Sonntag, 2. August 2009

Kein Platz fuer Menschen?

Wir sind hier in keiner gesunden Umgebung. Auch wenn ich sehr entzückt bin, wenn ich Känguruhs und all die verschiedenen Vögel sehe- das ist keine Lebensumgebung. Klingt komisch, fühlt sich für mich aber so an. Es scheint mir so, als gäbe es Orte, an denen Menschen nicht leben sollten. Das Leben hier ist mühsam, es ist richtiges Bezwingen und Trotzen gegen die Umgebung. Lebensmittel fahren hierher über mindestens 150 Kilometer, Wasser kommt aus dem Fluss und wenn man irgendwas braucht, muss man weit weit fahren. Klar, oft fahren die Dinge sowieso weit, aber hier ist es doch anders. Man hat gar nicht Möglichkeit, sein eigenes Gemüse anzubauen und damit einigermassen unabhängig zu leben. Könnte man der Natur einen Willen zuschreiben, würde ich sagen, sie will nicht, dass wir hier leben.

Die andere ungesunde Umgebung ist die Trinkerumgebung. Don und Cas trinken sich allabendlich einen richtigen Rausch an. Gäste, die das nicht mögen, sind schnell weg, die anderen hängen mit ihnen in der Bar. Sie ziehen damit die Leute an, die Alkoholiker sind wie sie selbst. Und auch wenn wir hier streichen und umdekorieren und Sachen auf Vordermann zu bringen versuchen- diese Stimmung ist hier und bleibt hier. Täglich fliegen Leute mit kleinen Vier- oder Sechssitzern ein und bleiben manchmal eine Nacht. Das sind nicht nur Trinker, das sind reiche Leute, die bereit sind, für Qualität zu zahlen. Wenn sie die aber nicht vorfinden, gehen sie und erzählen ihren Freunden von der Lage.

Leo hat Mitleid mit Don. Er ist ein netter Mensch, aber wir verfolgen seinen Niedergang. Er läuft gebückt und ist oft nicht sichtbar oder sitzt vor der alten halben Tonne, die als Feuerstelle dient. Cas ist erst 23 und will Chiropraktikerin für Tiere werden. Sie sagt, sie lebt hier, weil sie den Lebensstil mag. Ich denke oft an den Satz. Der Lebensstil bedeutet zu trinken was das Zeug hält, sonst sehe ich da nichts. Sie ist sehr erstaunt, dass ich in der Umgebung laufe. Für die Natur ist sie also nicht hier...

Zusammengenommen ist das für Leo und mich nicht sehr gesund. Ich habe vielleicht mehr gelernt, mir meine eigene Welt zu schaffen und für mein Wohlbefinden zu kämpfen als er. Er fühlt sich schnell von mir angegriffen und ist gleich sehr betroffen und neigt dann dazu, zu verallgemeinern. Da geht es dann über meinen Charakter oder dass ich ihn immer schlecht behandle, was ich wiederum wenig förderlich finde. So kriegen wir uns immer mal wieder in die Haare.

Nun haben wir zwei Wochen überstanden, morgen werden wir das zweite Mal bezahlt. Auch in Ettrick hatte ich nach zwei Wochen keine rechte Lust mehr, beschloss aber, durchzuhalten und Leo zu motivieren. Ich habe zudem einige Berechnungen angestellt und bin zu dem Schluss gekommen, dass viertausend Dollar schon sehr, sehr gut für mich wären. Mit tausend Dollar im Monat sollte ich gut über die Runden kommen. Keine Hostels, sondern Camping, wwoofing und couchsurfing und vor allem keine Pubs und Restaurants. Bücher hie und da müssen aber sein. Klamotten, wenns neue sein müssen, da die alten auseinanderfallen, gibt’s zum Glück in den Secondhandläden der Salvation Army. Sparen und Spass haben ist wie immer der Ansatz. Es wird eine gute Idee sein, wieder ein Auto zu kaufen, weil wir damit nicht an die Busse gebunden sind, im Auto schlafen können, zu entlegene Wwoofinghosts und Couchsurfern fahren können und auch unser eigenes Essen transportieren. Am Ende wird das billiger sein und wir werden mehr sehen, vor allem in der Natur. Die soll saftig und grün im Norden an der Ostküste sein, wo es mich in die Nationalparks mit über 50 Prozent der Tiere Australiens zieht. Heiß und nass und gerade noch erträglich im September. Im Oktober sollten wir schon wieder ein Stück südlicher sein. Überhaupt scheint es eine gute Idee, an der Ostküste entlang zu reisen, die gut erschlossen und mit dem meisten Regen gesegnet ist und auch die Hitze soll vor allem im Süden nicht so extrem sein. Reisepläne sind jedenfalls sehr gut für die kleinen Krisen des Mädchen für alles Alltags.

Cas hat mich in die Geheimnisse der Bar eingeweiht und versucht mich zum Rundumdieuhrarbeiter umzufunktionieren. Das habe ich mir nicht bieten lassen. Ich starte um acht oder neun mit den Zimmer und Bädern und Klos, dann komme ich in die Küche, kümmere mich ums Geschirr, wische und wedle hie und da in Restaurant und Bar und lasse nebenher die Waschmaschinen für mich arbeiten. Ab zwei habe ich Pause bis um vier mit Leo. Und da stehe ich nicht in der Bar, wenn es sich nicht um einen extremen Ausnahmefall handelt. Von vier bis acht oder neun bin ich mit Leo in der Küche, spüle, decke die Tische, bediene die Gäste. Danach haben wir Feierabend. Cas meint, sie müsse immer arbeiten und dieser Ansatz mit der Pause, der würde wohl in der Stadt funktionieren, hier gebe es das nicht. Ausserdem sei sie hier für den Lebensstil und Don und nicht fürs Geld. Das hat mir gleich aufs Gewissen gedrückt, aber letztlich vertrat ich meine Rechte. Zehn, elf Stunden Arbeit am Tag, das sollte doch reichen und sie könnte einiges an freier Zeit haben, wenn sie es sich nur gut organisierte und mit uns abstimmte. Und vor allem nicht jeden Tag mit einem Kater zu kämpfen hätte und bis in die Puppen tränke.

Es ist doch immer ähnlich. Fängt man einen Job an, ist alles eitel Sonnenschein. Nach einiger Zeit kommt es zu Konflikten. Die gilt es auszufechten, zu überstehen und auf einer neuen, besser ausgehandelten Basis weiterzumachen. Ich lerne, nicht zu sehr zu generalisieren. Es ist nicht alles wunderbar, es ist aber auch nicht alles schrecklich. Phasen kommen und gehen. Es hängt so viel an mir selbst, ich muss nur lernen, so mit meinem Umfeld umzugehen, dass es mir gut dabei geht. Ganz viel ist hier Eigenmotivation. Ich überlege mir, was zu tun ist und greife die Aufgaben dann an. Sobald ich die Dinge schleifen lasse, fühle ich mich unbefriedigt und kann auch meine erkämpfte Freizeit nicht geniessen.

Miss Marple fesselt mich gerade und ein paar Überlegungen zu einem Artikel übers Couchsurfen. Leo ist zum Glück immer mal wieder spielwillig und so habe ich nicht umsonst meine Spiele von daheim nachgebaut. Mit einem Lauf jeden zweiten Tag und der Ermahnung, nicht immer die gute Butter und die herrlichen Desserts, sondern mehr die Salate zu essen, merke ich, dass ich mich zu alten Fitnessformen hochziehe. Der Plan: Bis Ende des Jahres will ich noch mein Vagabundendasein weiterführen und dann in die steile Lehrerkarriere einmünden. Was Leo will, ist niemandem so richtig klar. Es wird alles gut. Oder?

Keine Kommentare: