Dienstag, 31. März 2009

Immer mehr Äpfel- und das ist erst die halbe Saison







Das ist Peter. Nein, man sieht ihn nicht auf dem Photo. Er versteckt sich, weil er nicht photographiert werden will. Er besitzt den grössten Obstgarten in der Gegend. Die anderen hier sind nur halb so gross. Um Peter herum sind ungefähr zwanzig Pflücker und fünf Staplerfahrer und zehn Leute, die Äpfel im Packhaus verpacken. Peter hat ein stattliches Haus, ein paar Pickups, ein paar Autos und ein Motorrad mit dem er durch seine Apfelreihen braust und guckt, ob die richtigen Äpfel auf die richtige Weise gepflückt werden. Wenn kein Hagel gekommen ist. Dreissig Sekunden Hagel und er ist ruiniert, sagt er. Ansonsten kann man schon Geld machen, vor allem mit Export, aber es ist eben nicht so arg einfach. Viele Gärten in der Gegend haben aufgegeben, die Besitzer pflücken ihre Äpfel selbst und verkaufen sie an einem kleinem Obststand auf einem Bauernmarkt. Und wenn die Äpfel von den Pflückern ruiniert werden, weil man sie verkratzt hat, weil man sie in die Tasche hat fallen lassen oder weil der Pflücker im Matsch ausgerutscht ist und mitsamt seiner Äpfel in den Bin gefallen ist und sie gequetscht hat, dann werden sie gesaftet. Klingt gut, ist aber furchtbar. So ein Bin hat 460 Kilo und wenn die Äpfel gesaftet werden müssen, kriegt Pete einen Cent pro Kilo. Das wären dann 4,60 Dollar pro Bin, für den er allein den Pflückern durchschnittlich 40 Dollar bezahlt. Es gibt viel Saft in der Welt, das stimmt. Aber Saft ist nur ein Nebenprodukt der Pflückerei. Niemand baut Äpfel für Saft an.

Nachdem wir die Äpfel in die Bins gepflückt haben, holt sie ein Traktor ab und bringt sie zum Packhaus. Dort kommen sie in ein grosses Becken und schwimmen dort durch eine Pumpe getrieben zu einem Fliessband, das sie ins Packhaus transportiert. Dort werden sie auf „bruises“ (Kratzer und Dellen) von einer Frau gecheckt. Dann laufen sie weiter in eine Lichtbox, wo sie photographiert und so auf Reife kontrolliert werden. Von dort werden sie noch auf Grösse angeguckt und dann in diese lila eierkartonähnlichen Steigen gelegt bevor sie dann aufeinander in eine Box kommen, fertig für die Weltreise.

Im Allgemeinen tut mir das Apfelpflücken sehr gut. Es ist eine grosse Meditation. Ich geniesse es, wie mein Leben sich wie ein Film nach und nach entrollt. Ich pflücke und ich blicke zurück, mehr als ich es jemals getan habe. Ich denke über all die guten Zeiten nach, über mein Studium, ich denke an meine Freunde, an einzelne Szenen, an Orte. Ich vermisse das Dichte, das Deutschland zu bieten hat. Viele Geschäfte in den Städten, Buchläden, Musik, vielseitige Kultur an jeder Ecke, enge alte Gassen, historische Gemäuer. Am meisten aber vermisse ich die schneebedeckten Berge und die Skitouren. Ich kann mir nicht vorstellen, in einem Land ohne Schnee zu leben. Nein! Und ich denke über meine Zukunft nach. Da gibt es noch viele interessante mögliche Lebenswege und sinnvolle Dinge zu tun. Vielleicht geht das zu zweit auch wirklich leichter, mal sehen. Ich habe einige Sorgen auf der Strecke gelassen und beschlossen, dass ich weiter geniessen werde, was mir dieses wunderbare Leben zu bieten hat.

Dienstag, 10. März 2009

Schnee, Äpfel und das Glück der Hausfrauen

Leo und ich haben mittlerweile eine Art Familienleben hier. Eine neue und ziemlich interessante Sache für mich. Wir leben in unserem Haus mit Don, Wai und Luksmi und gucken oft aus dem Fenster. Wenn es regnet gibt es nämlich keine Arbeit für uns. Die Damen im Packhaus dagegen verpacken noch die von uns gepflückten Äpfel und wir fragen uns manchmal, ob es nicht besser wäre, dort zu arbeiten. Man ist zwar nicht draussen, aber man hat feste Stunden und einen festen Stundenlohn und die letzten beiden Wochen haben sie sicher besser verdient als wir, obwohl wir es härter haben. Aber irgendwie finde ich diese Pflückmännerdomäne interessanter und es besteht die Hoffnung, dass es besser wird, vor allem, wenn wir das zweite Mal die noch verbleibenden Äpfel von den Bäumen holen.

Wenn die Äpfel wie gestern und heute nass sind, verkratzen sie schneller und wenn es kalt ist, brechen sie gar auf. Wenn es also regnet, bleiben wir daheim, fangen manchmal später das Arbeiten an oder eben gar nicht. Wir zahlen 30 Dollar in der Woche für unsere Unterkunft und wir spielen Scrabble. Vor allem kochen wir und bekochen unsere Familie. Mittlerweile sind wir dazu übergegangen, unser eigenes Brot zu machen, einen Apfelkuchen und sogar Apfelsaft. Die herrlichen Dinner gibt es natürlich weiter. Leo hat in der Küche sicher mein Energielevel und wir machen gleich mehrere Dinge gleichzeitig und nacheinander und alles läuft zackig und rund, während ich nebenbei noch dazulerne. Er ist organisiert und alles wird sofort gespült.

Das Apfelpflücken selbst sollte nun eigentlich leichter werden, so dachten wir. Leider ist das ganz falsch. Als wir noch Cox Orange von den Bäumen pfrimelten, guckten wir sehnsüchtig zu den Royal Gala hinüber, die im Vergleich dazu alle überreif aussahen. Da hatten wir uns aber mächtig getäuscht. Royal Gala werden nur gepflückt, wenn sie wirklich knallrot sind. Das sind sie in den seltensten Fällen. So brauchten wir am Montag 5 Stunden um unseren Bin zu füllen. Einer der Traktorfahrer versuchte mich aufzumuntern mit den Worten, Pete, unser Boss, würde bei diesen Äpfeln viel besser bezahlen. Wir verdienen bei diesen grossartigen Äpfeln dann 40 anstatt der 38 Dollar. Ich lief um die Bäume herum, guckte verzweifelt hinauf, rutschte auf der Silberfolie herum, die zwischen den Bäumen ausgelegt ist und landete meist in tiefen Matschlöchern. Den Matsch trug ich meine 3,6 m hohe Leiter hinauf und hinterher fiel er mir in Gesicht und T-Shirt. Erst pflückte ich zu viele unreife Äpfel, dann liess ich zu viele auf den Bäumen, die sich gut hinter Blättern versteckten. Und oft blieb der Stiel einfach am Baum hängen, weil ich offenbar zu sehr zog, aber es war nicht anders zu machen, wenn der Apfel auf fast fünf Metern hängt. Wenn ich die Stiele dann doch mitnahm, verkratzte ich die Äpfel, wenn ich sie gen Ast hochrollte. Irgendwas ist also immer. Aber wir können uns ja damit aufrecht halten, dass wir für fünf Stunden Arbeit lässige zwölf Euro verdienen- yeah! Brendan, unser anderer Traktorfahrer kam vorbei und bemitleidete uns. Er meinte, die Äpfel seien „nothing but trouble, no matter what you do“ und half uns manchmal sogar pflücken.

Trotz alledem gibt mir der Job viel. Ich bin durch verschiedene Stadien gegangen. Da war die anfängliche Euphorie, einen Job zu haben und draussen zu sein und genau das zu tun, was man eben in dieser Situation als Working Holiday Maker macht. Und es ist schön, neues Spielzeuggeld (NZ Dollars) jede Woche überwiesen zu kriegen. Ich kriege mit, wie die Dinge hier ablaufen, wie es ist, einen Apfelgarten zu haben und worauf man zu achten hat. Es gefällt mir auch, dass die Äpfel, die ich hier pflücke gerade von Euch gegessen werden könnten, da sie alle in den Export gehen.

Ich hatte mein schreckliches Tief letzte Woche und sah überhaupt keinen Sinn mehr in all dem blöden Getue für die paar Kröten, die einen eben gerade so über Wasser halten. Überall Matsch, was ich machte, machte ich falsch und es schien kein Ende zu nehmen in der brütenden Hitze. Ich sagte mir, das ist ein Job, in dem man sehr stark auf sich selbst zurückgeworfen ist. Man muss sich selbst motivieren. Und ich habe entdeckt, dass meine Einstellung wirklich den grossen Unterschied macht. Ich mache meinen Tag, nicht die Situation. So lasse ich mich nicht mehr besonders beeindrucken, höre Musik und denke über mein Leben nach. Dafür ist letztlich doch genug Zeit. Und schon ist wieder alles gut. Und zwischendrin entfleucht mir ein Wahngelächter und ich merke, dass ich auf so etwas wie körpereigene Wahndrogen komme, was Leo ein bisschen verwundert. Wenn später im Leben einmal nichts mehr geht und ich wirklich keinen Job haben sollte, so kann ich immer noch so etwas machen, um mich über Wasser zu halten. Mit dieser Gelassenheit und Zuversicht habe ich das Gefühl, dass mich nichts mehr so leicht umhauen kann. Dafür bin ich unfassbar dankbar. Leo hat recht mit seiner Aussage, dass ich mich hier auf dem grossen Abenteuerspielplatz befinde. Was ich ausprobiere, bringt mir Sicherheit und Lebensfreude. Was das Geld anlangt, bin ich immer noch gut dabei mit viel Sparsamkeit wwoofen und jobben. Madaz spart mir Übernachtungskosten und ist letztlich billiger als der Bus, vor allem, wenn ich in Gesellschaft mit ihm reise.

Jetzt ist es übrigens aus mit brütender Hitze, wir haben Schnee auf den Hügeln der Umgebung heute nacht gekriegt und ich bin glücklich über meinen neuen warmen Schlafsack. Keine Arbeit natürlich und auch gestern nutzten wir die Gelegenheit zu einem kleinen Ausflug nach Alexandra, vierzig Kilometer von hier. Es gibt immer was zu tun. Leo braucht einen neuen Pass, Madaz eine neue Registrierung, meine Telefonrechnung muss bezahlt werden und ich brauche mal wieder zumindest einen Buchladen. In Alexandra hat ein Kanadier seinen Buchladen „Wanderlust“ aufgemacht und wir kamen in ein nettes Gespräch über das Leben in einer winzigen Stadt nachdem er zuvor in der Nähe von Montreal gelebt hat. Die Kiwis lesen wohl sehr viel, viele fahren durch Alexandra und er hofft das beste. Er weiss, wie es ist, das Stadtleben zu vermissen. Er hat sich mit Neuseeland fürs Wandern und die Natur entschieden und diesen wunderschönen kleinen Laden aufgemacht. Stöbern, lesen- choice! Ich brauche das, ich vermisse es. Und ich habe mit Armistead Maupins „The Night Listener“ neuen Stoff, den ich Leo im Bett vorlesen kann. Bei Shakespeares Lear ist er doch zu schnell eingeschlafen.

Leo und ich sehen wie es ist, das gemeinsame alltägliche Leben mit all seinen kleinen Unwegsamkeiten und Diskussionen. Ich bin recht glücklich mit Leo, wir sind absolut gleichberechtigt und ich fahre Auto genauso wie er, wir kochen und putzen gemeinsam. Und er schliesst den Schlüssel im Auto ein und nicht ich, aber er bricht dafür auch ordnungsgemäss wieder ein ;). Er hört zu und ist interessiert an den Dingen, die ich mag und lässt sich auf Diskussionen ein, wenn mich etwas stört. Er gewöhnt sich daran, dass ich sachlich und direkt sofort sage, wenn mir etwas nicht passt. So kommen wir sehr gut klar. Er hat nun bald eine Woche das Rauchen aufgegeben, was ich sehr beachtlich finde.

Wir werden sehen, wie lange wir hier bleiben. Bis jetzt sind die Entscheidungen noch nicht so klar. Wir checken jeden Samstag die Zeitungen für sinnvolle Jobs und reden darüber, wann wir wohin weiter wollen. Ich will hier schliesslich noch einige Wanderungen machen. Leo will im Grunde auch, nur zahlt er ungern für das Wandern im eigenen Land, was ich in gewisser Weise verstehen kann. Und dann wartet immer noch Australien auf uns.

Donnerstag, 5. März 2009

Nur die Harten kommen in den Garten (und Leo hat die Gärtnerin abgekriegt ;))

Das Apfelbusiness zeigt uns die Zähne. Es ist erstaunlich frustrierend, in der Hitze zu stehen und an kleinen Flecken, die man nicht ausreichend mit Sonnencreme bedacht hat, den Sonnenbrand zu spüren, mitten in einem Dickicht von Ästen, durch die man die Leiter irgendwie pfrimeln muss. Und dann steht sie da, man steigt hinauf mit dem riesigen Umhängeding und bleibt stecken- fluchend. Man verschiebt die Leiter, alles ist gut, man erwischt einen Apfel, die zwei daneben fallen aber auf den Boden und sind damit nicht mehr zu gebrauchen. Das Pflücken ist eine Kunst für sich. Man knickt die Äpfel gen Ast, den sie aber nicht berühren sollen und rollt sie dann, einem nach dem anderen vorsichtig in die Bauchtasche. Kratzer, Dellen, braune Stellen werden von Peter, unserem Chef moniert, der mit seinem Motorrad angebraust kommt und checkt, ob auch wirklich alle Äpfel geernet sind, die er haben will. Das sind natürlich bei weitem nicht alle. Er hält einem regelmässig zwei Äpfel vor die Nase, die sich in der Röte um 2,8 Prozent unterscheiden und sagt einem, dass man den einen sehr wohl, den anderen aber in keinem Fall pflücken darf. Sonst gibt’s eine kleine Predigt, zwischen all dem Leiter rauf und runter und zum Bin laufen, den die Traktorfahrer uns hin und hermanövrieren. Leo ist mittlerweile schneller als ich, kriegt aber auch ein wenig mehr Predigten. Er kommt auf zirka drei Bins am Tag, ich schaffe es zu zweien und helfen uns gegenseitig, den Bin am Ende zu füllen. Ich habe schwitzend geschimpft und er hat auch seine Tiefs, zumal, wenn man betrachtet, dass wir uns wirklich anstrengen und nicht ratschen und dann immer noch unter Mindestlohn arbeiten. Ich verdiene 76 Dollar am Tag mit zwei Bins, das sind dann lässige 30 Euro für acht Stunden harte Arbeit und einen schmerzenden Rücken. Nur die Harten kommen in den Obstgarten... Wir sagen uns, was die anderen wiederholen, die das seit Jahren machen: man wird schneller und die Äpfel werden reifer und die erste Woche ist immer die härteste. Auch die Profis kommen mit drei Bins am Tag nur schleppend voran und stehen auch ihre Kämpfe aus. Wir geben nicht auf, erst mal nicht. Und danach dürfen wir wandern, haben wir uns versprochen und der nächste Job wird vermutlich in Australien sein, Leo kocht, ich arbeite an der Rezeption oder als Küchenhilfe und grüble weiter brav nach, wo ich mein journalistisches Zeug am besten unterbringe. Ich sehe wieder mal, wie schön man es doch hat, mit einem ordentlichen Job, wenn man die rechte Ausbildung hat. Man hat die Wahl, auch wieder was anderes zu machen. Vor allem ist es eine gute geistige Übung, sich immer weiter zu motivieren. Eine positive Einstellung ist der Schlüssel zum Ganzen und jeden Tag einen neuen Start zu sehen.

Die Leute von TeachNZ haben mir geschrieben bezüglich meiner Chancen als Lehrer zu arbeiten. Das geht mir nicht aus dem Kopf und mit starkem Willen müsste das gut machbar sein. Wir lesen brav die Zeitung am Wochenende und finden schon das Rechte. Von meiner Bewerbung für den Journalistenjob hab ich noch nichts gehört.

Und nach der Arbeit ist natürlich Verwöhnzeit. Ich gehe im schönen See schwimmen und am Abend gibt’s Leos feinste Gerichte. Gestern Lasagne und immer wieder meinen heissgeliebten Kartoffelbrei. Wir spielen Scrabble und ich ziehe den Armen gnadenlos ab. Wir haben nun eine Art Lernvertrag. Ich bringe ihm bei, was ich weiss und kann und im Gegenzug bin ich momentan seine Küchenhilfe. Das kostet ihn Überwindung, macht er doch gerne alles selbst und verwandelt sich instantan in einen sehr ernsten Menschen, wenn er sein gutes schweres Messer aus Solingen zu schwingen anfängt. Aber da er lernen will, anderen Menschen freundlich und bestimmt Anweisungen in der Küche zu geben und ich einige Küchentricks lernen will, haben wir beide unsere Meister gefunden. Da sonst meist ich es bin, die in der Heimküche die Kommandos gibt, fühlt es sich ein wenig seltsam an, nun nur noch genau auf Kommando zu handeln und nicht mehr zu denken. Aber gut, Kompetenzen abgeben ist ja auch eine gute Übung.

Wir hoffen auf ein bisschen Regen für Samstag, so dass wir den Tag frei kriegen. Bestimmt werden wir aber am Sonntag, der ein optionaler Arbeitstag ist, wieder einen Ausflug machen und feiern, dass wir die Woche überstanden haben. Zweieinhalb Wochen Obst und Leo liegen hinter mir. Wieder alles ganz neu für mich. Auf einmal planen wir zusammen und es macht mir gar nichts aus. Das hätte ich nicht gedacht. Ich habe nicht das Gefühl, Freiheit aufzugeben, da er mich nur ermuntert, alles zu machen, was mir vorschwebt. Reisen, promovieren, als Lehrer arbeiten. Ich hab ihn täglich lieber. Und obwohl ich hier meine Tiefs habe, glaube ich, dass ich auf dieser Reise weit mehr gefunden habe als ich mir erwartet habe und meine Erwartungen waren nicht gering.

Dienstag, 3. März 2009

Apfelpsychologie

Wir werden vermutlich die Saison über in den Äpfeln bleiben. Das könnten bis zu zehn Wochen werden. Da kann man dann immerhin sagen, wir wissen, wie es ist, Saisonarbeiter zu sein. Unsere Kollegen sind teils ebenfalls Working Holiday Leute und teils Menschen, die jedes Jahr wieder Obst pflücken. Ich bin ziemlich beeindruckt, wie nett die Profis sind. Sie sagen uns genau, welche Äpfel wir pflücken sollen und lächeln und winken immer freundlich zurück. Das Nektarinenpflücken wurde stündlich bezahlt. Da hatte man Zeit zum Schäkern und gemütlich Nachdenken und hatte trotzdem seine hundert Dollar am Tag verdient. Hier sieht das nun anders aus. Wir werden für eine Kiste Äpfel mit 38 Dollar bezahlt. Man versucht also möglichst schnell möglichst viele Äpfel ins Körbchen zu bringen. Mit 40 Körbchen hat man die Kiste voll. Dabei müssen die Äpfel genau die richtige Farbe haben und zu klein sollen sie auch nicht sein. Es wird kontrolliert, was noch auf den Bäumen hängt und es wird kontrolliert, was in der Kiste ist. Die Äpfel müssen sehr behutsam behandelt werden, da sie schnell Kratzer und braune Stellen kriegen. Und wir müssen zackig unsere Leiter richtig platzieren, so dass wir auch an die obersten Früchte kommen. Das ist ziemlich mühsam, wenn die Äste sehr dicht sind. Wir machen höchstens eine halbe Stunde Pause und arbeiten kontinuierlich. Unsere Profifreunde kriegen in einem Tag vier Kisten voll, wir schaffen zusammen fünf. Und wir gucken immer, wenn der Chef vorbei kommt, dass wir auch alles brav richtig machen und hoffen, dass wir weder einen Strunk am Apfel gelassen haben, noch überpflückt haben, also zu viele Äpfel vom Baum geholt haben. Montag war ein wunderbarer Tag. Da konnten wir kleine Bäumchen zackig abarbeiten. Dienstag war grausam. Viele kleine Äpfelchen an den Bäumen aussen, nahe an den schützenden Weiden, die viel Schatten geben. Da rennt man dann ein bisschen vezweifelt hin und her und findet doch kaum was zu pflücken. Insgesamt ist das aber ein gute Job, daher macht ihn auch der Surfer Sascha. Man ist auf sich allein gestellt, bestimmt sein eigenes Tempo, kriegt einiges an Sonne ab und die Kollegen sind nett. Die Traktorfahrer, die unsere Kisten bewegen, haben selbst früher gepflückt und geben immer wieder Tipps, wie man am schnellsten gut voran kommt. Ich merke, dass es für mich sehr aufs Arbeitsumfeld ankommt, wenn es darum geht, zufrieden mit meinem Tun zu sein. Richtig nett ist, dass wir hier mit Don, Wai und Laksmi zusammen wohnen, unserer netten Maorifamilie.
Wir motivieren uns gegenseitig, das hier zu machen. Es heisst, die erste Woche sei am schwersten, danach sei man schneller und verdiene damit mehr Geld. Ausserdem gewöhnt sich der Rücken ans Tragen, momentan fühlen wir uns immer noch recht schwanger mit gut 20 Kilo Äpfeln vorm Bauch.

Das Zusammenleben mit Leo funktioniert sehr gut. Er kocht herrlich Dinner, gestern gab es Lamm, immer sehr viele knackige Gemüse und vor allem den weltbesten Kartoffelbrei. Ich würde ihm ja gerne helfen, aber in seinem Bereicht lässt er sich nicht dreinreden. Aber es gibt zum Glück genug andere Dinge, die ich im Gegenzug machen kann. Sein Lebenslauf soll am Computer erstellt werden, er will alles über Musik wissen und ist an allem was mit Bildung zu tun hat, sehr interessiert. Ausserdem motiviere ich ihn zum Sport und er hat sich fest vorgenommen, das Rauchen aufzuhören, zumal er es auch seinem Vater kurz vor dessen Tod versprochen hat.

Am Wochenende waren wir in Queenstown. Hier ist man schliesslich so richtig auf dem Land. Da gibt es schon zwei Supermärktchen in Roxburgh, die das Verhungern ausschliessen. Aber ich vermisse doch sowas wie Stadt. Wo man ein T-Shirt kaufen kann und Kino nicht nur alle zwei Wochen am Samstag mit genau einem Film ist. Es gibt eine Stadt, Alexandra, eine halbe Autostunde entfernt, in die wollten wir eigentlich fahren. Als wir dann aber um zwei dort waren, war alles zu und es handelte sich nicht um eine Mittagspause. Neuseeland ist in dieser Hinsicht sicher noch nicht globalisiert. Über Queenstown aber ein andermal etwas mehr.

Unsere Abende bestehen nach dem Essen aus einem Scrabble (bei dem ich den armen Leo bis dato recht wild abziehe) und manchmal aus einer Fahrt zum See Pinders Pond, in den man sich mit einem lauten Juchzer an der Schaukel schwingen kann.
Wir wollen sehen, wie lange wir hier bleiben. Im Grunde verdienen wir ordentlich, geben nicht viel aus und wohnen für 30 Dollar in der Woche. Danach geht es dann, so der Plan, nach Australien, wo wir gemeinsam in einem Hotel oder Restaurant arbeiten könnten. Das ist nochmal ganz anders für mich und für ihn ist es leicht, einen Job zu finden. Es ist gut, dass er aufs Geld schaut, so bin ich auch gut versorgt, weil ich auch nichts anderes mache, als mitarbeiten und wirklich Gegend und Leute sehe.

Unser Tag fängt an, wir müssen in die Äpfel und werden dort unsere acht Stunden bleiben.

Sonntag, 1. März 2009

Mehr Nektarinen, Äpfel und Leo






Ohja, ich habe meinen Blog vernachlässigt. Und es fühlt sich auch wirklich so an, als wäre es Ewigkeiten her, seit ich von diesem Parkplatz am Gillespie Beach berichtet habe. Kurze Zeit später traf ich die Deutschen wieder, die ich so erschreckt hatte, als ich sie beim Wildcampen traf. Es waren nun nur noch drei, aber wir hatten eine grossartige Zeit zusammen. Ich dachte ja immer, mit Zwanzigjährigen lässt sich nicht allzu viel anfangen, das war einfach ein blöder Irrtum. Wir haben wild gecampt, die halben Nächte durchschwatzt und die Landschaft gelobt. In Wanaka sah ich mich nach einem Job um, fand allerdings spontan nichts und rief daher bei PickNZ an, der Nummer für die Saisonarbeiter. Dort hiess es sofort, ich solle noch am gleichen Tag nach Alexandra in Central Otago kommen, dort könne ich mich im Büro melden und ich hätte gute Chancen auf einen Job. So verliess ich die drei und machte mich auf. Ich hatte das Gefühl, das Büro würde um vier zumachen und tatsächlich konnte ich gerade noch acht Minuten vor deren Schliessung reinkriechen.

Man gab mir sofort einen Job in Roxburgh, eine gute halbe Stunde entfernt. Ich sollte in einem Packhaus Obst verpacken, was einem Fliessbandjob nicht unähnlich sei. Nun, ich wollte Geld verdienen, ich wollte sehen, wie das einfache Leben in Neuseeland aussieht, also machte ich mich frohen Mutes auf. Central Otago sieht sehr trocken aus, man fährt an Weinbergen vorbei und sieht kahle Hügel und viele Felsen. Es gefiel mir nicht allzu sehr, nach all dem herrlichen saftigen Busch an der Westküste. Und auch als ich auf dem Orchard, meinem Arbeitsplatz ankam und sah, dass ich mich in einer Wellblechbaracke einrichten sollte, hielt sich meine Freude in Grenzen. Aber meine neue Chefin Alesha meinte, ich solle doch lieber Obst pflücken und nicht in der Baracke, sondern im Haus bei einer Fidji Familie mit kleinem Baby leben. Das Packhaus sei wenig spassig, hat man mir gesagt, die Vorarbeiterin dort eine first rate bitch, wie man mir unumwunden gestand und auch sonst sei es dort kalt und dunkel. Und da ich eh lieber raus und zu den Nektarinen wollte und mich immer über Kindergesellschaft freue, war das natürlich optimal für mich.

Am ersten Abend, als ich mich gerade eingerichtet hatte, lernte ich Leo kennen. Er entspannte sich gerade vom Pflücken auf der Couch und ich hockte mich forsch neben ihn auf ein Schwätzchen. Er meinte, wenn er eine Partnerin hätte, würde er nun vermutlich ein wenig in den Hügeln herumlaufen, aber so, naja. Da meinte ich, man könnte ja auch durch die Plantagen laufen. So hatten wir lange Zeit, um ein paar feine Früchtchen zu ergattern und zu plaudern. Ich fragte ihn nach Strich und Faden nach seiner Tätigkeit als Koch aus. Er macht gerade eine Karrierepause und hat sich entschlossen nach zwölf Jahren reisen durch Europa und Neuseeland seinen Kopf frei zu kriegen und sich zu überlegen, was weiter passieren soll. Nun ist er 43 und überlegt, sich niederzulassen, am besten mit einer Frau. Fünf Jahre gibt er sich, um sich für etwas anderes zu trainieren, vielleicht als Manager eines Restaurants. Dafür müsste er sich ein paar Computerkenntnisse und ein paar Businesssachen aneignen. Am zweiten Abend setzten wir uns nach der Arbeit auf einen Felsen in der Nähe und guckten auf das Land. Er strahlt viel Ruhe aus und kann da einfach sitzen und die Natur geniessen. Da fühlte ich mich dagegen ruhelos und war fasziniert. Am nächsten Tag regnete es. Wenn es regnet, wird kein Obst gepflückt, weil die Früchte nass sind und leichter anstossen. Das Wetter würde auch übers Wochenende so bleiben. Da beschloss ich kurzerhand, einen Ausflug zu machen. Ich war mir sicher, Leo würde mitkommen und so fuhren wir nach Dunedin, der Universitätsstadt. Mir fehlen doch die Städte immer wieder. Dunedin hat immerhin ein kleines Kunstmuseum und das Otago Museum, das von der Geschichte der Gegend in guter moderner und bunter Manier erzählt.

Das Pfirsiche und Nektarinenpflücken war in Ordnung und hat ungefähr 500 Dollar eingebracht, was bei meiner sparsamen Lebensweise für fast zwei Wochen reisen reicht. Wöchentlich bezahlt zu werden ist ein kleines Abenteuer und der Job an sich ist es auch. Die Arbeit wurde mit 12.50 Dollar stündlich vergütet und man konnte sich einigermassen Zeit lassen, wenn man auf die Leitern kletterte und sie von Baum zu Baum zog und seine Früchte in den Bauchladen pflückte. Auf dem Orchard herrschte allerdings eine gewisse Misswirtschaft und Chaos und einige Früchte werden dort nun einfach vor sich hinrotten. Das haben die Pflücker schnell bemerkt und nun sind wir mehr oder weniger kollektiv zu einem anderen Orchard in der Nähe gewechselt. Heute fangen wir dort an, Äpfel zu pflücken. Der Job ist ein Contract Job, das bedeutet, man wird für die Menge an Obst bezahlt, die man pflückt. Die erste Woche sei frustrierend, man verdiene wenig, dann könne man am Tag gut 200 Dollar machen. Ich hoffe, ich kriege das hin. Äpfel sollen sehr empfindlich sein, man müsse sie wie rohe Eier behandeln. Ich sehe das als Test, als Durchhaltetraining. Wenn ich gar keine Lust mehr habe und den Sinn nicht mehr drin sehe, gebe ich auf. Aber dafür muss schon mal so einiges passieren. Wir werden also sehen. Herausforderungen sind ja nun immer gut.

Ansonsten wohnen wir hier recht weit draussen in einem Haus mit einer Maorifamilie, Don, Wai und Laksmi, die auch alle pflücken und sehr nett sind. Ein ganz anderes Leben. Ich kriege damit weit mehr Einblick als durch das blosse Durchreisen und kann auch andere Dinge geniessen. So war ich laufen und habe entdeckt, dass die Gegend eben doch sehr schön ist. Und ich war in einem herrlichen grossen Teich schwimmen. Dort gab es einen echten Klassiker, wie mir Leo erzählte, eine Schaukel zum Festhalten direkt ins Wasser. Nichts wie auf also ins Vergnügen. Und bald ganz viel mehr von Leo, mit dem ich eine wirklich gute Zeit habe, zumal wir beide so gerne dazulernen und er mich täglich mit einem herrlichen Abendessen verwöhnt.