeekelt werden soll, hören und sehen wir wenig. Grund ist vermutlich, dass er das Hotel verkommen und zum grossen Saufort hat werden lassen. Hundescheisse überall, Hunde in Küche und Restaurant und auch sonst ist es mit Sauberkeit und Ordnung wirklich nicht weit her. Er trinkt meist, guckt deprimiert ins Feuer in seinem halben Fass auf der Terrasse oder sitzt in seinem Schuppen, grübelt und trinkt. Das geht sogar soweit, dass wir manchmal fürchten, er könnte sich das Leben nehmen.

Morgen kommen unsere Couchsurfingfreunde Art, Amy, hoffentlich Rod und noch jemand zu Besuch. Sie fahren 1400 km hier raus, was ziemlich beeindruckend ist. Art hat Geburtstag und wird hier hoffentlich gebührend gefeiert. Abwechslung, Konversation- ach, ich lechze danach!

Geschichten höre ich natürlich auch so immer wieder. Gestern lernte ich Steve kennen, der vermutlich schwul ist und mir daher natürlich gleich sehr sympathisch war. Er fuhr mit zwei Freunden mit dem Motorrad an und erzählte, dass am Vortag einer aus seiner Gruppe gestorben sei. Er sei vorausgefahren, nichts Spektakuläres weit und breit, sie seien nach, das Motorrad lag auf dem Armen, sah nicht mal wild aus und er war einfach tot. Nichts mehr zu machen. Er meinte zu mir, ich solle nur munter weiter reisen und kein Roboter werden. Man wisse nie, wann das Leben zu Ende gehe. Da hat er Recht und gerade deswegen will ich aber nicht nur reisen, sondern meinen Teil irgendwie tun, in der Welt. Muss man nicht gleich retten, die Welt, aber doch was machen, das es wert war. Lehrer sein ist es weiter für mich, darauf arbeite ich hin.

Sonntag, 2. August 2009

Kein Platz fuer Menschen?

Wir sind hier in keiner gesunden Umgebung. Auch wenn ich sehr entzückt bin, wenn ich Känguruhs und all die verschiedenen Vögel sehe- das ist keine Lebensumgebung. Klingt komisch, fühlt sich für mich aber so an. Es scheint mir so, als gäbe es Orte, an denen Menschen nicht leben sollten. Das Leben hier ist mühsam, es ist richtiges Bezwingen und Trotzen gegen die Umgebung. Lebensmittel fahren hierher über mindestens 150 Kilometer, Wasser kommt aus dem Fluss und wenn man irgendwas braucht, muss man weit weit fahren. Klar, oft fahren die Dinge sowieso weit, aber hier ist es doch anders. Man hat gar nicht Möglichkeit, sein eigenes Gemüse anzubauen und damit einigermassen unabhängig zu leben. Könnte man der Natur einen Willen zuschreiben, würde ich sagen, sie will nicht, dass wir hier leben.

Die andere ungesunde Umgebung ist die Trinkerumgebung. Don und Cas trinken sich allabendlich einen richtigen Rausch an. Gäste, die das nicht mögen, sind schnell weg, die anderen hängen mit ihnen in der Bar. Sie ziehen damit die Leute an, die Alkoholiker sind wie sie selbst. Und auch wenn wir hier streichen und umdekorieren und Sachen auf Vordermann zu bringen versuchen- diese Stimmung ist hier und bleibt hier. Täglich fliegen Leute mit kleinen Vier- oder Sechssitzern ein und bleiben manchmal eine Nacht. Das sind nicht nur Trinker, das sind reiche Leute, die bereit sind, für Qualität zu zahlen. Wenn sie die aber nicht vorfinden, gehen sie und erzählen ihren Freunden von der Lage.

Leo hat Mitleid mit Don. Er ist ein netter Mensch, aber wir verfolgen seinen Niedergang. Er läuft gebückt und ist oft nicht sichtbar oder sitzt vor der alten halben Tonne, die als Feuerstelle dient. Cas ist erst 23 und will Chiropraktikerin für Tiere werden. Sie sagt, sie lebt hier, weil sie den Lebensstil mag. Ich denke oft an den Satz. Der Lebensstil bedeutet zu trinken was das Zeug hält, sonst sehe ich da nichts. Sie ist sehr erstaunt, dass ich in der Umgebung laufe. Für die Natur ist sie also nicht hier...

Zusammengenommen ist das für Leo und mich nicht sehr gesund. Ich habe vielleicht mehr gelernt, mir meine eigene Welt zu schaffen und für mein Wohlbefinden zu kämpfen als er. Er fühlt sich schnell von mir angegriffen und ist gleich sehr betroffen und neigt dann dazu, zu verallgemeinern. Da geht es dann über meinen Charakter oder dass ich ihn immer schlecht behandle, was ich wiederum wenig förderlich finde. So kriegen wir uns immer mal wieder in die Haare.

Nun haben wir zwei Wochen überstanden, morgen werden wir das zweite Mal bezahlt. Auch in Ettrick hatte ich nach zwei Wochen keine rechte Lust mehr, beschloss aber, durchzuhalten und Leo zu motivieren. Ich habe zudem einige Berechnungen angestellt und bin zu dem Schluss gekommen, dass viertausend Dollar schon sehr, sehr gut für mich wären. Mit tausend Dollar im Monat sollte ich gut über die Runden kommen. Keine Hostels, sondern Camping, wwoofing und couchsurfing und vor allem keine Pubs und Restaurants. Bücher hie und da müssen aber sein. Klamotten, wenns neue sein müssen, da die alten auseinanderfallen, gibt’s zum Glück in den Secondhandläden der Salvation Army. Sparen und Spass haben ist wie immer der Ansatz. Es wird eine gute Idee sein, wieder ein Auto zu kaufen, weil wir damit nicht an die Busse gebunden sind, im Auto schlafen können, zu entlegene Wwoofinghosts und Couchsurfern fahren können und auch unser eigenes Essen transportieren. Am Ende wird das billiger sein und wir werden mehr sehen, vor allem in der Natur. Die soll saftig und grün im Norden an der Ostküste sein, wo es mich in die Nationalparks mit über 50 Prozent der Tiere Australiens zieht. Heiß und nass und gerade noch erträglich im September. Im Oktober sollten wir schon wieder ein Stück südlicher sein. Überhaupt scheint es eine gute Idee, an der Ostküste entlang zu reisen, die gut erschlossen und mit dem meisten Regen gesegnet ist und auch die Hitze soll vor allem im Süden nicht so extrem sein. Reisepläne sind jedenfalls sehr gut für die kleinen Krisen des Mädchen für alles Alltags.

Cas hat mich in die Geheimnisse der Bar eingeweiht und versucht mich zum Rundumdieuhrarbeiter umzufunktionieren. Das habe ich mir nicht bieten lassen. Ich starte um acht oder neun mit den Zimmer und Bädern und Klos, dann komme ich in die Küche, kümmere mich ums Geschirr, wische und wedle hie und da in Restaurant und Bar und lasse nebenher die Waschmaschinen für mich arbeiten. Ab zwei habe ich Pause bis um vier mit Leo. Und da stehe ich nicht in der Bar, wenn es sich nicht um einen extremen Ausnahmefall handelt. Von vier bis acht oder neun bin ich mit Leo in der Küche, spüle, decke die Tische, bediene die Gäste. Danach haben wir Feierabend. Cas meint, sie müsse immer arbeiten und dieser Ansatz mit der Pause, der würde wohl in der Stadt funktionieren, hier gebe es das nicht. Ausserdem sei sie hier für den Lebensstil und Don und nicht fürs Geld. Das hat mir gleich aufs Gewissen gedrückt, aber letztlich vertrat ich meine Rechte. Zehn, elf Stunden Arbeit am Tag, das sollte doch reichen und sie könnte einiges an freier Zeit haben, wenn sie es sich nur gut organisierte und mit uns abstimmte. Und vor allem nicht jeden Tag mit einem Kater zu kämpfen hätte und bis in die Puppen tränke.

Es ist doch immer ähnlich. Fängt man einen Job an, ist alles eitel Sonnenschein. Nach einiger Zeit kommt es zu Konflikten. Die gilt es auszufechten, zu überstehen und auf einer neuen, besser ausgehandelten Basis weiterzumachen. Ich lerne, nicht zu sehr zu generalisieren. Es ist nicht alles wunderbar, es ist aber auch nicht alles schrecklich. Phasen kommen und gehen. Es hängt so viel an mir selbst, ich muss nur lernen, so mit meinem Umfeld umzugehen, dass es mir gut dabei geht. Ganz viel ist hier Eigenmotivation. Ich überlege mir, was zu tun ist und greife die Aufgaben dann an. Sobald ich die Dinge schleifen lasse, fühle ich mich unbefriedigt und kann auch meine erkämpfte Freizeit nicht geniessen.

Miss Marple fesselt mich gerade und ein paar Überlegungen zu einem Artikel übers Couchsurfen. Leo ist zum Glück immer mal wieder spielwillig und so habe ich nicht umsonst meine Spiele von daheim nachgebaut. Mit einem Lauf jeden zweiten Tag und der Ermahnung, nicht immer die gute Butter und die herrlichen Desserts, sondern mehr die Salate zu essen, merke ich, dass ich mich zu alten Fitnessformen hochziehe. Der Plan: Bis Ende des Jahres will ich noch mein Vagabundendasein weiterführen und dann in die steile Lehrerkarriere einmünden. Was Leo will, ist niemandem so richtig klar. Es wird alles gut. Oder?

Mittwoch, 29. Juli 2009

When the going gets tough...

Die Zeiten werden härter. Nach eineinhalb Wochen Betten beziehen, waschen, Geschirr spülen, Böden wischen, Klos wienern, aufdecken und abräumen mit einem schlechten Gewissen, wenn ich mir eine Pause nehme, steigen meine und Leos Laune nicht gerade. Zwar habe ich nie getrunken, war aber immer einigermassen tolerant. Hier hingegen torkeln die Leute herum, sind laut, stinken nach Alkohol und erzählen einen Riesenhaufen Mist. Jeden Tag, am Nachmittag geht’s los. Und das sind wirklich so ziemlich alle Menschen, mit denen wir zu tun haben. Manchmal reisen Nichtalkoholiker durch, aber unser Chef Don, die Kollegin Cass, die Polizisten, die Feuerwehrmänner, die Strassenarbeiter, die Leute, die hier eine wilde Zeit im Truck verbringen- sie trinken alle spätestens ab drei bis in die Nacht. Ich beginne den Alkohol zu hassen und sehe nicht, was er Gutes bringt. Natürlich hatte ich auch oft mit gemässigt trinkenden Menschen zu tun, aber die scheinen hier nicht aufzutauchen. Der Alkohol bremst die Kollegen und ihr Leben besteht darin, herumzusitzen oder zu -stehen, eine Bierflasche in der Hand und dröge zu schauen. Dazwischen kommen Kommentare, dass man keine Zeit zu nichts hat. Offenbar vor allem nicht, die Bäder zu putzen oder über das absolute Minimum an Pflege und Sorgfalt hinauszugehen. Das Gute wiederum ist, dass Don und Cass sowieso da sitzen und trinken und ich bis dato nicht mit der Bar bzw. dem Pub behelligt werde und daher mit Leo ins Zimmer gehen kann, wenn wir gegen neun mit der Küche fertig sind.

Leo hat es freilich noch schwerer, da er ohne mich schon längst das Trinken wieder angefangen hätte, wie er selbst gesteht. Und dann würde es für ihn steil bergab gehen, meint er. Er würde einen Streit und vermutlich eine Rauferei mit unserem Chef anfangen und der würde ihn feuern. Passiert alles nicht. Acht Wochen halten wir durch, das erste Wochengehalt haben wir schon in der Tasche. 4480 Dollar, ich seh die Dollarzeichen in meinen Augen. Apfelpflücken war schöner und das Umfeld angenehmer, aber weit weniger einträglich mit zirka 1500 Dollar Ersparnissen am Ende.

Ich versuche, Dinge an meinem Arbeitsplatz zu verbessern, wo es mir einfällt. Zu Beginn haben wir die Küche rundum gesäubert und ausgemistet. In die Zimmer kommt mehr Licht, ich putze die darob sehr erstaunten mit roten Drecklagen überzogenen Fenster, weg mit der hässlichen alten Dekoration und dafür schöne Wurzeln und Äste aufgestellt. Das Holz ist hier sehr hart und dicht. Die Bäume sind hier keine Mamasöhnchen, wers hier schafft, der hätte woanders leicht lachen und ähnlich sehen Leo unsere „Prüfung“ hier auch. und Einen ganz besonderen hohlen Ast fand ich gestern beim Laufen und brachte ihn Leo mit, der eine Leidenschaft für Treibholz hat. Hat ihm sehr gefallen. Ich wusch das Stück und legte es zum Trocknen vor unser Zimmer, wo es einer dieser Saufköpfe aufsammelte und verheizte. Hat mich nicht gerade gnädiger gestimmt. Leo liebt es, wenn ich ihm vorlese, so dass er mit Hume, Leviathan, aber auch Romanauschnitten versorgt wird. Normalerweise schläft er darüber bald ein. Uns bringt die Zeit hier näher zusammen. Wir sind einander die einzig gute Gesellschaft, neben Haribo Goldbears natürlich, die wir im Aldi in Sydney erstanden haben. Neben mir ist immer der Lonely Planet, der mich daran erinnert, was es hier noch an Schönem zu entdecken gibt. Die Zeit vergeht eigentlich ganz gut, sind wir doch immer mit irgendetwas beschäftigt. Mir ist klar, dass mich nur Selbstdisziplin weiterbringt. So schreibe, laufe und lese ich regelmässig und erbarmungslos meinem Missmut entgegen.

Jaja, die Känguruhs hüpfen hier quasi vor der Haustür herum. Wann immer ich joggen gehe, sehe ich einige, die mich verwundert anschauen und sich dann aus dem Wüstenstaub machen. Ein heiterer, freundlicher Anblick. Nein, die beissen und treten nicht, das sind Wildtiere, die machen sich aus dem Staub. Wie übrigens auch die Schlangen, man sollte nur nicht auf eine treten. Spinnen habe ich noch keine entdeckt. Unsere drei schwanzlosen Wildkatzen werden zahm gefüttert und sind mir neben den vier Hunden eine rechte Kuschel- und Spielfreude. Ich will mehr über das Wildlife hier lesen, mal sehen, ob ich ein gutes Buch online finde. Gar nicht so einfach, wo der Onlinebuchversand hier nach meinen Recherchen lange nicht so verbreitet ist wie in Deutschland.

Noch ein bisschen mehr zum ganzen Setup hier. Strom kommt aus der Steckdose und die ist mit einem ständig lärmenden Dieselgenerator verbunden. Es ist also fast so laut wie neben einer lauten Strasse mitten in der Wüste und das 24 Stunden am Tag. Wenn man nur zehn Minuten läuft, fällt auf, welch unglaublich Stille hier ist. Nur die vielen Vögel singen und der Wind ist manchmal so heftig, dass ich meine liebe Not habe, meine täglich fünf Waschmaschinen Laken, Handtücher und Spannbezüge auf die Leine zu kriegen. Es gibt also alles, was man sich vorstellt. Wasser aus dem Wilson River vor allem, der wohl der Grund ist, warum das Hotel hier und nirgends anders steht. Leider ist das Wasser oft braun und der Fluss ein eher stehendes Gewässer, so dass wir der Trinkwasserqualität nicht recht trauen. Die Temperaturen sind recht warm, hier ist der kälteste Monat des Jahres mit konstantem Frühsommerwetter nach deutschen Massstäben. Nachts kanns schon mal kühl werden, tagsüber werden wir so auf geschätzte 19, 20 Grad kommen. Und es gibt zwei Regenwassertanks- weiss der Himmel, wie in die Wasser gekommen ist. Es gibt ein steinernes Haupthaus und vier kleine Unterkunftsbaracken mit je zwei Bädern und Toiletten. 40 Dollar kostet die Nacht pro Person im Doppelzimmer. Recht basic, aber schon gerechtfertigt. Ein bisschen über Jugendherbergsstandard, würde ich sagen. Eine Nacht im Hostel kostet 25 Dollar, da schläft man dann aber im Sechsbettzimmer in der Zivilisation.

Hier hat mal jemand angefangen, der Ahnung vom Geschäft hatte. Die Laken sind sinnvoll beschriftet, es gibt einige gute Küchenausrüstung und die Maschinen tun ihren Dienst. Dass Don und Cass keine Ahnung vom Geschäft haben, zieht die Sache natürlich ein wenig runter, ändert aber nichts an der vorhandenen sinnvollen Grundstruktur. Ich bin vor allem erstaunt, wie hier eben nicht kalkuliert wird. Die Preise sind willkürlich und nicht berechnet, wie man das so macht. Nicht ein Drittel Einkaufskosten, ein Drittel Personalskosten und der Rest Gewinn- wir können hier verlangen, was wir wollen. Unser Menü mit Crocodile's yummy soup with crispy toast und THE long expected, miles driven for, well deserved roast meal with veggies und Kangaroo's homemade dessert of the day werden nur von mir und Leo angepriesen, dann aber auch prächtig verkauft. Auch Leos Muffins kommen gut an, wenn denn mal einer davon erfährt....

Man läuft hier nicht, man fährt im Truck oder kommt mit einer kleinen Cessna angeflogen. Vierradantrieb ist nicht nötig, aber wohl irgendwie schick. Die nächste winzige Ortschaft ist 150 km entfernt, um uns herum gibt es ein paar sogenannte Stationen mit Pferden und Kühen. Wenn einer krank wird, kommen die flying doctors, für die hier überall gesammelt wird und deren oft schräge Geschichten ich hier in einem Buch lese.

Ich sage mir oft, dass ich die Perspektive auf Geld und eine gute Weiterreise nicht aus den Augen verlieren darf und dass ich hier genug Gelegenheit habe, mich auf Fitness, schreiben und lesen zu konzentrieren. Macht mich doch alles nur hart und widerstandsfähig

Freitag, 24. Juli 2009

Lektionen im Hotelwesen weit, weit draussen




Nach dreizehn Stunden und 1100 km im Truck mit einer monströsen Gefriertruhe auf der Ladefläche und ziemlich eingeklemmt, haben wir es nach Noccundra in unser Hotel geschafft. Joe, der 21jährige Sohn des „Hotelmanagers“ Don, fuhr um halb vier in der Früh los, holte uns ab und fuhr die ganze Strecke, während ich versuchte, ihn bei Laune und wach zu halten. Nicht ganz einfach, wenn man selbst immer wieder einschläft und Leo auch nur schnarcht.

Die Nacht hatten wir bei den Eltern von Danielle in Molong, einem kleinen Ort nordöstlich von Sydney verbracht. Die Fahrt dorthin ging durch die Blue Mountains – ein Gebiet, in dem man hübsch wandern könnte, sich aber nicht verlaufen sollte wie ein junger Tourist neulich, den man bald für verloren erklärte, um ihn dann spektakulär nach einiger Zeit ohne Nahrung wiederzufinden. In Molong wurden wir wieder einmal sehr nett untergebracht und bekocht- wie immer mit Braten und ein paar Gemüsen aussenrum. Als Vegetarier tut man sich hier wie in Neuseeland sehr, sehr schwer. Danielles Eltern hatten gute Bildbände zu Australien und ich bekam einen etwas besseren Eindruck, auf was ich mich hier eingelassen haben: sicher auf richtig viel Hitze und weites, weites Land.

Auf der Fahrt sahen wir mehr tote als lebende Känguruhs, ein paar Emugruppen, die bis zu 80 km/h laufen können und viele kleine Vögel und sogar einen richtig grossen Adler. Ich hatte durch meine kleine Bibliothek einiges an Gepäck dabei und meine liebe Not, eine Extratüte auf der Ladefläche sinnvoll zu befestigen, so dass sie nicht flatterte. Joe ist ein ruhiger, aber wohl netter und sicher sehr fleissiger Kerl, der zwei Wochen Urlaub von seinem Job als Flugzeugmechaniker bei der Armee genommen hat, um bei seinem Vater auszuhelfen und ein Boot wieder in Schuss zu bringen.

Er brachte uns durch das weite Land, das man nicht zu Recht Wüste nennen kann, finde ich, dafür wachsen zu viele Bäume und zu viele Tiere sind unterwegs. Es ist aber doch sehr flach und die rote Erde ist meist sehr trocken hier. Hie und da gibt es Siedlungen, die grösste, 300 km von Noccundra entfernt, heisst Cunnamulla. Passt zu einer der Sydneygegenden Woolloomoolloo doch recht prächtig. Warum will man da leben? Ich weiss nicht recht. Jedenfalls ist man weit weit weg von so ziemlich allem. Noch viel weiter weg ist man freilich in Noccundra, wo aber doch erstaunlich viel los ist.

Hier tauchen die Farmer der umliegenden Stationen auf- wir haben auch einige Schafe und Kühe gesehen, die erstaunlich munter wirkten für das, was sie hier zu fressen und zu trinken zu haben scheinen. Und die Touristen, die mit Trucks und Wohnwagen rumfahren. Der Australier fährt wohl gern. Bleibt ihm auch nix anderes übrig, wenn er ein bisschen was sehen will in dem riesigen Land mit gerade mal 20 Mio. Einwohnern – 4 Mio. davon in Sydney. Man ist eher rustikal, gelinde gesagt. Gestern tauchte hier auch Frank auf, ein Mann mit einem Traktor und Anhänger mit einem Bindenhund aus Plastik auf dem Dach. Der Traktor gehörte seinem Vater, er hat ihn mit einem neuen Motor versehen und als er eigentlich auf Hochzeitsreise hätte sein sollen mit einem Anhänger versehen. Der Traktor fährt 35 km/h und Frank fährt durch den Staat Queensland, um Geld für Blindenhunde einzuwerben. Deren Sinn hat er eingesehen gelernt, weil sein achtjähriger Enkel blind ist. Er ist ein aufmerksamer, sehr feiner Mann, der Landwirtschaft lehrt und ein guter Zuhörer ist. Wir haben uns gesehen und es hat sozusagen sofort freundschaftlich zwischen uns gezündet. Er hat mir einen kleinen Blindenhundanhänger geschenkt und wir haben uns zum Abschied umarmt. Frank hat mich an David Lynchs Film „The Straight Story“ erinnert, wo ein sturer, aber sehr liebenswerter alter Mann mit Rasenmäher und Anhänger einen weiten Weg auf sich nimmt, um einen alten Freund zu besuchen, mit dem er sich zerstritten hatte. Eine tolle Art zu reisen eigentlich. Ein echtes Erlebnis und das noch für einen guten Zweck. Er hat auch eine Homepage www.guidedogsqld.com.au und Fernsehen, Zeitungen und Radio interviewen ihn. Hätte ich zu meinen Zeiten bei der Mittelbayerischen auch gemacht.

Don, unser Hotelmann, trinkt und raucht ganz gern, was man ihm auch ansieht. Er scheint ein netter Boss zu sein, ursprünglich Dieselmechaniker und ursprünglich verheiratet. Hat er beides eingetauscht für das Hotel hier. Es ist alles recht einfach, die Küche war etwas chaotisch und wir haben immer noch auszumisten und wegzuschmeissen. Neben Don arbeitet hier noch Cas, die nebenbei ein Fernstudium macht und Chiropraktikerin für Tiere werden will. Die Stimmung ist im Grunde ganz gut und alles läuft soweit, wenn man auch einiges verbessern kann, was Sauberkeit und Struktur anlangt. Das Gute ist, man lässt uns einfach machen. Das Schlechte daran ist, dass es hier offenbar kein Konzept gibt. Leos Kochkünste werden von den Gästen und den Bediensteten in den höchsten Tönen gepriesen und man ist allem Anschein nach dankbar, dass ich kräftig mit anpacke. Ich bin Küchenhilfe und Zimmermädchen, Bedienung und Putz- und Waschfrau. Das ist alles recht, da mir niemand dreinredet und ich Musik hören kann und mein Ding hier mache. Soweit. Die ersten beiden Tage... Geregelte Arbeitszeiten gibt es nicht und was wir verdienen, wissen wir auch noch nicht. Cas kriegt 80 Dollar täglich, was für uns auch gut wäre. Das wären gute 2000 im Monat, damit könnte man hübsch weiterfahren. Zwei Monate hier halte ich immer noch für eine gute Zeit.

Zwei Tage sind vergangen, seit ich das geschrieben habe. Mittlerweile haben wir weit mehr Einblick. Leo hat ein gutes Gespür für Menschen und ihm ist gleich aufgefallen, dass etwas nicht stimmt. Es hat sich herausgestellt, dass Don hier nicht mehr lange bleiben kann. Nicht mehr lange bedeutet wohl so um die zwei Monate. Ein Kumpel von ihm, der ein Pub in der Nähe von 500km hat, will uns gleich übernehmen. Offizieller Grund für seinen Rausschmiss hier ist, dass die Pacht auf zwei Menschen lief, ihn und seine Frau. Nun ist sie nicht mehr da und sie wollen ihn los haben. Das kann ich auch verstehen, es scheint nämlich als wäre er nicht der rechte Mann für das Geschäft. Er ist nett und scheint aufrichtig, aber er hat keine Ahnung und kein Interesse, was die Küche und was die Preise anlangt. Er fand es bestimmt toll, ein Pub zu haben, wo er gemütlich sein Ding machen, trinken und in die Weite gucken und hie und da Motoren reparieren kann. Cas hat für eine Weile hier gekocht, nachdem seine Frau und eine andere Köchin gegangen sind. Sie hat uns am ersten Abend ein Mahl aufgetischt, für das man als Gast 22 Dollar zahlen soll. Es war schauderhaft. Das Grillfleisch staubtrocken, die Karotten verkocht, der Broccoli vergammelt.

Nun werkeln Leo und ich so vor uns hin und ich habe das Gefühl, ich bin Christian Rach, der Restauranttester. Nun habe ich keine Ahnung vom Gastgewerbe und letztlich nur mein bisschen gesunden Menschenverstand. Ich habe die Menüs mit Leo zusammen aufgestellt und hübsch getippt, unterlegt mit einem Foto vom Restaurant als Wasserzeichen im Hintergrund. Ich bringe alle Zimmer und das Restaurant auf ein bisschen mehr Glanz, Leo übernahm gleich die Küche. Sieht alles schon weit einladender aus. Vor allem essen nun die Leute auch mal einen Muffin, wenn sie vormittags kommen und kriegen eine Vor- und Nachspeise zu ihrem Dinner. Vorher gab es nur aufgewärmten Fertigfrass und das berühmte Mahl, das Cas uns vorsetzte. Mehr und Vielfalt zu bringen macht mehr Spass und hält uns beschäftigt und zugleich nehmen wir Geld ein, das Don sicher brauchen kann. Es ist spannend, so ein Projekt zu haben, das wir zu zweit schmeissen können. Leo bringt mir einige Grundlagen in der Küche bei und ich sehe ihn selbstbewusster in seiner gewohnten Umgebung. Er hat gute Ideen und Struktur und ich merke, dass er sein Geschäft gelernt und durchschaut hat.

Nach dem Mittagessen nehmen wir uns frei, machen ein Nickerchen und ich lese Hume's „Treatise on Human Nature“. Herrlich- Zeit und den Kopf für einen Klassiker, der sich auch noch gut lesen lässt. Und wenn wir noch so einen Job annehmen, werde ich mich nochmal durch Kants „Kritik der reinen Vernunft“ nagen. Dazwischen den Lonely Planet, den ich in Sydney in einem Hostel geschenkt bekam und der mir eine Idee von der Geographie hier und dem was ich sehen will, gibt. Ziemlich begeistert bin ich von John Birmingham's „Leviathan“, der Geschichte Sydneys. Geschrieben wie ein Krimi sehe ich Aborigines und Kriminalität und Alkohol, arrogante und dumme Weisse und sogar Leo ist angetan von soviel Action.

A propos: Leo hat das Trinken und das Rauchen wieder vollständig aufgegeben, wir reden oft über den Alkoholismus und ich bin zuversichtlich, dass er wirklich trocken bleiben will, weil er weiss, dass er andernfalls alles verlieren wird. Mich als erstes.

In der Früh gehe ich laufen und habe meine kindische Freunde an den Känguruhs, boing, boing, und den rotbäuchigen Kakadus. Die Natur ist hier wirklich beeindruckend. Trocken und nur ein paar Gewächse, aber doch so viele Arten!

Samstag, 18. Juli 2009

Ins Outbackabenteuer

Morgen starten wir in unser Outbackabenteuer. Fuenf Stunden Zug- und Busfahrt in einen kleinen Ort bei Orange, nordwestlich von Sydney, wo wir bei den Eltern von Danielle uebernachten. Hier laeuft wirklich alles ueber Beziehungen.. Joe, der Sohn des Wirts in der Pampa kommt am Montag um viertel nach vier in der Frueh dort angebrauat, laedt uns in seinen Truck und auf gehts zwoelf Stunden gen Arbeitsplatz. Natuerlich habe ich mich nachgerade panisch mit Buechern eingedeckt, Hume werde ich mir vornehmen, eine Art Kriminalgeschichte Sydneys, Virginia Woolf und Proust. Ich baue Kartenspiele nach, wir haben das gute Reisescrabble. Sonnencreme, T-Shirts und Hartnaeckigkeit. Muesste hinhauen, oder?

Unsere Zeit in Sydney haben wir mit viel socialising zugebracht. Danielle wollte uns wieder treffen, Art bekam nicht genug von uns und vor allem nicht von Leos Kochkuensten. So wurden wir zwar zu Rod (dem rothaarigen Herrn mit Bart auf dem Gruppenfoto, daneben ist Art) umgesiedelt, aber Art lud sich doch zum Essen ein. Das bedeutet fuer ihn eine Stunde Fahrt einfach, die er aber gern in Kauf nimmt. Ich bin immer noch platt, welche Strecken man hier mal so eben mit dem Auto zuruecklegt.

Leo meinte heute, irgendwie seien Staedte dann doch immer aehnlich und recht hat er. Natur erlebe ich auch als vielfaeltiger. Wir guckten uns heute das Powerhouse Museum um, das man als bestes Museum Sydney empfohlen kriegt. Design und Technik sind die Themen des hellen, aber gut gegliederten Museums. Wir haben brav gelernt, dass ich einen Carbonfussabdruck von 4 Hektar hinterlasse. Der durchschnittliche Australier liegt bei 10, die Weltbuerger im Schnitt bei 2,5 und letztlich sollten wir auf 2 kommen. Ich glaube, uns Deutsche plagt das schlechte Gewissen schon laenger und intensiver, wenn man den hiesigen Lebensstil samt Recycling und Reiseverhalten anschaut. Seufz - ob wir das Ruder noch rumreissen? Ob ich mich noch umweltfreundlicher verhalte?

Ich war im Secondhandladen und hab mich fuer fuenf Dollar mal wieder richtig aufgeschneckselt. Natuerlich waren die Buchlaeden auch hier etwas enttaeuschen. Analytische Philosophie ist sehr, sehr duenn gesat, man hat ein paar Klassiker auf Lager, aber doch vor allem die Bestseller in rauen Mengen. Bruce Chatwins "Traumpfade" sind weitgehend unbekannt und ein bisschen Ratlosigkeit schwappte mir entgegen, als ich was uebers Outback lesen wollte. Ein paar Leute sagen von sich, sie seien Brettspieler und erzaehlen dann mit leuchtenden Augen von Mensch aergere dich nicht und Leiterchenlaufen, mit Glueck von Monopoly.

Dafuer hat man auch hier grosse Haeuser mit technischem Firlefanz wie dem Flachfernseher, der mit einem Computer verbunden ist und Filme aufnimmt und irgendwie alles kann, Ich Provinzkind kenn doch sowas nur vom Hoerensagen.

Leo jedenfalls kommt mit seinen Kochzaubereien bestens an und ich bin hier bisweilen im Hintergrund, was mir neu ist, uns aber sicher beiden nicht schaden kann. Unser Chef in der Wueste kommuniziert bis dato auch nur mit ihm und ich bin gespannt, wie sehr er den starken einsamen Wolf mimen wird und wie gut ich damit klar komme.

Wie auch immer unsere Zeit unter den Dingos in der Wueste wird: wir haben hier mit den Couchsurfern Leute, die uns gern wieder aufnehmen und sogar ein Ohr fuer Jobs fuer uns offen halten.

Mittwoch, 15. Juli 2009

Aufwärts!




Wir haben einen Job, einen Job, einen echten Job! Eigentlich sogar zwei, für jeden von uns was zu tun. Der Job befindet sich in Noccundra, eine Zweitagesreise im Jeep von hier entfernt. Wir werden in einem Hotel arbeiten und die Einwohnerzahl des Ortes mit unserer Anwesenheit um hundert Prozent erhöhen. Im Netz hiess es noch, es wohnten vier Leute dort. Masslos übertrieben. Der Job scheint in mancherlei Hinsicht ideal: wir können zusammen arbeiten, wir haben Unterkunft inklusive, wir sehen die wahre australische Wildnis, Dingos, Känguruhs und Koalas inklusive und vor allem haben wir keine Gelegenheit, Geld auszugeben. Ich sehe, wie ein Hotel funktioniert und werde Leo in der Küche helfen, Zimmer in Schuss halten und Leute bedienen, vermute ich. So weit weg von allem zu sein wird sicher eine spannende Erfahrung. Es gibt Internet und die Bibliothek, die ich mitschleppe und die ich morgen noch um ein bisschen Philosophie erweitern werde. Weiter gibt es: Einen Fluss zum Reinhüpfen, einen Tennisplatz und wohl um die 25 Menschen täglich, die mit ihren Jeeps durch den Busch jagen gehen wollen. Wir sind richtig erleichtert, dass wir Geld verdienen können. Der Besitzer Don gibt uns zwei Wochen Testzeit, wenn es uns nicht gefällt, können wir wieder mit seinem Sohn rausfahren. Er scheint schlechte Erfahrungen gemacht zu haben mit Leuten, die die Abgeschiedenheit so gar nicht mochten.Wenn es nicht ganz furchtbar ist, bin ich wild entschlossen für ein, zwei Monate durchzuhalten. Geld sparen, noch zwei, drei Monate Australien sehen und dann Lehrer werden. Dieser Plan fühlt sich gut an und scheint mir sogar vernünftig.

Den Job haben wir über Danielle, unsere erste Couchsurfgastgeberin in Sydney gefunden. Ihr Vater ist der Nachbar des Sohnes vom Noccundrahotelbesitzer. So läuft das. Networken ;). Couchsurfen kann man sich tatsächlich zum Lebensinhalt machen und von dort weiter wurschteln. Wir haben viel probiert: Jobseiten, offizielle Suchen im Netz, Posts in Gruppen, Leute im Einkaufszentrum angesprochen, Lebenslauf dagelassen, geholfen hat schliesslich, dass wir unsere brandneuen Bekannten einspannten. Eine Woche haben wir immerhin damit verbracht, uns dahingehend zu organisieren. Bin ich ungeduldig, erwarte ich zu viel?

Art, bei dem wir momentan untergebracht sind, ist weiter ganz wild auf Leos Kochkünste und deren Ergebnisse, so dass wir immer drei Gänge hatten, deren Zutaten er finanzierte. Er nimmt uns mit zur Bushaltestelle und hilft uns, wo er kann. Er scheint recht froh über unsere Gesellschaft zu sein. Vor allem ist er froh, dass wir den Hund mit rausnehmen. Rani war heute ziemlich fertig, als ich sie erst mit zum Laufen nahm und sie dann noch zum Supermarkt mit uns ging. Nein, gelaufen wir hier auch in Hundekreisen nicht viel...

Gestern war ich damit beschäftigt, unsere frisch eingetroffenen Bankkarten am anderen Ende der Stadt abzuholen, wo sie zu unserer früheren Couchsurfadresse bei Danielle gegangen waren. So ein Theater mit dieser Bank. Nicht nur wurden wir über eine Stunde in der Commonwealth Bank von einem überaus unwitzigen Japaner mit sogenannten Beispielen, die wenig mit der Lage zu tun hatten und blöden Kommentaren gepflastert (is gleat, tlavelling, yeah?! Me tlavelled, too! Let me give you example). Nebenbei hat er die Standardoperation zwei Girokonten zu eröffnen nicht auf die Reihe gekriegt und Leo hat nun kein Passwort für sein Konto, das er aber dringend braucht. Hab ihn nur kurz aus den Augen gelassen, ich vorm Japaner flüchtete und schon ging alles schief. Nein, nein, gestern wurde ich dann auch noch lange telefonisch über meine Zufriedenheit mit dem exzellenten Kundenservice befragt und sollte uns heute auf der Homepage endgültig über einen nichtexistenten Button anmelden. Art meint, er ignoriert die Homepage, mit der könne er auch nix anfangen und der Mann ist Softwareprogrammierer. Grrrr. In Traumneuseeland war das alles in fünf Minuten erledigt und das Konto hat keine vier Dollar im Monat gekostet. Kein Wunder, dass ich immer wieder wehmütig die Neuseelandbilder anschaue.

Für Sydney Zentrum haben wir uns erst einen Tag Zeit genommen. Bevor wir vermutlich am Montag gen Noccundra reisen, ändert sich das aber noch. Morgen ziehen wir zu Rod, einem Bekannten von Art, der auch Couchsurfer ist. Rod wohnt näher an der Stadt und vor allem den öffentlichen Verkehrsmitteln. Leo ist nicht besonders scharf auf die Stadt, ich hingegen sehr. Da wartet noch ein riesiger, japanischer Buchladen auf mich, der siebzig Prozent aller lieferbaren englischen Bücher vorrätig haben soll, was ich kaum glauben kann, aber unbedingt sehen will. Und wir haben die Oper im Endzustand gesehen, im Gegensatz zu ihrem Architekten Jörn Utzon, der sein Budget mit 102 Mio Dollar laut Führer lässig um das dreizehnfache überschritten hat. Gehasstes, nun geliebtes Gebäude. Ich stand mit gebotener, aber nicht überzogener Begeisterung davor. Hat schon was! Wir wanderten zum Fischmarkt, vorbei an riesigen Museen und gingen ins Museum für zeitgenössische Kunst, wo wir Photographien von Aborigines heute sahen, die ganz gemäss dem Vorurteil ihre Probleme mit den Weissen zu haben scheinen und viel trinken. Aber dem wollen wir mal lieber noch genauer nachgehen. Sydney ist gross, hell und es ist warm wie an einem bedeckten Sommertag in Bayern, was hier meist laut als „freezing cold“ kommentiert wird. Ich glaube, ich mag hier nicht im Sommer sein. Grosse westliche Städte scheinen mir doch ähnlich. London, Paris, Sydney. Museen, Opern, Autos und Einkaufsstrassen. Meist hell, luftig und glänzend, soweit es nur irgend ging. Nett mal anzusehen, schöner ist es in der Natur zu leben- stadtnah...

Ich hatte Zeit, im Café von Toshiba auf Art zu warten. Glas, grau und viele, viele Stöckelschuhe, Anzüge und Kostüme, schwarz. Schminke und das Gefühl- aaaaaargh, das kann ich nicht aushalten, weg von der künstlichen Welt, die man so oft als die wahre, die des grossen Geldes ansieht. Ich fühle mich sehr, sehr fremd dort und bin vermutlich einfach nicht für ein Büro, das Schwarz und starke Machtstrukturen geschaffen. Nichts Neues, nur immer wieder neu erlebt.

Die letzte Woche fühlten Leo und ich uns unkomfortabel. Arbeitslos. Ohne Geld wird das Reisen schwierig. Und ich verstehe, dass die Menschen ihren Wert oft darin sehen, Teil eines Arbeitsgefüges zu sein, eine Position inne zu haben, dazuzugehören. Ich stelle fest, dass es was anderes ist, das nur zu wissen oder es wirklich selbst zu fühlen. Auch das war Teil meiner vielen Erfahrungen und Abenteuer auf der Reise. Viele Dinge, viele Leben und das sehr dicht aufeinander. Unangenehm, anstrengend soll es auch sein, auf dass ich sehe, was mir wirklich wichtig ist und was ich mit meinem weiteren Leben anstellen mag. Weitgehend hab ich das nun schon herausgefunden, aber ein bisschen Australien kann mir sicher nicht schaden.

Und wir haben einen Aldi entdeckt! Joghurt ist mit einem Dollar irgendwas für hundert Gramm erschwinglich und vor allem gibt es ordentliche Gummibären und sogar etwas, das Brot ein bisschen näher kommt als der hiesige Standardtoast. Wow!

Samstag, 11. Juli 2009

Laufen, bewerben und essen

Puh, wir jagen immer noch nach Arbeit. Naja, Leo schläft eher, ist heute matt, nachdem ich gestern nicht ganz auf dem Damm war. Warum wissen wir auch nicht. Gestern hatte Art Gäste, die Leo bekocht hat. Wir verkommen hier fast ein wenig zu Wwoofern. Leo kocht, ich stehe eher im Weg rum, unterhalte die Gäste oder in Arts Fall den Hund und wir werden mit feinem Essen und einem Bett versorgt. Noch glücklicher wären wir freilich über einen Job. Ich habe mich als Schülerlotse, im Packhaus, als Fundraiser, im Schwimmbad als Kasseuse, als Buchverkäufer, als Callcentertante und als persönliche Assistentin beworben, meinen Lebenslauf an Zeitarbeitsfirmen geschickt und doch letztlich mit Leo übereingestimmt, dass wir uns einen grösseren Gefallen tun, wenn wir aufs Land gehen oder gleich nach Queensland, wo die Saisonarbeit dicht gesät ist. Jedenfalls habe ich in meinem ganzen Leben zuvor weniger Bewerbungen geschrieben als heute an einem einzigen Tag.

Wir haben es aber noch immer nicht ins Zentrum geschafft und ich bestehe auf Stadtbesichtigung, bevor wir uns woanders hin aufmachen. Muss doch die Oper und ein bisschen Kunst sehen und ein paar wirklich grosse Buchläden!

Art, unser Gastgeber, arbeitet als Softwareingenieur für Toshiba. Er ist absolut passionierter Hobbykoch und hat sogar darüber nachgedacht, seinen Job für einen in der Küche hinzuschmeissen. Finanziell sicher nicht weise, aber wo es um Passion geht, hat er mein volles Verständnis. Er wohnt neben einem grossen Nationalpark, 30 min ausserhalb der Stadt mit seiner Schäferhündin Rani. Ein sehr braver, sehr freundlicher Hund, den ich spazierenführe, wenn ich Gespräche übers Essen gar nicht mehr so ganz aufreibend finde... Er ist gepflegt und hat hier allen Luxus und bezeichnet sich selbst als eher konservativ. Dass er Couchsurfer aufnimmt, hat ihn selbst gewundert. Er ist über einen Freund mit einigen in Kontakt gekommen, die er mit seinem Jeep zum Campen gefahren hat. Das war dann so gut, dass er mittlerweile passioniert Couchsurfer aufnimmt und nur von guten Erfahrungen berichten kann. Er kümmert sich um uns, schickt uns gen Stadt, wandern und zeigt uns Links für die Jobsuche und ist sehr begierig von Leo neue Küchentipps zu lernen. Unsere gestern verfertigten Dampfnudeln waren zwar nciht ganz ideal, haben ihn und die anderen aber doch schier vom Hocker gehauen. Er hatte einen früheren Couchsurfer und dessen Gastgeber und seine japanische Freundin eingeladen. Am Dienstag hat er einen neuen Couchsurfer und wir dürfen dann zu besagtem Gast umziehen, der sich dezent bei Leo erkundigte, wo man denn das nächste Mal von seinen Herrlichkeiten kosten dürfe. Ich bin erstaunt, dass sowohl Danielle, unsere letzte Gastgeberin, als auch Art solche Unmengen für Essen ausgeben. Ja, bin ich hier denn in Frankreich? Jedenfalls sind die Australier nicht dünn und wenn Art sagt, dass ihm das Cholesterin fast zu den Ohren rausläuft, wundert mich das kein bisschen... Ganz erstaunlich ist, dass die Menschen in den grossen, reichen Häusern hier oft ein bisschen bis massiv übergewichtig sind. Wenn ich an ihnen vorbeijogge, höre ich Kommentare wie "hard work!" und auf die Nachfrage, wo ich denn abbiegen soll, kommt der Kommentar mit gerunzelten Stirnen: "that is very, very far away" und letztlich stellt sich die Distanz als in fünf lockeren Gehminuten erreichbar heraus. Die Menschen haben fast alle Hunde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die genügend Auslauf haben...

Freitag, 10. Juli 2009

Jobjagd in Sydney


Sydney – über vier Millionen Einwohner. Ein bisschen mehr als in ganz Neuseeland. Wir sind schweren Herzens abgereist. Leo hatte lange den Plan, nach Australien zu kommen und ich habe schliesslich ein Visum, das ich nutzen mag. Aber, ach, Neuseeland....
Als wir ankamen war es ein ziemlicher Aufwand, zu unserer Couch bei Danielle zu fahren. Sie sittet ein Haus mit 17 Vögeln zwanzig Kilometer ausserhalb des Zentrums, das wir bis heute nicht gesehen haben. Ein netter indischer Busfahrer hat uns nach Dienstschluss in seinem Bus zur richtigen Haltestelle gefahren, so dass wir zumindest in die richtige Richtung fahren konnten. Danielle holte uns dann von einer Tankstelle ab, da ab sieben kein Bus mehr zu ihr fuhr. Das Haus ist riesig und luxuriös, mit Pool und Giacometti- und Niki-de-Saint-Phalle-Skulpturen. Danielle ist freundlich und hilfsbereit, aber doch sehr anders als ich. Ich bin vor allem erstaunt, dass sie weder arbeitet noch ihre Studien recht ernstzunehmen scheint. Nein, das geht mich nichts an, ich bin dankbar, dass wir hier die Couch beschlafen dürfen. Ich stelle nur fest, wie unterschiedlich ihr Leben ist. Sie kann den Tag im Einkaufszentrum und im Cafe verbringen, kauft sehr gerne sehr viel ein und ist dann müde und mag DVDs anschauen. Wo sie auch hinwill, wird das Auto bemüht und das Einkaufszentrum ist in einem ganz anderen Stadtteil, was freilich viel Zeit in Anspruch nimmt. Sie hatte gestern Freunde zu Gast, die Leo bekochte und ich ein wenig beplauderte. Prompt trafen wir heute einen von ihnen im Einkaufszentrum wieder. Von wegen- das ist eine grosse Stadt.

Danielle ist leicht zu erstaunen, vor allem, wenn ich im Pool schwimmen gehen, was frisch, aber nicht unmöglich ist. Ich merke, dass ich mit ihrem gemächlichen Temperament etwas kollidiere, zumal wir sehr motiviert sind, Arbeit zu finden und dann wenig auf relaxen mit unzähligen Filmen aus sind. Leo hat ihre fünf Freunde bekocht, die zu Besuch kamen und damit einen grossartigen Dienst geleistet. Überhaupt ergänzen wir uns gerade gut. Ich kümmere mich um die Computerdinge und unterhalte manche unserer Couchgastgeber, er hat ein Ohr und einen Draht zu ganz anderen. Wir kommen erstaunlich gut miteinander klar, er lässt mir viel Freiheit, sei es, dass ich laufen gehe oder längere Zeit im Internet oder im Buchladen verbringe. Er ist ausgeglichen, hilfsbereit und freundlich und wird zusehends lockerer. Er ist sehr glücklich über die Couchsurferei, sagt sogar, er profitiert mehr davon als vom Apfelpflücken, weil er sich gezwungen sieht, mit sehr unterschiedlichen Leuten ins Gespräch zu kommen. Und dabei hatte er anfangs überhaupt keine Lust auf fremde Häuser und Menschen und vor allem Küchen.

Wir beide sind uns sehr bewusst, dass wir Geld brauchen. Zackzack haben wir gestern Konto beim nervigsten und langsamsten Japaner mit dem anstrengendsten Nichthumor des Planeten in einer kurzweiligen Stunde eröffnet, Handynummer (0421 726220 - liebe Anrufe sehr willkommen! ) erworben, Steuernummer beantragt und Jobmöglichkeiten auskundschaftet. Ich habe mich in einem Buchladen beworben- ein Traumjob wäre das freilich und ich werde mich in möglichst vielen anderen bewerben und überlege, Fahrradkurier zu werden. Leo hat sich auf Kochstellen beworben. Ihn zieht es in abgelegene Gegenden, wo die Unterkunft mit gestellt wird. Er will das aber nur machen, wenn sie mich auch nehmen. Eine gute Idee, da wir an einem solchen Ort kaum Geld ausgeben, aber gut verdienen können. Drückt uns die Daumen, dass uns was Gutes in den Schoss fällt!

Ab morgen verbringen wir die Nächte auf der Couch von Art, der uns mit dem Auto abholt- welch Luxus! Er scheint seinen deutschen Schäferhund über alles zu lieben.

Ich überlege, was ich intellektuell tun kann. Ich suche Futter. Welchen Philosophen lesen, über welche Dinge was dazulernen, wenn wir wieder arbeiten, vermutlich sehr, sehr abgelegen. Ich arbeite an meiner philosophischen Allgemeinbildung, bin ich doch schauderhaft erschreckend vergesslich, wenn es darum geht mir zu merken, welcher Philosoph welche Position in welchem Bereich vertreten hat.

Sonntag, 5. Juli 2009

Requiem und die wahre Naechstenliebe





Stimmen wir also ein in den Chor der Trauernden. Madaz ist von uns gegangen. Er war ein gutes Auto, ein treuer Begleiter, lauschig in den Naechten, wendig an den Tagen und immer fuer mich da. Im Oamaru, gerade als ich ihm 30 Dollar in den Tank gefuettert hatte, wollte er nicht mehr. Ein Boesewicht hat ihm eines Tages den Filter geklaut, er hat sich Dreck in die Motorlunge gezogen und wollte nicht mehr. Der Schrottmann gab mir vierzig Dollar, ich nahm Blossom the Powerpuff an mich, machte ein Abschiedsphoto und das war dann die Beerdigung. Tja. So ist das Leben.

Wir waren auf jeden Fall froh, dass er uns so weit gebracht hatte. In Oamaru hatte ich mich wieder um eine Couch bemueht und fand auch eine bei Rene, der 20 Autominuten ausserhalb lebte. Zurueck in die falsche Richtung bedeutete das, aber besser als im kalten Auto am Strassenrand schlafen, dachten wir. Bis wir dort anlangten... Rene wohnt zwischen Schrottautos in einer Huette mit Loechern und Karton an den Waenden. Chaos beschreibt die Lage nicht adaequat. Er zittert und steht wohl unter Drogen. Ausserdem hat er kein Geld. Er hatte lauter positive Kommentare auf seiner Couchsurfing Seite, aber trotzdem fuehlten wir uns unwohl. Das auf seinem Unterarm eintaetowierte Hakenkreuz und Photos mit passendem Gruss und dunklen Gestalten gab mir den Rest. Wir schlossen uns in unserem Zimmer ein, kuschelten uns aneinander und stellten die schweren Rucksaecke an die Tuer. Er war irgendwie aus. In der Frueh, er schlief im Wohnzimmer, bewegte er sich keinen Millimeter, wir hinterliessen eine Nachricht und machten uns zackig aus dem Staub.

Und dann machte Madaz schlapp und wir wussten nicht wie weiter. Kein Bus nach Christchurch, ein nieseliger Tag und zu spaet, um per Anhalter weiterzufahren, meinte Leo. Am naechsten Tag wuerde ein Bus fahren, zwanzig Dollar, den sollten wir nehmen. Gut, wir kauften die Tickets und ich ueberlegte, wo wir schlafen koennten. Es ist wirklich saukalt und Leos Vorschlag, im Park zu campen, schien mir nicht recht attraktiv. Zurueck zum Nazi war uns aber noch weniger genehm. Es gab da aber noch Peter, einen Couchsurfgastgeber, den ich angeschrieben hatte. Offen schwul, schien sehr nett und ich wollte ihn unbedingt kennenlernen. Meine Notloesung war, seine Nummer im Telefonbuch zu suchen und ihn anzurufen. Ich hatte ihm schon eine Mail geschrieben, auf die er nicht geantwortet hatte und Telefonnummern sind auf der Seite nicht angegeben. Ich rief ihn an, erzaehlte ihm die ganze Geschichte und er lachte nur und lud uns zu sich ein. Er ist Lehrer, betreut am Freitagnachmittag Kinder und geht mit ihnen zum Schwimmen. Wir sollten einfach zum Pool kommen und er naehme uns dann mit zu sich nach Hause. Er wohnt mit seinem Expartner Sean zusammen in einem sehr geschmackvollen Haus mit drei Katzen, einem Hund, Buechern und klassischer Musik. Sie bekochten uns, stellten uns Seans wunderbares Bett zur Verfuegung, wir hatten eine sehr anregende Unterhaltung mit zwei weiteren Freunden von ihnen, die zu Besuch kamen. Da gings ueber Buecher, sogar ueber Wagner, das Schreiben und das Lehrerdasein. Ich war nur noch gluecklich dort und auch Leo hat es sehr gefallen. Peter fuhr uns am naechsten Tag durch die Gegend, wir guckten ein Internat an, in dem er Problemkinder unterrichtet hat und plauderten angeregt.

Nur fuer Christchurch hatten wir noch kein Bett gefunden. Alle Leute, die ich anschrieb, hatten anderes zu tun. Sean rief Martin an, einen Freund, bei dem er einmal couchsurfen war. Martin hatte Zeit und Lust und holte uns vom Bus ab. Er ist auch schwul, wollte immer Pfarrer werden, hatte dann aber so seine Probleme mit dem Zoelibat und wurde stattdessen Kochlehrer und Naehlehrer an der High School. Ausserdem liebt er offenbar die Zeit um 1900 und er fuehrt ein kleines, aber sehr distinguiertes Restaurant in einem historischen Dorf hier. Als wir ankamen, bekochte er uns koestlich, redete wie ein Wasserfall, gab uns ein Zimmer mit sieben Stationen des Leidenswegs Christi und verwoehnte uns wirklich rundum. Er hat drei Katzen, Huehner, haufenweise Obst und nimmt uns mit, zeigt uns herum und bekocht uns zum Umfallen. Ich bin sehr, sehr gluecklich in der schwulen Gesellschaft, alle meine Erwartungen sind sogar weit uebertroffen und ich bin fassungslos, wieviel Offenheit und Zuneigung uns vollkommen fremde Menschen entgegenbringen. Martin nahm uns heute mit zur katholischen Messe, die ich aussergewoehnlich interaktiv und sogar humorig fand. Das bin ich nicht gewoehnt. Da ist nicht eine Person, die redet, alle sind willkommen, einen Kommentar zur Lesung abzugeben und der 75-jaehrige Pfarrer lacht sofort ueber seinen Fehler. Er hatte die Begruessung irgendwie doppelt gemacht... An Ostern hat er schon mal den Jesus vergessen und das laut herausposaunt und zeigt sich wohl auch sonst etwas unheilig, wie Martin berichtete.

Noch ein voller Tag, dann ist es aus mit Neuseeland fuer mich. Nicht weinen, dass es vorbei, sondern lachen, dass es gewesen ist....

Mittwoch, 1. Juli 2009

Couchsurfing along

Invercargill auf, wo ich herzlich von meinen Couchsurfinggastgebern willkommen geheissen wurde und auch gleich zum Klettern in der Halle eingeladen war. Fast wie heimkommen, aber nur fast. Leo hatte sich gemeldet und ich gab ihm Bescheid, dass er nachkommen könnte, auf dass wir über die Vorfälle der Vergangenheit reden können. Er kam per Anhalter und wir trafen uns am Supermarkt. Mager war er, ein bisschen grau und mitgenommen sah er aus. Die Schuldgefühle mir gegenüber hatten ihm zugesetzt und er war gekommen, um sich zu entschuldigen, dass er so ausgerastet ist. Er war bei einem Berater und ging zu Treffen der Anonymen Alkoholiker. Am Abend machten wir uns gemeinsam zu einem solchen Treffen auf und trafen seinen Berater am nächsten Tag, der sehr glücklich war, dass ich Leo nochmal traf. Er hat beschlossen und versprochen, mir gegenüber ehrlich zu sein und nicht mehr zu trinken. Das hat er auch bis heute nicht getan. Wenn er trinkt, wenn er ausrastet oder mich anlügt, ist er weg vom Fenster, ganz klar. Er findet die strikten Regeln hilfreich. So sind wir also wieder zusammen und fliegen am 7.Juli nach Australien. Eine wechselvolle Geschichte, das.

Und da wir beide unser Apfelpflückgeld ausgegeben haben- wie übrigens auch unsere anderen Pflückerbekannten- haben wir beschlossen wirklich und gnadenlos billig zu reisen. Das bedeutet natürlich nicht im Hostel oder sogar auf dem Campingplatz zu übernachten. Aber es ist saukalt, draussen. Couchsurfing hat sich als sehr ergiebig herausgestellt, wir mussten in der nassen Kälte, die der Winter so mit sich bringt, zum Glück nie im Auto schlafen. Nach Invercargill fuhren wir an der Küste entlang die Scenic Route gen Dunedin, das weiter östlich liegt. Wir machten Halt bei Jan und Brian, die wir beim Wandern auf dem Hollyford Track getroffen und die mich zu sich eingeladen hatten. Sie haben ein geräumiges Haus in Kaka Point auf einem Hügel, von wo aus sie das Meer überblicken können. Sie wohnen damit direkt im Gebiet Catlins, wo sie ziemlich beeindruckende Natur vor der Nase haben. Sie fuhren mit uns an den Strand zu Seelöwen, zu denen man direkt hinlaufen konnte und zu einem Leuchtturm, zeigten uns die Seehunde und in der Dämmerung sahen wir die seltenen Yellow Eyed Penguins vom Meer ans Land marschieren, was mich sehr gefreut hat. Sie sind ziemlich gross, hüpfen ein bisschen über die Steine und drehen sich um, auf dass die Partner auch nachkommen. Soll eine Lifetimestory sein, so eine Pinguinliebesgeschichte. Beeindruckend, wie vielseitig Jan und Brian sind. Sie war Lehrerin und malt und verkauft nun ihre Landschaftsbilder, sie bauen Gemüse an, kochen gern und machen ein. Alles fein im Team, man merkt, wie gut sie zusammenspielen. Sie arbeiten ausserdem als Freiwillige für DOC, pflanzen und pflegen Bäume und kümmern sich um die Pinguine. Er arbeitet immer noch in der Landwirtschaft und hilft bei Bauern aus. Sehr warm waren wir willkommen und sie nahmen regen Anteil an unserem Leben. Die beiden gehen auf die siebzig zu und haben doch eine sehr jugendliche Ausstrahlung. Sie haben drei Söhne, die in verschiedenen Bereichen der Welt leben und arbeiten und freuen sich über deren Abenteuerlust und Erfolge. Ich war schwer beeindruckt von soviel Lebenslust und Toleranz.

Leo hatte das Glück, beim Hitchhiken auf Jim zu treffen. Jim fuhr mit seinem Auto nach Hause nach Balclutha, das ungefähr 60 km von Invercargill am Meer liegt. Er nahm Leo mit, der ihm seine Geschichte erzählte. Jim gestand, trockener Alkoholiker zu sein und Leos Geschichte berührte ihn so sehr, dass er ihm helfen wollte und ihn bis nach Invercargill fuhr. Er wünschte Leo viel Glück mit mir und sagte ihm, dass es ihm eine Ehre und Freude war, ihn zu treffen. Leo sei jederzeit in seinem Haus willkommen. Jim ist Anfang vierzig und hat drei Kinder, Elly,13, Jayjay 4 und Zac, 3. Seine Ehe ist in die Brüche gegangen über seiner Trinkerei, seine Frau hat ihn eines Tags aus dem Haus geworfen. Erst verstand er nicht, warum, dann aber machte er sich auf, was zu ändern und ist nun seit über zwei Jahren trocken und glücklich, dass er die Kinder so oft sehen kann. Wir blieben zwei Tage bei Jim in Balclutha, der offen und freundlich über sein Leben erzählte. Er hält sich für nicht besonders schlau und für einen Aussenseiter. Dabei ist er ein herzensguter Mensch, der uns sein Schlafzimmer zur Verfügung stellte und gern auf der Couch schlief. Wir könnten bleiben, so lange wir wollten und wenn wir das Auto verkaufen, na dann könnten wir mit seinem fahren. Er hilft beim Schafescheren und arbeitet in grossen Fabriken, die Essen einfrieren. Er sagt, er weiss, was er zu verlieren hat, wenn er wieder zu trinken hat und im Grunde ist er ein glücklicher Mensch. Er hat sehr viel über sich nachgedacht, das Malen angefangen und schien mir den Kindern ein gütiger und freundlicher Vater zu sein. Ein wunderbarer Mensch, an dem die Bildung ein wenig vorbeigegangen ist. Hätte er sich mehr zugehörig gefühlt, besseren Zugang in der Schule gefunden, sein Leben hätte sicher einen ganz anderen Lauf genommen. Ein altbewährtes Freedom Golf und eine Kochsession mit den Kindern machten den netten Familienaufenthalt perfekt.

Von Balclutha fuhren wir nach Dunedin, liefen auf dem Weg durch einen alten Tunnel, der uns ein echtes Gefühl dafür gab, wie es ist, nur ein kleines Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Wir hielten bei freilaufenden Schweinen und spazierten am gewaltig wellenden Meer. In Dunedin waren wir auf Jay und John Nixons Couch willkommen. Wir kamen mit dem obligaten Couchsurfwein an (in meinem ganzen Leben habe ich noch nie soviel Wein gekauft wie in Neuseeland) und wurden von einer sprudelnden Jay in der Nobelgegend Dunedins empfangen. Sie redete viel über undankbare Couchsurfer und allerlei anderes, so dass selbst ich kaum ein Wort unterbrachte. Sie schien nicht viel Gutes zu erwarten, aber trotzdem ehrenamtlich engagiert zu sein. Es schien mir, als wollte sie eigentlich ein schlechtes Weltbild bestätigt sehen, das sie aber dann als die grosse Märtyrerin und die einzig Gute herausstellte. Hier wohnte jedenfalls Geld und sie brach ab einem gewissen Punkt ihren Monolog ab und sagte uns, dass wir nicht auf die Couch müssten, sondern in ein momentan leer stehendes Apartment ziehen dürften. Schlicht und kühl war es dort, wir assen, guckten einen Film und schliefen dort, bevor wir uns bald wieder aufmachten, ein wenig irritiert über soviel unfreundliche Freundlichkeit.

Wieder gings ins Internetcafe, wieder war unsicher, wo wir die nächste Nacht verbringen würde. In der Studentenstadt Dunedin aber gibt es mehr als hundert Couchs, so dass wir zuversichtlich waren. Leo wollte zu Miguel, einem jungen spanischen Musiker, der nur sehr wenig Englisch spricht. Seine Freundin antwortete sofort auf meine kleine unbeholfene Anfrage auf Italienisch (ich kann spanisch lesen, da kann der Spanier bestimmt auch italienisch lesen, dachte ich mir offenbar ganz zu Recht). Sie ist Australierin und lebt mit Miguel in einem Haus am Stadtrand- Wohnung hat man hier nicht so, selbst Leute, die Sozialhilfe beziehen haben Häuser, normalerweise mit mehreren Schlafzimmer. Saukalt isses da, ohne Isolierung und Doppelverglasung und Zentralheizung. Man heizt mit kleinen Elektroheizerchen und offenen Feuern, die unterschiedlich effizient sind. Dazu gibt’s meistens eine Heizdecke, die ich gerade noch als unter meiner Würde ansehe. Noch. Dort hatten wir wieder die rechte Coucherfahrung, wurden zum Bohnensüppchen zu unseren Ehren, gebraut von Miguel eingeladen, in ein nicht ganz taufrisches Zimmer auf eine Matratze verfrachtet, plauderten lange mit einem anderen Gast und guckten eine DVD. Sophia hat Soziologie studiert und macht nun eine Ausbildung zur Schreinerin und arbeitet nebenher als Eislauflehrerin. Miguel unterrichtet Musik und lernt Englisch. Es schien fast, als wollten sie uns nicht gehen lassen.

Wir mussten aber früh los, da ich mich in einer Steiner Schule eingeladen hatte. Wenn ich Lehrer werden will, denke ich, sollte ich wissen, ob ich wirklich eine staatliche Schule will, oder ob ich die alternativen Schulen nicht doch sinnvoller finde. Mein Vormittag dort hat mir sehr gefallen. Die Schule ist sehr schön auf einem Hügel beim Meer gelegen und die Kinder sind dort vom Kindergarten bis vierzehn. Eine Schülerin erzählte mir gleich ungefragt, wie gern sie in der Schule ist. Sie schienen alle sehr glücklich, lernen Maori, Schwedisch und Französisch, haben Bewegung, spielen Theater, malen und singen, rezitieren grosse Textmengen auswendig (Steinerlieder und Literatur gleichermassen) und sind auch mathematisch recht fit, soweit ich das gesehen habe. Sie arbeiten gut zusammen, kommen bunt und gar nicht in Marken gekleidet in die Schule und reden freundlich und respektvoll miteinander. Lee, einer der Lehrer, der eine lange Obstpflückkarriere hinter sich hat, bevor er das Lehramt anfing, meinte, sie seien reifer als andere Schüler. Ich fand es toll, wie ernsthaft und wirklich interessiert sie an die Dinge gingen und mir sogar einen Haka, einen Maoritanz, vorführten. Der Besuch hat mich zum Denken gebracht. Schule scheint ihnen Spass zu machen. Ob sie genauso viel lernen und das lernen, was ihnen nützt, kann ich noch nicht gut beurteilen. Ich fühlte mich jedenfalls sehr wohl in dieser Umgebung. Schule ist das Richtige für mich, da bin ich ziemlich sicher.
In Dunedin sahen wir russische Kunst und trafen im Buchladen auf einen Anwalt, der uns unbedingt auführen wollte, einfach so offenbar, weil er ein wenig einsam war. Nicht ganz sozial angepasst, wie es scheint, schick gekleidet und freundlich und im Grunde schüchtern. Wir mussten das Angebot ausschlagen, waren wir doch bei Miguel zum Essen geladen. Dunedin hat wunderbare second hand shops und ich stattete mich für 15 Dollar mit Markenklamotten aus und liess die alten Rupfen hinter mir. Und dann gibt es viele verstaubte, verbücherstapelte Gebrauchtbuchläden mit Klassikern und Philosophieschätzen und anderen Entdeckungen. Leo kommt auf den Geschmack und will gar nicht mehr aus den Buchläden und Bibliotheken, wenn wir erst mal dort sind. Wir guckten in der städtischen Galerie Frances Hodgkins und schräge russische Kunst mit vielen nackten Menschen an und vergassen ein wenig die Zeit, was leider leider zu einem 45 Dollar Parkticket führte. Seufz. Ist mir mit dem Fahrrad nie passiert.... Cadbury Schokolade produziert in Dunedin und ich machte eine Firmenführung. In grossen Säulen wird Schokoladenmasse gespeichert und von dort durch die verschiedenen Maschinen geschoben. Da ist erstaunlich viel Handarbeit dabei. Einen Gag hatten sie am Ende eingebaut- Eine Tonne Schokolade fiel im Turm nach unten und spritzte mächtig. Das Ganze nennt sich Schokoladenwasserfall.

Am Abend fuhren wir nach Seacliff weiter, wo Sascha mit seiner Freundin mit kompliziertem irischem Namen und den zwei Hunden Britney (gross und kurzhaarig) und Stevie (2 kg, sehr umtriebig) und einer Maus namens Stuart wohnt. Stuart lässt die Vorräte weitgehend in Ruhe und wird daher geduldet. Sascha hat mit uns Äpfel gepflückt und uns eingeladen, gern mal zu kommen, wenn wir in Dunedin sind. Seacliff liegt 28 km ausserhalb nördlich, Richtung Christchurch, von wo wir abfliegen werden. Die Frau mit dem nicht zu buchstabierenden Namen arbeitet als Friseuse, er nimmt verschiedene Arbeiterjobs an, vom Strassenbau zu den Äpfeln- was gerade so kommt. Die beiden scheinen sehr entspannt, rauchen gern ein wenig Selbstangebautes und lassen uns gemütlich hier wohnen. Wieder die Flasche Wein, wir kochen, sie schnitt uns die Haare, wir sehen die Gegend. Leider ist es sehr kalt und Sascha hat sich beim Surfen das Sprunggelenk verzogen, so dass mein Sport nicht das Surfen, sondern das Laufen ist. Da bin ich ziemlich unfit- was will man machen. Die letzte Woche fühlte ich mich nicht ganz auf der Höhe mit dem Verdacht, beim Trinken der Bachwässerchen Giardiasis aufgeschnappt zu haben. Das ist ein Bazillus, der die Verdauung ins Schleudern bringt, sich aber nach zwei bis vier Wochen auch ohne Behandlung aus dem Staub macht. Ich habe mich aufs gemütliche Schwimmen und Aquajoggen (Gürtel umsonst, Bahn schön eingerichtet und das alles für zwei Dollar) in warmen Pools, Spaziergänge und Warten verlegt.

Von hier gehen wir nach Oamaru, hoffentlich auf eine weitere freundlich angebotene Couch. Es ist spannend, so zu reisen, abwechslungsreich und sehr heimisch. Sophia meinte, das Couchsurfen hätte ihr das Vertrauen in die Menschheit wiedergegeben. So oft sind es die Leute, die selbst nun wirklich nicht viel Geld haben, die einen einquartieren, bekochen, abholen und von Herzen willkommen heissen.

Mir fehlt das Lesen und die geistige Herausforderung, da wir eigentlich ständig am Reden und Socialisen sind. In Sydney haben wir uns eine Couch organisiert und werden sofort nach Ankunft auf Jobjagd gehen. Uns geht das Geld aus und ausserdem will ich einfach wieder arbeiten. Eine regelmässige Betätigung, das hat schon was. Mal sehen, was so eine grosse Stadt mit zweimal soviel Einwohnern wie ganz Neuseeland zu bieten hat.

Das Reisen ist spannend, ich mache es gern, aber nicht ein Leben lang. Nicht immer in totaler Geldknappheit sein und einen Ort zu haben, zu dem man täglich zurückkommt und vor allem einen Beruf zu haben, zu dem man gerne wieder geht, das ist auf Dauer doch erfüllender. Und freilich vermisse ich mein liebes soziales Umfeld.

Donnerstag, 18. Juni 2009

Was ist schon anstrengend?











Dem Matsch entstiegen- ein neuer Mensch. Naja, ein bisschen viel Drama, das. Mal ganz langsam und von vorne. Da ich schon mal auf Stewart Island war, wollte ich natürlich auch was sehen und das tue ich gerne wandernd. Gavin meinte, wenn ich wirklich was sehen will, müsste ich schon ein bisschen mehr als die drei Tage Rakiura Walk machen. Das ist ein weiterer der sogenannten Great Walks, sehr schön beschildert und mit vielen Stegen für den pässlichen Tritt. Und da gibt es den Klassiker, die längste Wanderung Neuseelands und, wie ich nun weiss, ganz sicher eine der wirklich härteren. Zehn Tage North West Circuit. Mit legendären Schlammmassen (schon das Wort!), anständigen Steigungen und 125 km Strecke. Ich war ein wenig naiv, dachte, die Wege seien wie auf all meinen anderen Wanderungen. Da ist schon mal Dreck am Schuh kleben geblieben und es ging über ein paar Würzelchen, aber das, nein, das...

Gavin fuhr mich am 9. Juni um dreiviertel sieben an den Start des Tracks, der auch der Anfang des Great Walks ist. Als ich den nach drei Stunden freudigen Spazierens hinter mir liess, war ich nach kürzester Zeit knietief im Morast, gnaaaatsch, gnaaaatsch. Und da voran zu kommen, kostet Zeit und Kraft. Nach sieben Stunden war ich an der ersten Hütte, der Bungaree Hut, herrlich am Meer gelegen. Nach einer Stunde kamen zwei weitere Wanderer an, Ben und Adam, beide 24. Ich hatte mich auf Einsamkeit eingestellt, nun hatte ich Gesellschaft mit genau dem gleichen Plan für die gleiche Zeit. Die beiden waren wenig gesprächig und meine Freude hielt sich in Grenzen, zumal sie sich wenig um Feuerholz kümmerten. Hat sich auch alles während der zehn Tage nicht geändert. Aber ich lief alleine und stellte bald fest, dass ich mir mächtig was vorgenommen hatte. Essen für zehn Tage und die üblichen Wanderutensilien auf dem Rücken hatte ich mich durch einige Bäche zu kämpfen, an Wurzeln hochzuziehen und sogar manchmal an Seilen durch den Schlamm abzulassen. Aber ich bin stur, hatte beschlossen, das durchzuziehen, also liess ich nicht locker und motivierte mich brav. Ich dachte, das Apfelpflücken hätte mir Gelegenheit gegeben, über mein Leben nachzudenken. Jetzt aber hatte ich erst so richtig die Chance. Leo, meine Eltern, meine Freunde, meine Zukunftspläne und Erinnerungen bildeten meinen Film. Dreissig Jahre- da gibt’s viel mehr Stoff als von mir erwartet. Das ist ein wenig so, als würde ich in den hintersten Ecken einer Rumpelkammer kehren. Ich dachte, es würde nicht mehr schwieriger kommen als durch Matsch und Hügel von Hütte zu Hütte, bei Beginn des Tageslichts um acht los und unbedingt bis um fünf wieder dort, wenns dunkel wird. Dazwischen Wasser und ein Müsliriegel. Die angegebenen Zeiten von sechs bis acht Stunden Wandern überschritt ich oft, einfach, weil mich der Matsch gefangen hielt. „Nicht schauen, nicht denken, laufen!“ hab ich mir wohl zehnmal am Tag gepredigt.

Am siebten Tag strebte ich nach der Big Hellfire Hut die Mason Bay Hut an. Ein stürmischer, regnerischer Tag, mit Hagel und kalt dazu. Ich war fasziniert vom wilden Meer und den knarzenden Bäumen. Als der Track am Strand entlang ging, fand ich bald heraus, dass die Flut mächtig bis über meine Knie herschwappte und ich fürchtete, einfach in den Berg geschoben zu werden, der da steil aufragte. Ich guckte ein bisschen verzweifelt nach der Hütte, die aber lange noch nicht in Sicht war. Eine Stunde Tageslicht hatte ich noch. Ich malte mir aus, was mir schlimmstenfalls passieren könnte. Nun, dachte ich, eine Nacht draussen, unter einem Busch, in meinem Bivacksack mit all meinen noch trockenen, warmen Klamotten bekleidet. Das letzte bisschen Tageslicht nutzte ich, um den rechten Busch zu finden und setzte meinen Bivackplan um. Schlafsack in den mitgeführten Müllsack, das ganze in den Bivacksack. Die Jacken dienten als Unterlage und der Rucksack wurde zur Matte umfunktioniert. So lag ich am Hügel im Hagel und harrte aus. Von sechs Uhr abends bis um acht in der Früh döste ich, checkte, ob noch alles einigermassen trocken war und ich nicht am Hügel abrutschte, lauschte den mächtigen Wellen und dem Hagel und guckte stündlich auf die Uhr. Es war kühl in meinen Hüllen aber nicht eisig in der doch sehr kalten Nacht. Meine Ausrüstung hat sich voll bewährt und ich war erleichtert, dass letztlich alles doch recht unproblematisch war. Zwar war ich noch dreckiger und alles etwas feucht, aber ein gutes Feuer in der nächsten Hütte hat den Schlafsack trocknen lassen und mich wieder ganz auf die Bahn gebracht. Ein Abenteuer, das mich ein wenig hat bangen lassen. Aber ich freute mich, nicht panisch zu werden, sondern ruhig geblieben zu sein und das Beste aus der Situation gemacht zu haben. Wenns schwierig wird, kann ich mich auf mich verlassen.

Auf dem Weg gab es immer wieder Gesellschaft. Roland, einen unfassbar fitten Wanderer in der anderen Richtung, der mir seine Zahnbürste schenkte, da mir meine aus der Tasche gefallen war. Und vor allem zwei Gruppen Jäger, die sehr zünftig und lustig waren und mich mit ihrem eingeflogenen und erbeuteten Essen fütterten. Da gabs auf einmal Bacon and Eggs zum Frühstück, Paua Muscheln und Blue Cod zum Abendessen und Rehgulasch bei der anderen Gruppe. Einer schenkte mir sehr gute Wandersocken, die ihm zu klein sind und sie gaben mir Vitaminsprudeltabletten mit auf den Weg, die ich mir so sehnlich vom Universum gewünscht habe. Die Krönung war die kalte Dusche, die sie installiert hatten und mir zur Verfügung stellten. Ich bin sehr dankbar über soviel Menschenliebe und fühlte mich gleich sehr geborgen bei soviel Fürsorge. In der vorletzten Hütte trafen wir auf DOC- Leute, die mir erzählten, dass es gar nicht so ungewöhnlich sei, dass Leute im Freien übernachten, wo die Flut bei Mason Bay herbrandet. In der letzten Hütte gab es Felsen am Meer, von denen wir bei Ebbe Miesmuscheln zum Abendessen pflückten. Mhm, ein Fest!

Ein Jäger hatte mir erzählt, dass ich am Strand Handyempfang haben könnte. Ich sprach kurz mit Leo, der sich wild entschuldigte für seine haarsträubende Geschichte und momentan wieder weg vom Rauchen und Trinken hin zum Laufen kommt. Er will übers Meer schwimmen, um bei mir zu sein. Verrückter Kerl. Und klar: ich vermisse ihn...

Als ich letztlich heute am zehnten Tag in Oban mit meinem Wanderstock einlief, vollführte ich ein Freudentänzchen, setzte meine Tarnmütze auf meine dreckverklebten Haare und freute mich über soviel nette Mails von Euch. Vielen Dank! Ich wusste schon, warum ich mich darauf gefreut hab! Zehn Tage im Busch, mit Kiwis, dem kleinen Vogel Tomtit, den Fantails, den melodiereichen Tuis, den Manukabäumen, den vielen Farnen und Bächen, in den Bergen und am Meer. Für meine hundert Euro Futtergeld hatte ich wirklich ein phantastisches Abenteuer und jede Menge Zeit zum Nachdenken. Zweifel, ob ich das packe und letztlich die Zuversicht, dass alles gut geht. Wenn ich mir etwas wirklich ersehnte wie diese Vitamintabletten hab ichs gekriegt. Ich bin sehr dankbar für die Zivilisation, die Chips, Kekse und Milch, die ich mir gegönnt habe. Die warme Dusche, die Waschmaschine, den warmen Ofen und das elektrische Licht. Ich feiere das Leben und sehe sehr klar, wie gut ein bisschen Verzicht tun kann. Langweilig war mir nie, auch wenn ich an ganz andere Dinge als gewöhnlich dachte. Warm, trocken, ankommen, schlafen, essen- worüber sollte ich mir sonst Sorgen machen?