Mittwoch, 29. Juli 2009

When the going gets tough...

Die Zeiten werden härter. Nach eineinhalb Wochen Betten beziehen, waschen, Geschirr spülen, Böden wischen, Klos wienern, aufdecken und abräumen mit einem schlechten Gewissen, wenn ich mir eine Pause nehme, steigen meine und Leos Laune nicht gerade. Zwar habe ich nie getrunken, war aber immer einigermassen tolerant. Hier hingegen torkeln die Leute herum, sind laut, stinken nach Alkohol und erzählen einen Riesenhaufen Mist. Jeden Tag, am Nachmittag geht’s los. Und das sind wirklich so ziemlich alle Menschen, mit denen wir zu tun haben. Manchmal reisen Nichtalkoholiker durch, aber unser Chef Don, die Kollegin Cass, die Polizisten, die Feuerwehrmänner, die Strassenarbeiter, die Leute, die hier eine wilde Zeit im Truck verbringen- sie trinken alle spätestens ab drei bis in die Nacht. Ich beginne den Alkohol zu hassen und sehe nicht, was er Gutes bringt. Natürlich hatte ich auch oft mit gemässigt trinkenden Menschen zu tun, aber die scheinen hier nicht aufzutauchen. Der Alkohol bremst die Kollegen und ihr Leben besteht darin, herumzusitzen oder zu -stehen, eine Bierflasche in der Hand und dröge zu schauen. Dazwischen kommen Kommentare, dass man keine Zeit zu nichts hat. Offenbar vor allem nicht, die Bäder zu putzen oder über das absolute Minimum an Pflege und Sorgfalt hinauszugehen. Das Gute wiederum ist, dass Don und Cass sowieso da sitzen und trinken und ich bis dato nicht mit der Bar bzw. dem Pub behelligt werde und daher mit Leo ins Zimmer gehen kann, wenn wir gegen neun mit der Küche fertig sind.

Leo hat es freilich noch schwerer, da er ohne mich schon längst das Trinken wieder angefangen hätte, wie er selbst gesteht. Und dann würde es für ihn steil bergab gehen, meint er. Er würde einen Streit und vermutlich eine Rauferei mit unserem Chef anfangen und der würde ihn feuern. Passiert alles nicht. Acht Wochen halten wir durch, das erste Wochengehalt haben wir schon in der Tasche. 4480 Dollar, ich seh die Dollarzeichen in meinen Augen. Apfelpflücken war schöner und das Umfeld angenehmer, aber weit weniger einträglich mit zirka 1500 Dollar Ersparnissen am Ende.

Ich versuche, Dinge an meinem Arbeitsplatz zu verbessern, wo es mir einfällt. Zu Beginn haben wir die Küche rundum gesäubert und ausgemistet. In die Zimmer kommt mehr Licht, ich putze die darob sehr erstaunten mit roten Drecklagen überzogenen Fenster, weg mit der hässlichen alten Dekoration und dafür schöne Wurzeln und Äste aufgestellt. Das Holz ist hier sehr hart und dicht. Die Bäume sind hier keine Mamasöhnchen, wers hier schafft, der hätte woanders leicht lachen und ähnlich sehen Leo unsere „Prüfung“ hier auch. und Einen ganz besonderen hohlen Ast fand ich gestern beim Laufen und brachte ihn Leo mit, der eine Leidenschaft für Treibholz hat. Hat ihm sehr gefallen. Ich wusch das Stück und legte es zum Trocknen vor unser Zimmer, wo es einer dieser Saufköpfe aufsammelte und verheizte. Hat mich nicht gerade gnädiger gestimmt. Leo liebt es, wenn ich ihm vorlese, so dass er mit Hume, Leviathan, aber auch Romanauschnitten versorgt wird. Normalerweise schläft er darüber bald ein. Uns bringt die Zeit hier näher zusammen. Wir sind einander die einzig gute Gesellschaft, neben Haribo Goldbears natürlich, die wir im Aldi in Sydney erstanden haben. Neben mir ist immer der Lonely Planet, der mich daran erinnert, was es hier noch an Schönem zu entdecken gibt. Die Zeit vergeht eigentlich ganz gut, sind wir doch immer mit irgendetwas beschäftigt. Mir ist klar, dass mich nur Selbstdisziplin weiterbringt. So schreibe, laufe und lese ich regelmässig und erbarmungslos meinem Missmut entgegen.

Jaja, die Känguruhs hüpfen hier quasi vor der Haustür herum. Wann immer ich joggen gehe, sehe ich einige, die mich verwundert anschauen und sich dann aus dem Wüstenstaub machen. Ein heiterer, freundlicher Anblick. Nein, die beissen und treten nicht, das sind Wildtiere, die machen sich aus dem Staub. Wie übrigens auch die Schlangen, man sollte nur nicht auf eine treten. Spinnen habe ich noch keine entdeckt. Unsere drei schwanzlosen Wildkatzen werden zahm gefüttert und sind mir neben den vier Hunden eine rechte Kuschel- und Spielfreude. Ich will mehr über das Wildlife hier lesen, mal sehen, ob ich ein gutes Buch online finde. Gar nicht so einfach, wo der Onlinebuchversand hier nach meinen Recherchen lange nicht so verbreitet ist wie in Deutschland.

Noch ein bisschen mehr zum ganzen Setup hier. Strom kommt aus der Steckdose und die ist mit einem ständig lärmenden Dieselgenerator verbunden. Es ist also fast so laut wie neben einer lauten Strasse mitten in der Wüste und das 24 Stunden am Tag. Wenn man nur zehn Minuten läuft, fällt auf, welch unglaublich Stille hier ist. Nur die vielen Vögel singen und der Wind ist manchmal so heftig, dass ich meine liebe Not habe, meine täglich fünf Waschmaschinen Laken, Handtücher und Spannbezüge auf die Leine zu kriegen. Es gibt also alles, was man sich vorstellt. Wasser aus dem Wilson River vor allem, der wohl der Grund ist, warum das Hotel hier und nirgends anders steht. Leider ist das Wasser oft braun und der Fluss ein eher stehendes Gewässer, so dass wir der Trinkwasserqualität nicht recht trauen. Die Temperaturen sind recht warm, hier ist der kälteste Monat des Jahres mit konstantem Frühsommerwetter nach deutschen Massstäben. Nachts kanns schon mal kühl werden, tagsüber werden wir so auf geschätzte 19, 20 Grad kommen. Und es gibt zwei Regenwassertanks- weiss der Himmel, wie in die Wasser gekommen ist. Es gibt ein steinernes Haupthaus und vier kleine Unterkunftsbaracken mit je zwei Bädern und Toiletten. 40 Dollar kostet die Nacht pro Person im Doppelzimmer. Recht basic, aber schon gerechtfertigt. Ein bisschen über Jugendherbergsstandard, würde ich sagen. Eine Nacht im Hostel kostet 25 Dollar, da schläft man dann aber im Sechsbettzimmer in der Zivilisation.

Hier hat mal jemand angefangen, der Ahnung vom Geschäft hatte. Die Laken sind sinnvoll beschriftet, es gibt einige gute Küchenausrüstung und die Maschinen tun ihren Dienst. Dass Don und Cass keine Ahnung vom Geschäft haben, zieht die Sache natürlich ein wenig runter, ändert aber nichts an der vorhandenen sinnvollen Grundstruktur. Ich bin vor allem erstaunt, wie hier eben nicht kalkuliert wird. Die Preise sind willkürlich und nicht berechnet, wie man das so macht. Nicht ein Drittel Einkaufskosten, ein Drittel Personalskosten und der Rest Gewinn- wir können hier verlangen, was wir wollen. Unser Menü mit Crocodile's yummy soup with crispy toast und THE long expected, miles driven for, well deserved roast meal with veggies und Kangaroo's homemade dessert of the day werden nur von mir und Leo angepriesen, dann aber auch prächtig verkauft. Auch Leos Muffins kommen gut an, wenn denn mal einer davon erfährt....

Man läuft hier nicht, man fährt im Truck oder kommt mit einer kleinen Cessna angeflogen. Vierradantrieb ist nicht nötig, aber wohl irgendwie schick. Die nächste winzige Ortschaft ist 150 km entfernt, um uns herum gibt es ein paar sogenannte Stationen mit Pferden und Kühen. Wenn einer krank wird, kommen die flying doctors, für die hier überall gesammelt wird und deren oft schräge Geschichten ich hier in einem Buch lese.

Ich sage mir oft, dass ich die Perspektive auf Geld und eine gute Weiterreise nicht aus den Augen verlieren darf und dass ich hier genug Gelegenheit habe, mich auf Fitness, schreiben und lesen zu konzentrieren. Macht mich doch alles nur hart und widerstandsfähig

1 Kommentar:

Saschi hat gesagt…

Ja schau, lieber die Erste in einem gallischen Dorf....
Das klingt ja sehr vernünftig. Fürchte allerdings mittelfristig Abstoßungsreaktionen der Gruppe auf so viel Vernunft. Danke für das relative Kompliment der relativ vernünftig trinkenden Bekannten in Regensburg....Joggen mit Kängarus is sicher lustig. Erläuter doch mal das Zahm füttern. Wir haben nämlich nen halbwilden Nachbarshund, vielleicht klappt das bei dem auch. Morgen geht unsere 24 Std Fahrt zum Gardasee los. Etwas Abenteuer also auch hier. Wenn Leo Hume geniessen kann is das schon das halbe Studium. Da gibts 80% Studis die da nur "Hääääähhhhhhh?!!!!????" sagen würden. Die Cessnas sind auch lustig. Freunde sind so mal in den 80ern durch die ganze US Provinz von Ost nach West getrampt ohne einmal in eine ü 10000 Stadt zu kommen. Weiter so! Kannst ja dann in Regensburg ein Australisches Hotel eröffnen oder ein Hostel. Das Brooklane in der Bachgasse is dauern ausgebucht. Ich glaub es gibt mittlerweile genug Englisch sprechende Touristen. Da würd ich rein investieren.