Donnerstag, 29. Januar 2009

Und was soll das bringen?






Dreimal habe ich in Governors Bay geträumt, ich wäre wieder in Deutschland, viel zu früh und wünschte mir im Traum, ich würde nur träumen. Natürlich schien alles furchtbar real und ich konnte mich nicht davon überzeugen, nur zu träumen. Erst das Aufwachen in der Früh brachte Erleichterung. Aber vielleicht war es ein Zeichen, dass ich nun mal wieder weiter sollte. Es passiert zu leicht, dass ich mich einlebe, bequem werde und zu schätzen lerne, was ich momentan habe. Dabei will ich doch Neues erleben. Ich will mir hier schliesslich ganz verschiedene Gegenden und Lebensformen ansehen. Natürlich kann man nie sagen, man kennt eine Gegend oder einen Menschen durch und durch. Aber um einen Eindruck zu kriegen und die Dinge zu hören und zu sehen, die wirklich zentral scheinen, reichen ein paar Tage normalerweise..

Das Konzept, dass man bei meinem Schokoladenwwoofen in Governors Bay nicht nach der Uhr arbeitet, sondern einfach, weil man es liebt, hat für mich bedeutet, dass ich fast nonstop gearbeitet habe. Die Arbeit war vergleichbar mit der einer Mutter mit vielen Kindern, würde ich sagen. Ich habe die Sisyphosarbeit übernommen, das Haus zu reinigen, von den Fenstern zum Boden, von der Küche ins Bad, von der Terrasse in den Garten, ich habe Unmengen Waschmaschinen gewaschen und Stunden mit dem Sauger, dem Besen und dem Wischer verbracht, jeden Tag wieder und nebenher Kinder bespasst und teils davon abgehalten, dass sie sich gegenseitig Ernsteres antun. Erstaunlicherweise war es dennoch eine etwas einsame Wwoofingerfahrung. Mutter von vielen sein ist durchaus eine Aufgabe, zumal, wenn die Kinder kleiner sind. Und irgendwie sieht so recht dann doch keiner, was man den ganzen Tag tut. Mütter dieser Welt, Ihr habt in mir eine Verbündete gefunden! Und Partner dieser Frauen: ein einfaches anerkennendes Lob, wie gut es doch aussieht oder wie gut das Essen ist, macht schon den Riesenunterschied! Oonagh, meine eigentliche „Chefin“ hier, die das Cafe managt, war vermutlich einfach zu müde nach Arbeit und Kinderbetreuung, sich auch noch mit mir zu unterhalten. Vielleicht haben wir uns aber auch einfach nicht viel zu sagen. Einige Zeit habe ich auch in der Schokoladenküche verbracht, auch dort geputzt, durfte dann aber auch naschen und sah, wie man Schokolade behandeln muss, damit sie auch wirklich hübsch als Pralinchen aussieht (mit dem Nebeneffekt des guten Geschmacks freilich).
Die einfachen Tätigkeiten an sich sind aber gar nicht weiter schlimm, sofern ich mir was zum Denken mitnehme. Wohlarrangiertes Grübeln passt wunderbar zum Kloputzen und der Schrecken vor solchen Tätigkeiten ist bei mir fast ganz verschwunden.

Als ich hier nicht mehr verheimlichen konnte, dass ich Philosophie studiert habe, wurde ich von Asiim (der klassische Komposition studiert hat) über den praktischen Nutzen eines solchen Fachs befragt, wobei dann von seiner Seite rauskam, dass die spirituelle Seite wohl zu kurz kommt und es sich um einen sinnlosen Selbstzweck handelt. Überzeugt hat ihn aber dann wohl doch ein wenig, dass ich meinte, wenn man schon denken will, dann ist es doch schön, wenn man es ordentlich macht, so wie es doch auch schöner ist, wenn man gut surfen kann und nicht nur rumstümpert. Da war er dann erstaunlicherweise zufrieden. Grosses Motto scheint hier zu sein, das sogenannte Chaos leben zu lassen, die Liebe zu betonen und bitte nicht strukturiert zu denken. Nun ja, da bin ich halt doch ein wenig anders. Der Guru macht einen gewissen Bogen um mich und nimmt selbst einfache Fragen zum Anlass, die Tiefe seiner Überlegungen zu demonstrieren und reagiert natürlich brüskiert, als ich ihn frage, ob er Philosophie studiert hat. Wenns dann aber ums Cafe geht, gibt’s doch wieder ganz feste Regeln und Zeiten. So ganz frei und nur mit Liebe scheints halt doch nicht zu laufen...

Ich habe festgestellt, dass es meine eigene Schuld ist, wenn ich mir nicht frei nehme und nicht die Gegend erkunde oder einfach die Landschaft von der Terrasse aus lobe und lese. Ich bin schliesslich hier keinen Vertrag eingegangen. So fuhr ich vorgestern nach Christchurch und genoss die wunderbare Bücherauswahl im schnuckligen Scorpio Books und bei der nur scheinbar sehr ernsten Dame in einem der Secondhandläden und lachte mich schief bei Sam Wills, einem Streetperformer, der herrlich unverschämt mit dem Publikum umsprang und bei Regen mit einer „let's do it anyway“ Begeisterung nachhing. So musste Jim aus Canada sich das Hemd ausziehen lassen bevor Wills eine Gurke mit seiner Machete auf dessen Bauch zerlegte und ein paar Passanten durften sich als Stalker beschimpfen lassen. Rumwandern und in den Buchläden festhängen ist unfassbar entspannend. Keine schreienden Kinder...

Ich gucke vor allem interessiert durch die Abteilungen mit Reiseliteratur, die immer recht gross sind. Hab ich schon geschrieben, dass Neuseeland das Land mit der höchsten Mensch-Buchladen-Quote ist? Alle 7800 Menschen hier haben einen Buchladen. Und zwar gar keinen schlechten nicht. Im kleinen Küstenstädtchen Lyttelton, 8 km von hier, ist z.B. ein Secondhandladen, der einfach traumhaft ist. Klassiker, Auswahl in allen Gebieten, eingerichtet mit schlichten weissen Regalen- Charme durch und durch. Jedenfalls sieht man in der Reiseabteilung so allerhand, womit die Leute gelesen werden wollen. Brian Thacker couchsurft durch die Welt, irgendein schlechter Schreiber jagt den Wellen nach, eine Kate reist durch die Welt mit 60 nach dem Motto SKI (spending the kids' inheritance), ein Typ schwimmt überall in Grossbritannien, wo man nur irgendwie schwimmen kann und Joe Bennett hitchhiked durch Neuseeland, um rauszufinden, was ihn als Briten denn nun eigentlich hier schon seit fünfzehn Jahren hält. Und Bill Bryson hat kein Motto, ist dafür aber umso lustiger und hat zudem immer noch ordentlich recherchiert. Ich frage mich, mit welcher Story ich da reinpassen könnte. Schreiben und reisen scheint mir schliesslich schon die ideale Kombination und erleben tu ich hier ja nun auch einiges. „Und was soll das bringen? Die analytische Philosophin bereist die Welt“- das gibt’s immerhin noch nicht, oder so hoffe ich zumindest.

Bennett listet all die Vorurteile auf, die er über die Jahre gesammelt hat und ich muss schmunzeln, genau diese Eindrücke hab ich Euch schliesslich auch schon beschrieben:

Is there anything distinctive about New Zealanders? […] What about the vaunted practicality, the no-nonsense earthiness, the number-eight-wire ingenuity [irgendsoein Kabel, mit dem sie hier alles reparieren zu können behaupten], the rugged independence, the compulsion to travel, the willingness to work hard?“

Und was ob seiner tiefen Wahrheit auch einfach herrlich ist:
„When I use the word motorway you shouldn't think motorway. On the approach to a city it may become four lanes, and even perhaps with a median strip, but five miles out of the city the motorway reverts to something to which most countries would ascribe a less imposing title. Road, indeed, would cover it nicely.“

Ein bisschen gross tun ist hier bei einigem dabei. Da werden einem z.B. die Städte angepriesen und die Architektur gelobt. Dabei ist da nicht viel mit Architektur (die Briten sind hier auch erst 1850 angekommen, wenn ich mich recht erinnere, da ist also noch nicht soviel Zeit zum Aufbauen gewesen). Wenn ich an die europäischen Städte denke, fällt mir vor allem das Wort „dicht“ ein. Da gibt es französischen Käse im einen Laden, dann Tee aus China nebenan und viel H und M und Ikea. Hier ist die Auswahl an fast allem weit überschaubarer und Barock und Gotik gibt es halt nicht und Bilder natürlich auch nicht so viele. Natur und nur ein bisschen Kultur, das ist im Kern die Entscheidung, die man trifft, wenn man von Europa nach Neuseeland kommt.

Nun, weiterlesen kann nicht schaden, mein Geist hungert ein wenig. Ich werde mich durchs durchaus interessante Standardwerk über die neuseeländische Geschichte von Michael King graben und mich weiter mit Bennett amüsieren und dann zu Barry Crump, dem wilden Jäger und Fischer übergehen, der hier auch Kult sein soll. Und ihr müsst die Früchte dieser Studien ertragen, wenn Ihr wirklich fleissig weiterlest.

Eine weitere tolle Sache hier sind die Op (opportunity)- shops. Die Leute geben ihre alten Sachen ab und man kann sie dann für einen Appelunei erwerben. So kam ich zu meinem Neoprenanzug für lächerliche 25 Dollar, zu einem Buch und einer trefflichen Boxershort. Schätze, nichts als Schätze!

Nun geht es über Arthur's Pass morgen zurück an die Westküste, wo ich Dave Scott, Dan, Kath und Shea und John zu seinem Geburtstag wiedersehen kann. John freut sich schon viel zu sehr auf meine Wiederkehr, ich werde ihn bremsen müssen. Er hat extra für mich den Rasen gemäht und das Haus aufgeräumt (beides kann selbst bei laxen Standards zwar überhaupt nicht schaden, aber doch nicht für mich!) und will mit mir mit dem Helikopter irgendwo zum Wandern hinfliegen. Neues Jagen, neue Quellen und damit wieder Action der Outdoorart und womöglich ein Job in der Franz Josef Touribranche.

Montag, 26. Januar 2009

Die Kommunenstudie

Das Auto hat wirklich eine ordentliche Delle in der Stossstange. Oonagh ist daran nun schon oft vorbei, aber es scheint ihr einfach egal zu sein. Das wirft mich wirklich schier vom Hocker. Ich habe schon aus der puren Befürchtung heraus, das könnte ich gewesen sein, mit viel schlechtem Gewissen besonders viele Fenster geputzt und den Hof besonders penibel gekehrt. Kristallklar sehe ich da die deutsche Paranoia in mir, obwohl mir doch selbst Dellen im Auto auch herzlich egal sind. Und was das Arbeiten anlangt, bin ich auch getrieben. Viel machen, gut machen, schnell, schnell, schnell und jetzt lieber nicht mit den Kindern spielen. Blödsinn!!! Kinder sind doch viel wichtiger als ein gesaugter Boden, zumal, wenn sie so lieb mit mir spielen wollen.

Das Leben in der Kommune ist für mich sehr spannend. Heute hatte der knuffige rothaarige Quive (wie auch immer man ihn schreibt) seinen sechsten Geburtstag. Mit ihm habe ich schon einen ernsten Kissenkampf im Bett ausgefochten. Ich schenkte ihm einen sogenannten Greenstone, den mir Dan geschenkt hat. Dan meinte, der solle einem Glück bringen, aber er sei zum Weiterschenken. Eine tolle Sache eigentlich, ein Gegenstand, der einem nur etwas bringt, wenn man ihn jemandem gibt, der einem lieb ist. Ich glaube, Quive fand den Stein gut und ich habe mich auch gefreut. Heute waren dann auf einmal alle Kinder da und die Kommunenmitglieder kamen vorbei. Man guckte einen Kinderfilm zusammen und es gab wieder einmal der Welt beste belgische Schokolade auf Erdbeeren und mit Pistazien, Trockenfrüchten und Thymian. Wunderbar, wir kratzten noch die letzten Reste verstohlen vom Riesengemeinschaftsteller.

Vier kleine Kinder mit an den Strand zu nehmen hat seine stressigen Elemente, vor allem mit zwei kleinen schreienden Primadonnen. Dann aber wieder ist es einfach toll, dass man sich die Aufgaben abnehmen kann und eben manchmal keine Kinder hat. Es sind fast nur Frauen hier und ich blicke immer noch nicht durch, welches Kind denn nun von wem ist und welche Frau nun mit wem ein Verhältnis hat oder hatte. Aber eigentlich ist das auch wieder egal, solange sich wirklich alle sehr gern haben und das Gemeinsame nicht nur gespielt ist. Sie betonen die Liebe und meinen, das sei doch das Wichtigste für alle. Klingt nach unrealistischer Utopie, scheint aber hier doch erstaunlich gut zu funktionieren. Ich arbeite viel, ständig bin ich am Abspülen oder Rumräumen und merke, wie man sich wohl als Mutter einer Grossfamilie fühlen muss. Von wegen, das bisschen Haushalt!

Ich war schon zuvor wenig dogmatisch und tolerant, so hoffe ich zumindest. Hier merke ich, dass ich diese Toleranz auch fühle. Die praktische Erziehung für mich hier ist, dass ich eben nicht vor allem denke, sondern wirklich erlebe und mich bestätigt sehe. Ein klein wenig ist diese Reise auch so etwas wie eine Psychotherapie für mich. Ich scheine mich von den Sorgen zu befreien, die mir eh nie etwas gebracht haben. Vor allem also von zu grossen materiellen Fragen. Heute hat sich wieder einmal bestätigt, wie gut mich das Leben versorgt. Asiin hat gehört, dass ich nach Christchurch fahren will, um mir dort eine Mundharmonika zu kaufen. Seit Dan so bezaubernd auf der seinen spielte, will ich auch eine. Asiin meinte, ich würde nicht so lange warten müssen, ging in sein Zimmer, brachte mir eine, die in der DDR hergestellt wurde und meinte, ich könne sie gerne behalten. Was will ich also mehr?

Ich laufe an der herrlichen Küste, ich schwimme und ich geniesse es, Teil von dieser so anders gelagerten Gruppe zu sein. Was mir hier nie begegnet, ist Schwarzmalerei, Klagen, ewiges Grübeln. Es wird gemacht und zusammengeholfen. Und auch von der Finanzkrise spricht in Neuseeland keiner, zumindest nicht in meiner Gegenwart. Und wer täglich in seinen Dingen so beschäftigt ist wie meinen in irgendeiner Art als Biofarmer tätigen Menschen, der will am Abend irgendwann nur noch schlafen und nicht abstrakt grübeln.

Aber natürlich hat auch das wwoofen sehr viel mit Optimismus zu tun. Ich bin wieder auf einer Stufe des direkten Naturalientauschs angelangt- Essen gegen Arbeit. Da stehen die eigenen Vorlieben vielleicht ein wenig hintan, aber ich bin fast gezwungen, das Beste an jedem Ort zu sehen, was überhaupt nicht schwer fällt. Weder wenn ich bei Jane Buxton die Sterne durch das kleine Wohnwagenfenster sehe, noch, wenn ich hier die Katze Joey kraulend in meinem mit einem grossen Himmel überhangenen Bett auf die Bucht linsen kann.

Donnerstag, 22. Januar 2009

Schokoladige Leidenschaft




Jane Buxton habe ich nun wieder verlassen. Vorher hat sie mich zu einer Landmarksitzung mitgenommen. Landmark wurde von einem Amerikaner erfunden und scheint zumindest hier sehr populär zu sein. Es ist eine Art Riesenpsychogruppe, die versucht, die eigene Vergangenheit vollständig ad acta zu legen und neue Möglichkeiten für jeden zu schaffen. Man nimmt sich einfach einen Lebensbereich vor, denkt darüber in ein paar Schritten nach, mit ein paar Lebensweisheiten aus den verschiedensten Selbsthilfebereichen und schon wird alles gut. Für einen dieser Wochenendkurse zahlt man 625 neuseeländische Dollar. Das Versprechen ist, dass man im Gegenzug ein komplett neues Leben bekommt. Klingt natürlich gut und vor allem sind die Landmarkies unglaublich enthusiastisch auf Leutefang. So war ich also bei einer der Abendsitzungen dabei und sollte als Neuling angeworben werden. Man schreibt auf, was gerade nicht so gut läuft, überlegt sich, wie sich das genau anfühlt und überlegt sich dann, wie es sich anfühlen würde, wenn dieser Bereich gut laufen würde. Und schon dadurch hat man Schritte gefunden, wie man sein Leben ändern kann. Ich habe herausgefunden, dass sich ein anderes Leben leidenschaftlich anfühlen würde und dass ich mich eigentlich nur entscheiden muss, leidenschaftlich zu sein. Und das gilt freilich für alle Lebensbereiche. Nun, ich glaube, ich kann auch ohne Landmark ganz gut weitermachen.

Zudem heute ein Guru in mein Leben getreten ist... Jane und die Llamas habe ich in der Früh verlassen. Sie vereint das Intellektuelle mit dem Praktischen, ist sehr resolut und weiss genau, was sie will und was nicht. Das hat seine angenehmen und für den wwoofer auch weniger erspriessliche Seiten: Sie ist sehr penibel, was die Blättchen in ihrem Garten anlangt und liess mich den Wohnwagen zweimal mit dem Besen ausfegen. Sie duldet keinen auch noch so kalten Topf auf ihrer Holzarbeitsfläche und ermahnt einen sehr genau, wenn man den Wasserhahn vermeintlich zu fest zudreht. Da kann sie dann schon mal sehr belehrend werden.

Nun bin ich in Governor's Bay in der Nähe des kleinen Städtchens Lyttelton gelandet. Ich wwoofe hier bei „She Chocolate“, was meinen figurtechnischen Untergang herbeiführen könnte, wenn ich nicht wirklich aufpasse... Hier werden herrliche Pralinen produziert, ich helfe in der Schokoladenküche und erfahre viel über die geliebte Schoki. Besonders spannend ist, dass Oonagh, die Managerin des Ganzen, die mich hier aufgenommen hat, wirklich ganz anders orientiert ist als viele andere. Sie findet es schon gut, wenn ich im Haus helfe, aber sie schaut nicht auf die Uhr, wie lange ich arbeite und ich kann mir auch einfach einen Tag freinehmen, wenn mir danach ist. Sie meint, alle würden hier arbeiten, weil es ihnen Spass macht und alles andere sei nebensächlich. Oonagh ist Irin, hat früher irgendwie im Computerbusiness gearbeitet und ist irgendwann gereist. Hier hat sie als Geschenke feine Pralinen gemacht und Freunde haben sie ermutigt, daraus ein Geschäft zu machen. Das hat sie getan und kocht und kreirt nun selbst, voller Begeisterung für herrliche (belgische) Schokolade. Zwei Chocolatiers, eine gelernte, eine angelernte aus Schweden, helfen ihr dabei. Die Stimmung des Cafés ist wunderbar und die Pralinen sehen köstlich aus und sind es auch. Es ist viel los und alles scheint gut. Sie will, dass ich mich hier wohlfühle, teilnehme und wir voneinander lernen. Insgesamt leben hier fünfzehn Erwachsene und acht Kinder, verstreut in mehreren Häusern und dann gibt es eben noch die abendlichen Sitzungen mit dem Guru. Bei einer dieser Sitzungen war ich gestern und es hiess, es ginge um Familie und Freundschaft und Beziehungen. Um all das zu illustrieren, wurden kurzerhand zwei Buddhas vom Schrank geholt, die Schüler gruppierten sich um den Lehrer auf den Boden und gaben hie und da Seufzer der Erhellung von sich, wenn da von der grossen „oneness“ geredet und weiter eher wild assoziiert wurde. Es wurde auch gelacht, was die Sache etwas erleichterte, aber es war dennoch zu spüren, dass man gut daran tut, die Tieeeeefe der Erläuterungen in sich aufzusaugen. Nun ja, Philosophie studiert zu haben könnte bedeuten, dass man für einige tiefe Dinge nicht mehr so recht zu haben ist.

Was mich aber dennoch nachhaltig ins Denken gebracht hat, ist das folgende: da ich offenbar sichtbar müde nach der Belehrung war, bot mir Oonagh an, mit ihrem Auto nach Hause zu fahren. Erst fand ich es nicht im stockdusteren Garten und als ich es doch fand, hatte ich meine Probleme mit der riesigen Familienkarre und deren Automatikschaltung. Ich fuhr ausgesprochen vorsichtig zurück und fuhr wohl auch leicht irgendwo an, was mich aber nicht weiter irritierte. Nach einer Weile konnte ich das Riesending gut heimmanövrieren, wo ich es sicherheitshalber kontrollierte und eine ordentliche Delle in der Stossstange entdeckte. Oh Gott, war da das Entsetzen gross! Wegen genau solcher Dinge hatte ich nie ein Auto- einfach viel zu viel Stress. Ich konnte mir zwar nicht recht vorstellen, dass ich derart gecrasht war - das merkt man doch- schlief dann aber dennoch recht kurz und eher unruhig. In der Früh beichtete ich sofort und meinte, es könnte sein, dass ich ihr Auto zerkratzt hätte. Sie zuckte nur die Achseln, das sei ihr ganz egal, das Auto sei ihr nicht wichtig. Nun ist es halb drei und sie hat sich noch nicht einmal die Stossstange angeschaut. Ich bin weiter etwas nervös und vor allem erstaunt. Ich sah schon grosse Kosten auf mich zukommen, aber nichts dergleichen. Nicht einmal eine Rüge. Und ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich nicht arbeite. Aber ich muss ja nicht, alles ist ganz locker und lässig. Die Kinder sind nett und lustig, wir toben und es geht um Spass, Freundlichkeit und Zuneigung. Vielleicht werden diese Schokoladen hier wirklich mit purer Leidenschaft gemacht und die grosse Gelassenheit ist einfach allgegenwärtig. Das bin ich nicht gewöhnt. Wo ist das Überwachen und das Strafen? Hier gibt es also wieder sehr viel zu erfahren. Ich frage mich, ob eine solche Kommune durch einen spirituellen Leiter wie unseren Guru Brian Prior zusammengehalten werden muss, oder ob es auch so funktionieren kann. Funktioniert das überhaupt auf Dauer? Ich bin skeptisch. Was passiert mit Eifersüchteleien, was mit Anspruch auf Eigentum? Arbeitet wirklich jeder freiwillig? Wenn ja, könnte sogar das Konzept des Grundeinkommens aufgehen. Jeder bekommt Geld und macht dann, was er will und worin er glaubt, besonders gut zu sein. Ein wunderbares Experiment!!!

Es fügt sich für mich vieles zusammen. Ich merke, was ich auf meiner Reise lernen wollte und wie ich meine Lektionen tatsächlich nach und nach lerne. So vieles, was ich als selbstverständlich angenommen habe, wird hinterfragt. Wie Menschen zusammenleben, nämlich z.B. in Gruppen und nicht nur in Paaren, wie sie arbeiten, diszipliniert oder einfach nur mit Freude, worauf Menschen Wert legen, nämlich auf Geld, Besitz, Macht oder auch auf all dies gelassen verzichten. Vieles davon habe ich bereits gedacht und gehört, nun erlebe ich es. Es sind so viele praktische Lektionen, von denen ich profitiere und das Konzept, nun sozusagen vom Leben zu lernen, geht vollständig auf. Es ist nicht so wichtig, was man macht. Es kommt darauf an, dass man es mit Leidenschaft tut und den Platz findet, an dem man gut beitragen kann. Ich glaube, ich finde für mich heraus, dass es das Lehren ist, das besonders gut zu mir passt. Erfahrungen und Wissen weitergeben, das sollte den Unterschied für mich machen. Vor allem ist mir der Gedanke überhaupt kein Grauen, immer wieder mit Menschen zu tun zu haben, ganz im Gegensatz zu dem Gedanken, in einer Firma an einem Schreibtisch zu sitzen. Gefunden werden, das hat doch was! Erst mal werd ich aber noch ein Pralinchen aus der Box finden, die extra für mich auf dem Kühlschrank steht. Wie hab ich das verdient???

Mittwoch, 21. Januar 2009

Jane Buxton - Llamas und Bestseller für Kinder








Wir vermissen die Jungs. John und Dan waren einfach ein unfassbares Vergnügen mit ihrem wunderbaren wilden Naturprogramm. Und dazu so herzerwärmend liebe Menschen. Aber auch jetzt haben wir es wieder sehr gut getroffen, bei Jane Buxton, einer Kinderbuchautorin, die hier mit ein paar Llamas und einem japanischen Wwoofer lebt und unsere Hilfe und Gegenwart schätzt, weil es sich für sie anfühlt, als würde sie noch wie früher in einer Kommune leben. Aber alles der Reihe nach.

Richtig stolz waren Claudia und ich, dass wir nach einem Bad in einem der eisefrostekalte „blue pools“ einen herrlichen Platz zum wilden Campen fanden. Ein Flüsschen, eine Sandfläche und etwas Treibholz zum Feuermachen. Wir haben einen schönen kleinen Haufen geschlichtet und flott angezündet und schon konnten wir unsere Würstchen am Stock grillen. Hätte uns all das jemand organisiert, hätte es nicht besser laufen können. Lästig war dann nur, dass bei Sonnenuntergang alle Sandfliegen der Region beschlossen, sich über uns herzumachen. Eingemummelt mit nur einem winzigen Loch für die Nase in meinem Bivvybag killte ich Heerscharen der „native species“, was offiziell sogar verboten ist wie uns DOC- Profi John unterrichtete (wie ja auch das Possumjagen und viele andere der lustigen Dinge, die wir bei Dan unternommen haben). Nach Sonnenuntergang war dann aber weitgehend Ruhe bis wir in der Früh bei Sonnenaufgang wieder angefallen wurden. Da hiess es einfach weiterziehen, auf zum Lake Wanaka.

Dort konnte ich meine Sinne in einem kniffligen Museum täuschen, durchlief ein Labyrinth, bei dem man mindestens 1.5 km unterwegs ist, bei mir wars sicher mindestens das Doppelte. Bälle rollten in einem schrägen Raum scheinbar bergauf und von allen Seiten guckten mich Köpfe an, die sich scheinbar bewegten. Bei einigen Puzzles hatte ich die Gelegenheit, mich wieder einmal unfassbar dumm zu fühlen. Wanaka selbst ist ein Urlauberort, wo man viele Rennräder sieht und einen Paraglider anfliegen. Ein schöner See, nette Atmosphäre. Hier könnte ich Urlaub machen, wenn ich mich von meinem fulminant anstrengenden Farmerleben mal erholen mag.

Wir fuhren weiter, um den Mount Cook zu sehen, der mit seiner Höhe und dem vielen Schnee so leicht nun offenbar nicht zu besteigen ist und einigen Trainings, Kenntnissen und Ausrüstung bedarf. Ein Projekt für irgendwann also. Am Abend brachte uns Madaz brav nach Christchurch zu Martin und Anne. Sie haben uns ihr kleines Arbeitszimmer zur kuschligen Bleibe zur Verfügung gestellt und wir hatten ein wenig bayerisch-neuseeländisches Flair. Martin war katholischer Pfarrer in Altötting und hat bei einem Sabbatjahr als Anhalter durch Neuseeland festgestellt, dass das einsame Pfarrersleben nicht das Rechte für ihn ist. Nun lebt er hier als Lehrer an einer Steinerschule. Ein Jahr Ausbildung soll reichen, wenn man einen Uniabschluss hat, Lehrer sind hier weiter sehr gesucht. Eine spannende Option, er ist auch sehr glücklich damit. Wir haben lange zusammengesessen, ein bisschen bayerische Anekdoten eines Landpfarrers genossen und den neuseeländischen Lebensstil mit dem deutschen verglichen. Er hat einige Beobachtungen mit mir gemein. Hier ist es z.B. ganz üblich, immer mal wieder eine Auszeit zu nehmen, um z.B. zu reisen. Arbeiten ist nicht alles, man will auch leben. Vor allem verlässt man sich nicht vor allem auf den Staat. Was der Staat nicht macht, packt man eben selbst an. Überhaupt ist das Selbstanpacken ein ganz wesentliches neuseeländisches Element und da wird dann auch nicht gezögert, auch die Mädels mal härtere Arbeit wie Holzhacken machen zu lassen. Wer hier als Farmer lebt oder in einem sogenannten Lifestyle Block, einem Haus mit einigem Land und Tieren aussenrum, dem bleibt gar nichts anderes übrig, als patent zu sein. Man macht sich weniger Sorgen und denkt nicht an die ferne Zukunft, sondern mehr an die Gegenwart und vielleicht ein Jahr weiter. Die Werte hier sind andere und mir wird immer klarer, dass die Option, die viele Menschen in Deutschland wählen eben eine Option ist. Ausbildung, Karriere, Haus, Auto, Kind.


Christchurch selbst ist eine Stadt mit 344.000 Einwohnern. Martin klagt über die oft miserable Architektur, aber letztlich liesse es sich dort doch ganz gut leben. Wir haben nach langer Zeit wieder einmal einen feinen Film genossen und durch Buchläden gestöbert. Das Stadtleben ist fast ungewöhnlich für uns nach all den Landabenteuern. Aber auch hier zeigt sich: das Land ist nahe und am schönsten ist es, die Vorteile von Land und Stadt zu haben. Ein bisschen was zum Gucken und fürs Köpfchen, aber eben auch Natur und Tiere.

Nun sind wir also bei Jane Buxton, der Kinderbuchautorin, die Philosophie studiert und als Lehrerin gearbeitet hat. Sie lebt von ihren Kinderbüchern und hat Spass an ihren Llamas, die wir heute beim Paaren beobachten durften. Llamas sehen wirklich putzig aus, Claudia meint, sie seien ein wenig wie Ausserirdische, die einen erstaunt anschauen. Wenn man den Kopf ganz ruhig vorstreckt, geben sie einem ein Küsschen. Sie spucken Menschen eigentlich nie an, nur in unseren Zoos sind sie wohl so unglücklich, dass sie es für nötig erachten. Jane ist sehr interessant, mit einem strikten Tagesablauf und einem scharfen Sinn für Humor. Sie ist ehrlich interessiert, fragt viel und ist eine spannende Gesprächspartnerin mit einer Leidenschaft für Bücher und Gedichte. Ich mag die Kombination aus Zupacken und intellektueller Arbeit. Sie weiss, dass sie es gut hat und strahlt soviel Schwung aus, wenn sie durch ihren Garten joggt oder auf ihrem Mähertraktor über die Wiesen jagt. Und dabei ist sie lange nicht so jung wie sie wirkt.

Claudia verlässt mich am 20. Es wird ungewöhnlich sein, nun wieder alleine weiterzumachen. Ich werde ein paar Tage in einer Chocolaterie verbringen und mich dann an der Ostküste gen Süden aufmachen, um auf dem Feld zu arbeiten. Ich freue mich auf einen Job, der länger andauert als meine Wwoofereien. Dennoch bin ich hier dafür sehr dankbar, lerne ich doch so viel verschiedene Dinge und vor allem so tolle und jedesmal ganz andere Menschen und deren Vorstellungen von einem guten Leben kennen. Nach und nach sehe ich, wie es gehen kann.

Montag, 12. Januar 2009

Immer wilder bei Dan







Die letzten Tage waren mit soviel action gepackt, dass ich einfach überhaupt nicht zum Schreiben kam. Ich vermisse es und natürlich auch das Lesen. Und wenn ich gar nicht zu solchen Dingen komme, dann fehlt mir einfach ein wichtiger Teil: nicht immer nur machen, sondern auch mal denken will ich.
Mit Dan hatten wir dann wirklich noch sehr viel Spass. John, ein Freund von ihm, kam ausserdem übers Wochenende vorbei. John arbeitet hier im Department of Conservation (DOC). Sie kümmern sich um die Wanderpfade hier, schneiden Bäume, machen neue Pfade, bauen Brücken und gucken, dass alles gut erhalten ist, indem jeder Pfad alle drei Monate abgelaufen wird. DOC ist im Grunde die staatliche Einrichtung für den Umweltschutz.
Aufstehen war in „Wildside“ etwas, das auch gut mal gegen zehn stattfinden konnte. Und auch das Arbeiten war eine eher relaxte Angelegenheit. Unkraut musste gerupft und der Rasen gemäht und kleines Brennholz gehackt werden. Unsere Gastgeber Dan und Kath achteten aber genau darauf, dass wir auch nie mehr als vier Stunden arbeiteten und auch währenddessen noch unseren Spass hatten. Dan war begierig, uns vieles zu zeigen. Wir sollten die Bienen sehen und seine Dieselmaschine, die in seinem riesigen Workshop die Sägen und andere Holzinstrumente antreibt. Ihn lernten wir erst an unserem zweiten Tag kennen, als er sich gerade zu einem Job auf einem nahe gelegenen Bauernhof aufmachte- vor einer halben Stunde hätte er schon dort sein sollen. Aber da war wieder mal das gute „Take it easy“ Prinzip angesagt- nur nicht hudeln, der ist eh froh, dass ich ihm helfe, meinte Dan. Ausserdem muss schon was passieren, dass er sich aus seiner Ruheständlerlaune herausreissen lässt. Und das mit Anfang vierzig. Hier gibt es doch ganz andere Lebensmodelle als die, die ich aus Deutschland kenne. Arbeiten kommt relativ weit hinten, vor allem soll es nie nur darum gehen, Geld zu verdienen. Bei Dan und Kath geht es darum, Zeit mit Shea, der hübschen und glücklichen Kleinen zu verbringen, jagen und fischen zu gehen und zu essen, was man erwischt oder im Garten anbaut. Wir haben dort wieder ein ganz anderes Verhältnis vor allem auch zum Essen bekommen.
Früh aufstehen war also nicht angesagt, dafür hat sich der Abend dann aber doch hingezogen. Nach der Arbeit wurden wir in der Gegend herumgeführt, durften auf einen grandiosen Aussichtspunkt laufen und waren sogar mit dem Pickup durch kleine Bäche gen Meer unterwegs. Dort wurde die Angel rausgeholt und ins Wasser geworfen. Bei strömendem Regen sassen wir im Auto, ausgerüstet mit einigen Bieren und guckten auf die Angel, die an der Stossstange befestigt war. Nach nicht allzu langer Zeit hatten wir einen kleinen Hai gefangen, den es mit leckerem Kartoffelbrei zum Abendessen gab. Komisch, dass Claudia sich dann doch entschied, in diesem Teil des Meeres nicht surfen zu gehen, schliesslich sei das hier vermutlich nicht der Haikindergarten, sondern Mami vermutlich auch noch in der Nähe. Nachdem wir grosse Mengen Treibholz zum Feuermachen am Strand in den Pickup geworfen hatten, packte John seine Waffen aus, um mit einer Pappscheibe zu testen, wie sie zu handhaben sind. Ich durfte meine alten Luftgewehrkünste unter Beweis stellen, auch wenn die Jagdgewehre doch ein wenig ernstzunehmender sind, hat mich John schiessen lassen. Überhaupt haben wir vor allem genossen, dass wir nicht wie blöde kleine Mädels behandelt wurden, sondern den ganzen Jungsspass mitmachen durften. Von Zimperlichkeiten in keiner Hinsicht eine Spur. Kath war mit dem Baby daheim, wir gingen spielen. Nach dem Abendessen gemütlich ins Sofa des chaotischen kleinen Häuschens gekuschelt, dachten wir, nun sei der Tag zu Ende. Aber nein, die Herren beschlossen, es sei ein schöner Abend, der ja nun gerade anfinge (es war elf), da müsse man die Schaufeln in den Pickup werfen und einen schönen heissen Pool graben. Dass es regnete, war natürlich totale Nebensache. So gings auf gen Fluss, genau dorthin wo ich schon am Vortag war und nichts gefunden hatte. Munter wurden die Löcher gegraben und es war ein herrliches Erlebnis im warmen Wasser herumzuliegen. Irgendwann zeigten sich sogar Mond und Sterne, allerdings verhielt sich auch unser Pool ungebührlich und leckte entweder oder wurde schlicht viel zu heiß. So kamen wir dann doch gegen eins heim und legten uns in die alten knarzenden Bettchen. Am nächsten Tag ging es nach ein bisschen Arbeit zu einem tollen Aussichtspunkt, durch Wasser und über Stock und Stein. Dan zeigte uns die Pflanzen, die man im busch essen kann oder mit denen man Dinge zusammenflicken kann. Unser Wikinger hat auch was von einer Kräuterhexe. Lauter Dinge natürlich, die er sich selbst angeeignet hat. Am Meer waren einige Felsen, so entschied er spontan, dass wir auch ein paar Muscheln essen könnten und so gingen wir Mädels in die Wogen, um die Muscheln zu pflücken. Keine leichte, aber eine lustige und kulinarisch wirklich lohnende Angelegenheit. Nach dem Abendessen stand Aalfischen mit modrigen Eier auf dem Programm, was auch wieder gut funktioniert hat. Da auch das noch nicht reichte und es wieder erst elf war, hiess es, man müsse noch etwas Spass haben und nun gings zum Possumjagen. Wir fuhren also mit dem Pickup in den Busch, John musste sich auf das heruntergekurbelte Fenster setzen und sich am Türgriff festhalten und hing nach draussen, während Dan das Auto ziemlich nahe an die Bäume fuhr und John halb spassend jaulte. Possums sollen fast wie Hasen schmecken, nur das Fell lässt sich schlecht abziehen, daher hat man sich entschlossen, sie als Aalbeute zu verwenden, nur leider wollte keiner mehr beissen.

Am nächsten Tag gab es noch eines der berühmten Danschen Egg und Bacon Frühstücke und wir wurden nach herzlichen Umarmungen eingeladen, doch bald wieder zu kommen. Nun ging es weiter mit John, der uns den Gletscher hier auf verschlugenen und mit Seilen und Leitern ausgerüsteten Pfaden zeigte. Wir stiegen durch Bäche und ich war heilfroh um meine soliden Wanderschuhe.

Gestern hatten wir einen entspannten Tag mit einer zweistündigen Joggingrunde über Stock und Stein. Ich war überrascht und glücklich, noch so fit zu sein, das so locker machen zu können. Wieder gings durch Bäche und an Flüssen entlang mit kleinen Klettereinlagen. Besonders beeindruckend war ein Tunnel, das für die Wasserzufuhr in einem Jahr Arbeit 17irgendwas gesprengt wurde und nun mit Taschenlampe durch knöcheltiefes Wasser durchwandert werden kann. Ein bisschen leuchten dazu noch die grünen Glühwürmchen. Sicher nichts für Leute mit Platzangst, wenn man weder Ein- noch Ausgang mehr sieht und nicht recht weiss, wo all das hinführt.

John ist chaotisch, raucht viel zu viel und trinkt viel zu viel, ist aber doch ein sehr lieber und sehr herzlicher Mensch, der uns seine Welt hier zeigen wollte und uns nun kaum mehr gehen lassen will. Da gibt es die Natur und das Spielen für die grossen Jungs. Ein bisschen ist das wie ein Surferleben. Das macht Spass, aber mir würde auf Dauer doch was fehlen. Aber wir wollen weiter, es wartet noch so einiges auf uns, das ist klar. Unter anderem eine Nacht wild campend im Auto und danach Christchurch, wo wir bei Bekannten übernachten.

Into the Wildside






Auch wenn Dave mir mehrmals sagte, dass wir wirklich nicht fahren müssten und dass er uns dabehalten will, rissen wir uns dennoch los. Der Gute. Er hat extra für uns am Vorabend noch Haferflocken eingeweicht und sein berühmtes Porridge in der Früh bereitet. Ich glaube nicht, dass er oft kocht. Aber als einer der Älteren von neun Geschwistern hat er doch gelernt, wie man das rechte Frühstück aus günstigen, aber guten Zutaten macht. Nie wieder ein anderes Porridge, klare Sache! Durch uns ist ihm wohl wieder aufgefallen, dass es schon auch schön ist, Gesellschaft zu haben und nicht nur immer so ganz allein vor sich hinzuwurschteln. Couchsurfen ist eigentlich eine wunderbare Erfindung für einsame Menschen. Er meinte, wir könnten natürlich auch jederzeit sehr gerne wieder zu ihm kommen. Da wartet dann das Bett mit dem dunkelroten Glanzüberwurf auf uns und das Haus mit den vielen kleinen Fässern, die er sammelt und einigen Figuren und Bildern, die er sammelt. Ich denke an ihn und daran, wie er uns nun vermutlich gern um uns hätte. Aber 1. stinkt der Gast am dritten Tage und 2. wollen wir schliesslich noch mehr sehen als das wirklich verschlafene Ross.

So fuhren wir weiter gen Hari Hari, zu „Wildside Backpackers“, wo wir nun unsere Tage mit vier Stunden Arbeit täglich verbringen. In der Nähe gibt es viel zu tun: man kann eine Seehundkolonie besuchen, es gibt sogar einen surftauglichen Strand und vor allem heisse Quellen, die man sich allerdings selbst ausgraben muss. Claudia wollte Wellen gucken, ich lieh ihr mein Auto, ich wollte lieber Quellen graben und lieh mir ein altes Klapperrennrad, mit dem ich mich munter zum Waganui River aufmachte, der einige Wege und eine halbe Brücke vor kurzem weggespült hat. Alles kein Problem für die mit Schaufel bewaffnete Potzleryn, die sich nicht nur mutig durch den Busch schlug, sondern auch die Brücke kraxelnd erklomm und das Fahrrad eben über Zäune hob. Die Landschaft am Fluss war wunderschön, nur ich leider zu unerfahren, um am rechten Ort zu graben, so dass ich ungebadet zurückkehrte. Schon toll, dass hier das unterirdische Vulkangestein das Wasser erhitzt. Ich gebe nicht auf, morgen werde ich wohl nochmal dort suchen, barfuss, wie man mir empfahl, soll ich den Sand nach Wärme abtasten und dann das Graben anfangen.

Die rechte Wucht freilich ist hier unser Hostel, das im Wwoofbuch als lebendes Museum beschrieben wird. Momentan sitzen wir auf fünfziger Jahre Sofas und hören eine Bob Dylan Platte vor unserem offenen Feuerplatz. Wir haben ein Haus für uns allein, in dem die Backpacker untergebracht werden sollen. Kath, unsere Gastgeberin, meinte, sie wolle nicht in den Lonely Planet, sonst wäre hier entschieden zu viel los. Wir verbrachten unsere Arbeitsstunden mit einem Frühjahrsputz für Fenster und Böden. Es hat uns wirklich Spass gemacht, mal wieder anzupacken und morgen werden wir aufs Unkraut losgelassen und sollen mit dem Hochdruckreiniger Platten säubern. Im Gegenzug gabs eine Führung durch das hübsche Anwesen mit eigenen Bienenstöcken und jeder Menge Honig und vor allem leckeres Essen. Highlight war der Wildtopf mit selbst geschossenem Hirsch. Da es zum Angeln zu schlechtes Wetter war, konnten wir das bei Dave nicht erleben, Dan allerdings, Kaths Mann, der mich sofort an einen Wikinger erinnert hat mit seinem roten Bart und seinen langen Haaren, nimmt uns vielleicht mit zum Forellenfischen, wenn wir brav unser Feuerholz morgen vom Strand gefischt haben. Die beiden haben auch eine eineinhalbjährige blonde Tochter, Shea und eine Mieze, Smokey. Sie wirken eher wie Hippies, also wieder ganz anders als die Menschen, die ich vorher getroffen habe und leben hier den Traum vom autarken Leben mit einer feuerbeheizten Wanne im Freien und einer sehr geschmackvollen Urlauberlodge ohne Strom und mit Gas mit recyclten Materialien.

Wwoofen hat im Vergleich zum Couchsurfen den Vorteil, dass man einen klaren Deal eingeht: Arbeit gegen Essen und Schlafen. Beim Couchsurfen gilt es, sich weit mehr an die Gastgeber anzupassen, die einen schliesslich aus reiner Menschenliebe beherbergen und womöglich durchfüttern. Jedenfalls ist es interessant, auf Tauschbasis zu leben, die nicht über Geld, sondern über Naturalien oder schiere Freundlichkeit läuft. Und es ist wirklich nicht so, dass man viel Geld braucht, um die guten Dinge zu erleben.

Mittwoch, 7. Januar 2009

Von grossen Autos und Menschen






Irgendwie ist alles doch sehr lustig, natürlich vor allem, wenn mans lustig nimmt und ganz fest beschlossen hat, das Leben zu geniessen. Aber ganz der Reihe nach. Die gute Nerissa hat uns zu einigen Autos in Nelson gefahren und ich habe mich nun für einen matt-schwarzen Mazda station wagon (sowas wie ein Passat) entschieden. Die Probefahrt war auch wirklich überzeugend, irgendwie ist das halt ein „pures“ Auto, ganz ohne Schnickschnack. Bis auf den natürlich, dass man rechts sitzt und immer den Scheibenwischer anmacht, wenn man blinken will. Daran erkennt man die Europäer: sie haben ihre Scheibenwischer bei strahlendem Sonnenschein an. Das Auto wurde für 1000 Dollar gekauft (in der Hoffnung, es später wieder für denselben Preis zu verkaufen), innen und aussen geputzt, wobei wir auch eine Plastikfigur fanden (Blossom the Powerpuff), die nun auf der Ablage cool mitdüsen darf. Mein erstes Auto, das ist doch aufregend. Ich glaube, ich hole hier auch Erfahrungen nach, die andere Leute unter zwanzig gemacht haben. Besonders nett ist, dass einer der Vorbesitzer die Buchstaben „MAZDA“ zu „MADAZ“ umgeklebt hat. Hier sagt man im Slang „Sweetas“, was volle Zustimmung oder Begeisterung ausdrücken soll, irgendwas Richtung „coooooool“ jedenfalls. Ich überlegte mir schon, ob das bunte Anmalen des Autos die Coolheit erhöhen oder mindern würde.

Am nächsten Tag machten wir uns mit frischem Öl, vollgetankt und nach einer dicken Umarmung von Nerissa, Darren und dem aufgekratzten Ian auf den Weg zur Küste nach Westport mit dem Ziel „Ross“ vor Augen. Das kleine Städtchen liegt an der Westküste und Dave Scott, ein weiterer Couchsurfer wollte uns aufnehmen. Anfangs noch etwas mulmig gewöhnte ich mich bald daran, nun stolzer Autobesitzer zu sein und hielt mir stetig die Vorteile vor Augen: ich kann leichter zum Wwoofen kommen, ich muss weniger planen, kann auch mal spontan im Auto übernachten, Benzinkosten mit anderen teilen und vor allem anhalten, wo auch immer es gerade was zu sehen gibt. Ich kann mein Gepäck herumfahren und muss es nicht tragen, sogar Claudias Surfbrett hat bequem Platz. Und, Hauptargument: es ist die billigste Variante, hier herumzukommen. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind so wie das Handynetz: nicht existent oder etwas mickrig und teuer. Claudia und ich unterhielten uns über die schönen Surfstrände, an denen wir einfach Halt machen könnten und darüber, dass wir eigentlich auch gern mal angeln würden. Kurz vor Westport, also nach den ersten hundert Kilometern, gings dann dahin mit der Freude: bei Rechtskurven machte das gute Stück seltsame Geräusche, ganz als würde ein Blech schleifen. Ich war dafür, in die nächste Autowerkstatt zu fahren, die wir in Westport fanden. Wir gingen Essen kaufen im Supermarkt, die Mechaniker dort guckten sich das Auto an. Nach einer Stunde kamen wir wieder und es war klar, dass das Lager des vorderen linken Reifen gebrochen war. Sie hatten ein neues Second Hand Lager eingebaut, das mit 160 Dollar samt Einbau nicht unfassbar teuer war. Ich grummelte kurz, dass ich ja schon immer gesagt hätte, dass man mit einem Auto nur Scherereien hätte, dann war aber doch wieder alles gut und wir fuhren die beeindruckenden Pancake Rocks an.

Die Felsen waren früher im Meer, wurden dann an Land geschoben und sehen aus, als würden Pfannkuchen übereinander geschichtet. Warum genau sie Schichten haben ist unklar. Jedenfalls spült das Meer gewaltig dort hin und höhlt sie aus, wobei auch die sogenannten „Blowholes“ entstehen, Löcher, die wie eingefräst und sehr dynamisch aussehen. Ein ziemliches Naturgewaltenspektakel, zumal, wenn man bedenkt, dass das Meer sozusagen die Felsen wieder zurückfordert, ganz langsam, aber sicher. Wir kriegen sie eine Weile zu sehen, was dem Meer natürlich auch wieder wurscht ist. Dieser kleine Ausflug hat mir eine hübsche grüne Sweatjacke beschert, die jemand dort liegengelassen hatte. Nachdem wir lange dort waren und sie niemand holen kam, ging sie in meinen Besitz über, wo sie nun einer gründlichen Wäsche unterzogen ward.

Noch beschwingt von der Naturschönheit fuhren wir mit 80 km/h weiter. Geschwindigkeitsbegrenzung war 100 km/h und die Strasse sehr gewunden, auf und ab. Dann hörten wir eine Sirene hinter uns- ein Polizeiauto mit blinkenden Lichtern. Claudia war gefahren und wir erschraken beide. Sie fuhr zur Seite- klar, mit Scheibenwischer und ohne Blinker, der Polizist hielt hinter uns. Ganz wie im Hollywoodmovie stieg er besonders betont cool aus und zog sich erstmal seine knallorange Polizistenweste über. Wir machten die Türen auf und er fing das Schimpfen an: was uns denn einfiele, hier so langsam rumzugurken, es sei doch ganz klar, dass er hier vorbeiwolle und es sei schliesslich nicht jeder wie wir im Urlaub. Es wäre doch eine Sache des gesunden Menschenverstandes erst mal auf die Seite zu fahren, wenn so ein schnelles Auto wie das seine des Wegs käme. Er wollte Führerschein und überprüfte unseren TÜV, der hier WOF (warrant of fitness) heisst und alle sechs Monate stattfindet. Da war freilich alles gut, das Auto ist noch bis Ende Juni geprüft und wir kamen so davon. Das muss man sich mal im Hirn zergehen lassen: ein Polizist, der einen animiert, doch schneller zu fahren. Und das in einem Land, in dem seit Weihnachten 24 Menschen in Autounfällen gestorben sind. Wir trafen kurz darauf ein Paar im Campervan, der ein Schild hatte: „This is a slow vehicle. Please be patient“- auch sie hatten schon schlechte Erfahrungen, aber vor allem mit Stinkefingern anderer Autofahrer gemacht.

Und schliesslich kamen wir doch in Ross an, hatten auch schon die Adresse von Dave Scott, der uns einfach Licht und Stereoanlage angemacht hatte, die Haustür weit offen mit der Aufforderung daran, wir sollten es uns gemütlich machen und uns ganz zu Hause fühlen. Da war ich wieder mal fassungslos- das ist in Deutschland doch absolut undenkbar. Wir hörten nette Musik (neuseeländische Sängerin, Bic Runga), kochten uns Nudeln mit Thunfisch und Tomaten und machten uns dann zum einzigen Hotel des Örtchens, dem Empire Hotel, auf. Dort ist Dave Barmann. Anfangs war er ein bisschen nervös und errötete und die locals guckten auch recht neugierig. Kein Wunder, in Ross hatten wir ausser im Pub keine Menschenseele gesehen. Und wir waren schon drei Stunden dort.

Dave lernten wir heute beim Frühstück besser kennen. Er war früher Manager eines Weinguts und wurde dort vor einigen Monaten entlassen. Er hat das wohl gut gemacht, hatte aber keine Ausbildung für diesen Job. Nun arbeitet er eben hier in der Bar. Er hat zwei Söhne und ist geschieden. Er verbringt wohl die meiste Zeit mit der Renovierung seines alten, aber schnuckligen Hauses, immer eine Zigarette im Mund, selbst in der Früh in Heerscharen gerollt. Er hat Papageien und vor allem Rocky, den extrem anhänglichen und mittlerweile tauben kleinen Hund, der Possums jagt und isst, die weit grösser als er selbst sind. Um sie zu töten, packt er sie am Schwanz, schleudert sie einem Lasso gleich im Kreis herum und beisst dann in ihr Genick. Das wird so oft gemacht, bis sie tot sind. Dann frisst er das ganze Vieh auf und lässt nur die vier Pfoten über, die ihm offenbar nicht munden. Possum soll wie Hase schmecken. Die er natürlich auch trotz seiner fortgeschrittenen 17 Jahre gern mal als Happen zwischendurch zu sich nimmt. Dave zeigte uns die Gegend, bei strömendem Regen in seinem vierradbetriebenen Jeep, den er auch sicher durch einen Fluss steuerte. Zum Fischen war das Wetter leider zu schlecht. Er setzte uns an einem Wanderweg aus, der mit zwei Stunden beschrieben war, den er aber als halbstündigen Spaziergang abtat. Er wolle uns am anderen Ende abholen. Wir liefen munter los und hatten bald die Entscheidung zu treffen, ob wir nach rechts oder links weiter wollten. Ausgesetzt im Busch fühlten wir uns ein wenig wie Hans und Grete. Nach einer Stunde strammeren Ganges durch morastiges Gelände im hiesigen Regenwald kam uns dann Rocky entgegen und Dave hockte lässig auf einem Zaun, um uns wieder heimzukarren, wo wir ihn mit Gemüsereis und Hähnchenflügeln bekochten, was ihn sehr freute. Um sechs ging seine Arbeit in der Bar wieder los und er zeigte uns seine Schublade mit DVDs. Beim Draufgucken meinte er: die könnt ihr alle gucken und sah dann seine Pornos, die er kurz verschämt kommentierte: bis auf die. Dann meinte ich: och, wie schade, gerade die wollten wir schauen. Dann meinte er, gut, dann müssten wir aber mit ihm schauen. Wir hatten Spass, zumal er nun wirklich aufgetaut ist. Ein ganz anderer Charakter wie alle anderen bis dato, aber wirklich auch sehr liebenswert und sehr verschmitzt. Man wünscht ihm eine nette Frau, sofern er nicht mehr alleine leben mag. Weiter ist es sehr schön, dass wir das Gefühl haben, als Fremde zu kommen und als Freunde zu gehen. Wir sind sehr willkommen und werden sehr lieb empfangen. Couchsurfer sind schon eine besondere Gruppe: sehr offen, sehr interessiert an anderen und ihren Kulturen und sehr grosszügig. Sie erwarten keine Gegenleistung und nehmen einen herzlich in ihrem Haus auf, ohne einen vorher gross zu kennen. Es kann sich nicht vor allem um Geld drehen im Leben, das glaube ich einfach nicht.

Gerade schreibt noch Nerissa über uns: „These two ladies are FAB!! They are a wealth of knowledge and so much fun...Andrea loves boardgames which pleased my family. Overall it was a
wonderful experience and I wish them both well on their travels around NZ and the rest of the world!! They also cooked a lovely traditional meal....which was excellent!!“

Das Wetter klarte unerwartet auf und wir beschlossen, noch ein paar Wellen anzugucken. Wir fuhren mit dem Auto, den Luxus können wir uns nun nach einem morgendlichen Lauf und dem Spaziergang durchaus gönnen. Claudia ging mit Flipflops ans Meer, die sie schon immer gerieben hatten. Die Wellen sind hier nicht hoch, aber sehr kräftig und zogen ihr einen Schuh von den Füssen. Sie meinte achselzuckend, das sei ein Zeichen, das Meer hat sich ihren Schuh geholt und will sie nicht mehr leiden sehen und warf den anderen gleich hinterher. Munter fuhren wir heim. Dort bemerkte ich, dass ich einen Flipflop offenbar vor dem Auto stehen hatte lassen und fuhr nochmal zurück, wo mich ein lachendes Paar im Campervan empfing. Ich parkte das Auto an der Düne, so dass ich und sie dort standen. Ein wirklich geräumiger Platz- und plauderte mit den beiden. Darüber, dass sie hier mein schickes neues Auto vor sich hätten, das ich gerade eben als das Erste meines Lebens erworben hätte. Dann kam ein Jeep mit einem älteren Paar, fuhr gen Meer, das Paar blickte aufs Meer und dann setzte der Fahrer zurück. Mit Schwung und direkt in mein Auto, schob es gleich vierzig Zentimeter durch den Sand. Direkt hinter dem Tank hatte er meinen armen Madaz aufgegabelt. Mir ging nur noch der Kinnladen runter. Dann hielt der Jeep, der Mann stieg aus und ich stellte fest, dass es ein Freund von Dave ist, der heute in der Früh Eier vorbeigebracht hatte. Seine Frau war entsetzt. Wir guckten die kleine Delle an und ich musste natürlich lachen. Im Grunde war ja nichts passiert. Er entschuldigte sich, fragte, was er machen könnte und meinte schliesslich, das würde gut zur Delle vorn passen. Er geht morgen fischen und vielleicht kommt er nochmal in der Früh vorbei, bevor wir weiterfahren. Zum späteren Abendmahl hab ich mir jedenfalls noch zwei seiner Eier in die Pfanne gehauen.

Morgen geht es weiter nach Hari Hari, das gar nicht weit von hier ist. Dort wwoofen wir zusammen auf dem Hof „Wildside“ mit Bienen, das sich als lebendes Museum im Fünfzigerjahrestil bezeichnet, da es dort keinen Strom und eine Komposttoilette gibt. Sowas hatte Hundertwasser im Sinn, vielleicht haben sie sein Modell nachgebaut. In der Nähe sollen heisse Quellen zum Baden sein, die wir auch besichtigten wollten und womöglich dürfen wir mit zum Jagen und Angeln. Dort wird laut Beschreibung gegessen, was sie fischen und jagen. Wir fühlten uns an die Beschreibung eines Wildfood Restaurants mit dem Motto „You kill'em, we grill'em“ erinnert, wo man die überfahrenen Possums und andere Tiere verspeist. Hier gibt es auch das Wildfood Festival jedes Jahr, zu dem auch Dave schon das fünfte Mal als einer unter 18.000 Leuten gegangen ist: da wird dann alles Getier aufgetischt, das hier so herumfleucht oder eben gerade nicht mehr.

Wir haken die Liste der spannenden Dinge, die es hier zu erleben gibt, recht flott ab und schätzen unsere Gesellschaft sehr. Allein kann das Couchsurfen etwas weniger komfortabel sein, zu zweit haben wir ein echtes Vergnügen daran. Gut ist vor allem, dass Claudia sich ebenfalls für alle möglichen Dinge von Sport und Kultur und Natur zu Arbeit und Menschen interessiert. Mit ihr lässt sich alles wacker, fröhlich und unverdrossen anpacken. Trotzdem sind wir froh, allein zu reisen. Wir mögen unsere Gesellschaft, die sich so zufällig ergeben hat, sehr, aber es ist auch gut, sich dann wieder allein zu orientieren. Nun haben wir aber noch zwei Wochen, die wir sehr sparsam, aber sehr erlebnisreich mit couchsurfen, campen und wwoofen verbringen werden. Möge uns Madaz sicher und gnädig an alle herrlichen Orte zu lauter netten Menschen bringen!

Sonntag, 4. Januar 2009










Soviel action auf einem Haufen, dass ich gleich gar nicht mehr zum Schreiben komme. Claudia und ich wurden von der netten Stef, der Besitzerin des Bayview Backpacker Hostels zu unserem Wassertaxi gefahren.Gut beladen mit Essen für drei Tage und geliehenem Zelt und Kocher machten wir uns auf zur Vogelinsel Matuara. Dort haben die Vögel keine Fressfeinde, man kann blaue Pinguine beim Brüten beobachten und die kleinen Vögelchen baden unverfroren vor der menschlichen Nase. Dazu lieblicher Gesang, der mir in der Form neu war. Nach eineinhalb Stunden auf der kleinen Insel mit herrlichem Rundumblick auf kristallklares Wasser und weitere Inseln wurden wir zu Ships Cove geschippert, der Bucht, an der James Cook mit seinem Schiff mit besonderer Wonne angelegt haben soll. Der Service war grandios, mussten wir doch nur einen Tagesrucksack auf die 72 km lange Wanderung auf dem Queen Charlotte Track mitnehmen, der Rest wurde uns zum jeweiligen Campingplatz gefahren, ohne Aufpreis. Die Wanderung selbst war mit drei Tagen ein bisschen ambitioniert, aber machbar und die Natur wunderschön. Herrliches hellgrünes und blaues Wasser, ein paar Segelboote und immer wieder ein toller Rundumblick von den Hügeln, die bis zu 400 m hoch waren. Einen richtigen Lärm machten ca. zwei Zentimeter grosse Insekten, dazu der muntere Vogel Tui und die Weka genannten Laufvögel, die den berühmten Kiwis ein bisschen ähneln. Ich habe es mir zum Hobby gemacht, die Vögel nachzuahmen und nachdem Claudia ein wenig flotter lief, war das ein lustiges Gepfeif. Die Wanderung selbst war in gewisser Weise idiotensicher. Ein Pfad, ca. einen Meter breit und im Grunde kein Weg, den man falsch gehen konnte. Ein bisschen wirkte es daher für mich wie eine Spielzeugwanderung. Kompass und Karte wären hier lächerlich gewesen. An unserer ersten Station nach ca. 800 hm und 27 km Weg bauten wir munter unser Zelt auf und machten uns daran, unser Abendmenü zu wärmen. Leider hatten wir prompt eine unserer Futtertüten vergessen und improvisierten daher mit Blattsalat zu den Nudeln. Im Grunde hatten wir am Ende die Lehre, dass wir viel zu viel eingekauft hatten- es ging einfach auch so.

Das neue Jahr wollten wir schlafend begehen, das allerdings hat nicht so ganz geklappt, da wir durch einen eigenen Swimmingpool im Zelt mehr Luxus als erwartet gebucht hatten. Leider war der Pool kalt und zum Regen kam ein ein kräftiger Sturm, bei dem wir bei jeder grösseren Böe fürchteten, dass das Zelt zusammenkrachen würde. Was es auch prompt tat. Wir verbrachten daraufhin die Nacht draussen, der Regen hörte auf und es zeigten sich Sterne. Ausserdem wünschten wir uns ein Guats Neis als Ihr gerade am feiern wart, also auf der Wanderstrecke um zwölf mittags am nächsten Tag.

Ich fühle mich ein bisschen, als würde ich eine Zeitreise machen. In Indien war es die Kultur, hier ist es die Natur, die mich zurückbeamt. Alles wirkt frisch, unverschmutzt. Die Kühe stehen auf der Weide, die Butter schmeckt wunderbar danach. Und die Wälder sind Mischwälder mit vielen Tieren, den bunten Vögeln, den allseits gehassten dicken Possums, kleinen Salamandern und vielen Insekten.

Claudia und ich kommen bestens klar. Ich habe mich nun zum Abenteuer Auto entschlossen und wir werden heute einen billigen Kombi erwerben. Es ist am billigsten, so herumzukommen und man sieht viel mehr. Ausserdem können wir im Auto übernachten. Bei Telefonaten auf der Suche nach so einer Karre- meinem ersten Auto!!!- kam ich manchmal kaum mehr vom Telefon weg, weil die Leute mit uns überlegen, ob das Auto auch optimal für uns ist und was wir genau machen. Die Menschen hier sind einfach so. Freundlich, gut gelaunt und immer auf der Suche nach dem Bestmöglichen.

Nach unserer Wanderung in Picton machten wir uns mit dem humorigen Busfahrer Stevie auf nach Nelson, der nächstgrösseren Stadt, in der momentan ein Jazzfestival mit kostenlosen Konzerten im Park ist. Erst waren wir auf der Suche nach einem Hostel, dann fiel mir ein, dass ich ja auch Couchsurfer bin. Wers nicht kennt: couchsurfing.com ist eine Seite, auf der man seine private Couch zur Übernachtung anbieten kann. Ich guckte also nach einem Quartier und schrieb Nerissa in Nelson. Sie smste zurück, dasss wir gern kommen könnten und sie uns gleich mit ihrem roten Campervan abholen würde. In Nelson angelangt winkten uns tatsächlich Darren, Nerissa und ihr Sohn Ian aus dem Auto zu und freuten sich offenbar riesig über unseren Besuch. Sie möchten bald nach Kanada immigrieren und bauen das Haus ein wenig um. Da wird dann mit einer Badewanne auf der Terrasse improvisiert und man hat einen lieblichen Gartenblick während man den Dreck vom letzten Lauf durch die Pinienwälder schrubbt. Ian ist ein sehr lebendiges Kind, das mir beim Joggen nach- und vorlief. Darren ist ein grosser Brettspielfan und beneidet die Deutschen um ihre Spieleautoren und gut durchdachten Spiele, die hier nahezu unerschwinglich sind, aber auch vertrieben werden. Und ich dachte mir noch vor ein paar Tagen: zu schade, dass man hier nicht brettspielen kann, auf Reisen. Wir werden hier sehr verwöhnt, Nerissa kocht phantastisch auf und wir revanchierten uns mit den immer wieder beliebten Kässpatzen. Ich bin fast ein bisschen beschämt, wie herzlich uns diese Familie aufgenommen hat. Sie kannten uns nicht und haben uns allen Service geboten, den man guten Freunden zu Teil werden lässt. Sie fahren uns herum, recherchieren für uns im Netz und nehmen sich Zeit für Gespräche über das Reisen und andere Länder. Darren ist Kanadier und sehr an Naturwissenschaften interessiert. Wir sassen gestern noch bis halb drei zusammen und ich gab ihm einen Philosophiecrashkurs, der seine Augen leuchten liess. Sie sind so herzensgute und offene Menschen, dass wir wirklich fassungslos sind. Das Jazzfestival selbst war sehr entspannt und fröhlich. Man wurde aufgefordert, seinen Pass vorzuzeigen, ich ging hin und schon hab ich eine Familienkarte für ein grosses Museum mit meinem weitgereisten Pass für meine Familie hier gewonnen. Freude für alle.

Dieses Land empfängt uns wirklich mit weit offenen Armen und Claudia konnte ihre Zeit hier bis zum 24. Januar verlängern. Unsere nächste Station wird bei Dave Scott, einem weiteren Couchsurfer und Handwerker an der Westküste sein, wo wir auch Surfstrände in der Nähe finden. Unsere Region hier, Marlborough, ist bekannt für seine guten Weine und ich freue mich schon auf einen Job im Weinstock. Das wird allerdings noch warten bis Claudia weiter gereist ist. Mit Couchsurfing dürfte das Budget wenig belastet werden und wir machen spannende Bekanntschaften. Echtes neuseeländisches Leben eben.

Manchmal frage ich mich, ob ich soviel Freude, Luxus und Entspannung verdient habe. Aber eigentlich muss man sich das Leben doch nicht verdienen. Ich weiss mein Glück kaum zu schätzen, ein Westler zu sein, der all diese Möglichkeiten einfach hat. Man kann sich aufmachen und reisen, arbeiten, Menschen kennenlernen und sich freuen. All das muss gar nicht viel kosten. Oft kommt es mir einfach nur wie ein Traum vor und ich bin unendlich dankbar für alles, was mir das Leben bietet und die Unterstützung, die ich von so vielen Seiten dafür kriege.