Mittwoch, 15. Juli 2009

Aufwärts!




Wir haben einen Job, einen Job, einen echten Job! Eigentlich sogar zwei, für jeden von uns was zu tun. Der Job befindet sich in Noccundra, eine Zweitagesreise im Jeep von hier entfernt. Wir werden in einem Hotel arbeiten und die Einwohnerzahl des Ortes mit unserer Anwesenheit um hundert Prozent erhöhen. Im Netz hiess es noch, es wohnten vier Leute dort. Masslos übertrieben. Der Job scheint in mancherlei Hinsicht ideal: wir können zusammen arbeiten, wir haben Unterkunft inklusive, wir sehen die wahre australische Wildnis, Dingos, Känguruhs und Koalas inklusive und vor allem haben wir keine Gelegenheit, Geld auszugeben. Ich sehe, wie ein Hotel funktioniert und werde Leo in der Küche helfen, Zimmer in Schuss halten und Leute bedienen, vermute ich. So weit weg von allem zu sein wird sicher eine spannende Erfahrung. Es gibt Internet und die Bibliothek, die ich mitschleppe und die ich morgen noch um ein bisschen Philosophie erweitern werde. Weiter gibt es: Einen Fluss zum Reinhüpfen, einen Tennisplatz und wohl um die 25 Menschen täglich, die mit ihren Jeeps durch den Busch jagen gehen wollen. Wir sind richtig erleichtert, dass wir Geld verdienen können. Der Besitzer Don gibt uns zwei Wochen Testzeit, wenn es uns nicht gefällt, können wir wieder mit seinem Sohn rausfahren. Er scheint schlechte Erfahrungen gemacht zu haben mit Leuten, die die Abgeschiedenheit so gar nicht mochten.Wenn es nicht ganz furchtbar ist, bin ich wild entschlossen für ein, zwei Monate durchzuhalten. Geld sparen, noch zwei, drei Monate Australien sehen und dann Lehrer werden. Dieser Plan fühlt sich gut an und scheint mir sogar vernünftig.

Den Job haben wir über Danielle, unsere erste Couchsurfgastgeberin in Sydney gefunden. Ihr Vater ist der Nachbar des Sohnes vom Noccundrahotelbesitzer. So läuft das. Networken ;). Couchsurfen kann man sich tatsächlich zum Lebensinhalt machen und von dort weiter wurschteln. Wir haben viel probiert: Jobseiten, offizielle Suchen im Netz, Posts in Gruppen, Leute im Einkaufszentrum angesprochen, Lebenslauf dagelassen, geholfen hat schliesslich, dass wir unsere brandneuen Bekannten einspannten. Eine Woche haben wir immerhin damit verbracht, uns dahingehend zu organisieren. Bin ich ungeduldig, erwarte ich zu viel?

Art, bei dem wir momentan untergebracht sind, ist weiter ganz wild auf Leos Kochkünste und deren Ergebnisse, so dass wir immer drei Gänge hatten, deren Zutaten er finanzierte. Er nimmt uns mit zur Bushaltestelle und hilft uns, wo er kann. Er scheint recht froh über unsere Gesellschaft zu sein. Vor allem ist er froh, dass wir den Hund mit rausnehmen. Rani war heute ziemlich fertig, als ich sie erst mit zum Laufen nahm und sie dann noch zum Supermarkt mit uns ging. Nein, gelaufen wir hier auch in Hundekreisen nicht viel...

Gestern war ich damit beschäftigt, unsere frisch eingetroffenen Bankkarten am anderen Ende der Stadt abzuholen, wo sie zu unserer früheren Couchsurfadresse bei Danielle gegangen waren. So ein Theater mit dieser Bank. Nicht nur wurden wir über eine Stunde in der Commonwealth Bank von einem überaus unwitzigen Japaner mit sogenannten Beispielen, die wenig mit der Lage zu tun hatten und blöden Kommentaren gepflastert (is gleat, tlavelling, yeah?! Me tlavelled, too! Let me give you example). Nebenbei hat er die Standardoperation zwei Girokonten zu eröffnen nicht auf die Reihe gekriegt und Leo hat nun kein Passwort für sein Konto, das er aber dringend braucht. Hab ihn nur kurz aus den Augen gelassen, ich vorm Japaner flüchtete und schon ging alles schief. Nein, nein, gestern wurde ich dann auch noch lange telefonisch über meine Zufriedenheit mit dem exzellenten Kundenservice befragt und sollte uns heute auf der Homepage endgültig über einen nichtexistenten Button anmelden. Art meint, er ignoriert die Homepage, mit der könne er auch nix anfangen und der Mann ist Softwareprogrammierer. Grrrr. In Traumneuseeland war das alles in fünf Minuten erledigt und das Konto hat keine vier Dollar im Monat gekostet. Kein Wunder, dass ich immer wieder wehmütig die Neuseelandbilder anschaue.

Für Sydney Zentrum haben wir uns erst einen Tag Zeit genommen. Bevor wir vermutlich am Montag gen Noccundra reisen, ändert sich das aber noch. Morgen ziehen wir zu Rod, einem Bekannten von Art, der auch Couchsurfer ist. Rod wohnt näher an der Stadt und vor allem den öffentlichen Verkehrsmitteln. Leo ist nicht besonders scharf auf die Stadt, ich hingegen sehr. Da wartet noch ein riesiger, japanischer Buchladen auf mich, der siebzig Prozent aller lieferbaren englischen Bücher vorrätig haben soll, was ich kaum glauben kann, aber unbedingt sehen will. Und wir haben die Oper im Endzustand gesehen, im Gegensatz zu ihrem Architekten Jörn Utzon, der sein Budget mit 102 Mio Dollar laut Führer lässig um das dreizehnfache überschritten hat. Gehasstes, nun geliebtes Gebäude. Ich stand mit gebotener, aber nicht überzogener Begeisterung davor. Hat schon was! Wir wanderten zum Fischmarkt, vorbei an riesigen Museen und gingen ins Museum für zeitgenössische Kunst, wo wir Photographien von Aborigines heute sahen, die ganz gemäss dem Vorurteil ihre Probleme mit den Weissen zu haben scheinen und viel trinken. Aber dem wollen wir mal lieber noch genauer nachgehen. Sydney ist gross, hell und es ist warm wie an einem bedeckten Sommertag in Bayern, was hier meist laut als „freezing cold“ kommentiert wird. Ich glaube, ich mag hier nicht im Sommer sein. Grosse westliche Städte scheinen mir doch ähnlich. London, Paris, Sydney. Museen, Opern, Autos und Einkaufsstrassen. Meist hell, luftig und glänzend, soweit es nur irgend ging. Nett mal anzusehen, schöner ist es in der Natur zu leben- stadtnah...

Ich hatte Zeit, im Café von Toshiba auf Art zu warten. Glas, grau und viele, viele Stöckelschuhe, Anzüge und Kostüme, schwarz. Schminke und das Gefühl- aaaaaargh, das kann ich nicht aushalten, weg von der künstlichen Welt, die man so oft als die wahre, die des grossen Geldes ansieht. Ich fühle mich sehr, sehr fremd dort und bin vermutlich einfach nicht für ein Büro, das Schwarz und starke Machtstrukturen geschaffen. Nichts Neues, nur immer wieder neu erlebt.

Die letzte Woche fühlten Leo und ich uns unkomfortabel. Arbeitslos. Ohne Geld wird das Reisen schwierig. Und ich verstehe, dass die Menschen ihren Wert oft darin sehen, Teil eines Arbeitsgefüges zu sein, eine Position inne zu haben, dazuzugehören. Ich stelle fest, dass es was anderes ist, das nur zu wissen oder es wirklich selbst zu fühlen. Auch das war Teil meiner vielen Erfahrungen und Abenteuer auf der Reise. Viele Dinge, viele Leben und das sehr dicht aufeinander. Unangenehm, anstrengend soll es auch sein, auf dass ich sehe, was mir wirklich wichtig ist und was ich mit meinem weiteren Leben anstellen mag. Weitgehend hab ich das nun schon herausgefunden, aber ein bisschen Australien kann mir sicher nicht schaden.

Und wir haben einen Aldi entdeckt! Joghurt ist mit einem Dollar irgendwas für hundert Gramm erschwinglich und vor allem gibt es ordentliche Gummibären und sogar etwas, das Brot ein bisschen näher kommt als der hiesige Standardtoast. Wow!

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