Sonntag, 5. Juli 2009

Requiem und die wahre Naechstenliebe





Stimmen wir also ein in den Chor der Trauernden. Madaz ist von uns gegangen. Er war ein gutes Auto, ein treuer Begleiter, lauschig in den Naechten, wendig an den Tagen und immer fuer mich da. Im Oamaru, gerade als ich ihm 30 Dollar in den Tank gefuettert hatte, wollte er nicht mehr. Ein Boesewicht hat ihm eines Tages den Filter geklaut, er hat sich Dreck in die Motorlunge gezogen und wollte nicht mehr. Der Schrottmann gab mir vierzig Dollar, ich nahm Blossom the Powerpuff an mich, machte ein Abschiedsphoto und das war dann die Beerdigung. Tja. So ist das Leben.

Wir waren auf jeden Fall froh, dass er uns so weit gebracht hatte. In Oamaru hatte ich mich wieder um eine Couch bemueht und fand auch eine bei Rene, der 20 Autominuten ausserhalb lebte. Zurueck in die falsche Richtung bedeutete das, aber besser als im kalten Auto am Strassenrand schlafen, dachten wir. Bis wir dort anlangten... Rene wohnt zwischen Schrottautos in einer Huette mit Loechern und Karton an den Waenden. Chaos beschreibt die Lage nicht adaequat. Er zittert und steht wohl unter Drogen. Ausserdem hat er kein Geld. Er hatte lauter positive Kommentare auf seiner Couchsurfing Seite, aber trotzdem fuehlten wir uns unwohl. Das auf seinem Unterarm eintaetowierte Hakenkreuz und Photos mit passendem Gruss und dunklen Gestalten gab mir den Rest. Wir schlossen uns in unserem Zimmer ein, kuschelten uns aneinander und stellten die schweren Rucksaecke an die Tuer. Er war irgendwie aus. In der Frueh, er schlief im Wohnzimmer, bewegte er sich keinen Millimeter, wir hinterliessen eine Nachricht und machten uns zackig aus dem Staub.

Und dann machte Madaz schlapp und wir wussten nicht wie weiter. Kein Bus nach Christchurch, ein nieseliger Tag und zu spaet, um per Anhalter weiterzufahren, meinte Leo. Am naechsten Tag wuerde ein Bus fahren, zwanzig Dollar, den sollten wir nehmen. Gut, wir kauften die Tickets und ich ueberlegte, wo wir schlafen koennten. Es ist wirklich saukalt und Leos Vorschlag, im Park zu campen, schien mir nicht recht attraktiv. Zurueck zum Nazi war uns aber noch weniger genehm. Es gab da aber noch Peter, einen Couchsurfgastgeber, den ich angeschrieben hatte. Offen schwul, schien sehr nett und ich wollte ihn unbedingt kennenlernen. Meine Notloesung war, seine Nummer im Telefonbuch zu suchen und ihn anzurufen. Ich hatte ihm schon eine Mail geschrieben, auf die er nicht geantwortet hatte und Telefonnummern sind auf der Seite nicht angegeben. Ich rief ihn an, erzaehlte ihm die ganze Geschichte und er lachte nur und lud uns zu sich ein. Er ist Lehrer, betreut am Freitagnachmittag Kinder und geht mit ihnen zum Schwimmen. Wir sollten einfach zum Pool kommen und er naehme uns dann mit zu sich nach Hause. Er wohnt mit seinem Expartner Sean zusammen in einem sehr geschmackvollen Haus mit drei Katzen, einem Hund, Buechern und klassischer Musik. Sie bekochten uns, stellten uns Seans wunderbares Bett zur Verfuegung, wir hatten eine sehr anregende Unterhaltung mit zwei weiteren Freunden von ihnen, die zu Besuch kamen. Da gings ueber Buecher, sogar ueber Wagner, das Schreiben und das Lehrerdasein. Ich war nur noch gluecklich dort und auch Leo hat es sehr gefallen. Peter fuhr uns am naechsten Tag durch die Gegend, wir guckten ein Internat an, in dem er Problemkinder unterrichtet hat und plauderten angeregt.

Nur fuer Christchurch hatten wir noch kein Bett gefunden. Alle Leute, die ich anschrieb, hatten anderes zu tun. Sean rief Martin an, einen Freund, bei dem er einmal couchsurfen war. Martin hatte Zeit und Lust und holte uns vom Bus ab. Er ist auch schwul, wollte immer Pfarrer werden, hatte dann aber so seine Probleme mit dem Zoelibat und wurde stattdessen Kochlehrer und Naehlehrer an der High School. Ausserdem liebt er offenbar die Zeit um 1900 und er fuehrt ein kleines, aber sehr distinguiertes Restaurant in einem historischen Dorf hier. Als wir ankamen, bekochte er uns koestlich, redete wie ein Wasserfall, gab uns ein Zimmer mit sieben Stationen des Leidenswegs Christi und verwoehnte uns wirklich rundum. Er hat drei Katzen, Huehner, haufenweise Obst und nimmt uns mit, zeigt uns herum und bekocht uns zum Umfallen. Ich bin sehr, sehr gluecklich in der schwulen Gesellschaft, alle meine Erwartungen sind sogar weit uebertroffen und ich bin fassungslos, wieviel Offenheit und Zuneigung uns vollkommen fremde Menschen entgegenbringen. Martin nahm uns heute mit zur katholischen Messe, die ich aussergewoehnlich interaktiv und sogar humorig fand. Das bin ich nicht gewoehnt. Da ist nicht eine Person, die redet, alle sind willkommen, einen Kommentar zur Lesung abzugeben und der 75-jaehrige Pfarrer lacht sofort ueber seinen Fehler. Er hatte die Begruessung irgendwie doppelt gemacht... An Ostern hat er schon mal den Jesus vergessen und das laut herausposaunt und zeigt sich wohl auch sonst etwas unheilig, wie Martin berichtete.

Noch ein voller Tag, dann ist es aus mit Neuseeland fuer mich. Nicht weinen, dass es vorbei, sondern lachen, dass es gewesen ist....

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