Freitag, 24. Juli 2009

Lektionen im Hotelwesen weit, weit draussen




Nach dreizehn Stunden und 1100 km im Truck mit einer monströsen Gefriertruhe auf der Ladefläche und ziemlich eingeklemmt, haben wir es nach Noccundra in unser Hotel geschafft. Joe, der 21jährige Sohn des „Hotelmanagers“ Don, fuhr um halb vier in der Früh los, holte uns ab und fuhr die ganze Strecke, während ich versuchte, ihn bei Laune und wach zu halten. Nicht ganz einfach, wenn man selbst immer wieder einschläft und Leo auch nur schnarcht.

Die Nacht hatten wir bei den Eltern von Danielle in Molong, einem kleinen Ort nordöstlich von Sydney verbracht. Die Fahrt dorthin ging durch die Blue Mountains – ein Gebiet, in dem man hübsch wandern könnte, sich aber nicht verlaufen sollte wie ein junger Tourist neulich, den man bald für verloren erklärte, um ihn dann spektakulär nach einiger Zeit ohne Nahrung wiederzufinden. In Molong wurden wir wieder einmal sehr nett untergebracht und bekocht- wie immer mit Braten und ein paar Gemüsen aussenrum. Als Vegetarier tut man sich hier wie in Neuseeland sehr, sehr schwer. Danielles Eltern hatten gute Bildbände zu Australien und ich bekam einen etwas besseren Eindruck, auf was ich mich hier eingelassen haben: sicher auf richtig viel Hitze und weites, weites Land.

Auf der Fahrt sahen wir mehr tote als lebende Känguruhs, ein paar Emugruppen, die bis zu 80 km/h laufen können und viele kleine Vögel und sogar einen richtig grossen Adler. Ich hatte durch meine kleine Bibliothek einiges an Gepäck dabei und meine liebe Not, eine Extratüte auf der Ladefläche sinnvoll zu befestigen, so dass sie nicht flatterte. Joe ist ein ruhiger, aber wohl netter und sicher sehr fleissiger Kerl, der zwei Wochen Urlaub von seinem Job als Flugzeugmechaniker bei der Armee genommen hat, um bei seinem Vater auszuhelfen und ein Boot wieder in Schuss zu bringen.

Er brachte uns durch das weite Land, das man nicht zu Recht Wüste nennen kann, finde ich, dafür wachsen zu viele Bäume und zu viele Tiere sind unterwegs. Es ist aber doch sehr flach und die rote Erde ist meist sehr trocken hier. Hie und da gibt es Siedlungen, die grösste, 300 km von Noccundra entfernt, heisst Cunnamulla. Passt zu einer der Sydneygegenden Woolloomoolloo doch recht prächtig. Warum will man da leben? Ich weiss nicht recht. Jedenfalls ist man weit weit weg von so ziemlich allem. Noch viel weiter weg ist man freilich in Noccundra, wo aber doch erstaunlich viel los ist.

Hier tauchen die Farmer der umliegenden Stationen auf- wir haben auch einige Schafe und Kühe gesehen, die erstaunlich munter wirkten für das, was sie hier zu fressen und zu trinken zu haben scheinen. Und die Touristen, die mit Trucks und Wohnwagen rumfahren. Der Australier fährt wohl gern. Bleibt ihm auch nix anderes übrig, wenn er ein bisschen was sehen will in dem riesigen Land mit gerade mal 20 Mio. Einwohnern – 4 Mio. davon in Sydney. Man ist eher rustikal, gelinde gesagt. Gestern tauchte hier auch Frank auf, ein Mann mit einem Traktor und Anhänger mit einem Bindenhund aus Plastik auf dem Dach. Der Traktor gehörte seinem Vater, er hat ihn mit einem neuen Motor versehen und als er eigentlich auf Hochzeitsreise hätte sein sollen mit einem Anhänger versehen. Der Traktor fährt 35 km/h und Frank fährt durch den Staat Queensland, um Geld für Blindenhunde einzuwerben. Deren Sinn hat er eingesehen gelernt, weil sein achtjähriger Enkel blind ist. Er ist ein aufmerksamer, sehr feiner Mann, der Landwirtschaft lehrt und ein guter Zuhörer ist. Wir haben uns gesehen und es hat sozusagen sofort freundschaftlich zwischen uns gezündet. Er hat mir einen kleinen Blindenhundanhänger geschenkt und wir haben uns zum Abschied umarmt. Frank hat mich an David Lynchs Film „The Straight Story“ erinnert, wo ein sturer, aber sehr liebenswerter alter Mann mit Rasenmäher und Anhänger einen weiten Weg auf sich nimmt, um einen alten Freund zu besuchen, mit dem er sich zerstritten hatte. Eine tolle Art zu reisen eigentlich. Ein echtes Erlebnis und das noch für einen guten Zweck. Er hat auch eine Homepage www.guidedogsqld.com.au und Fernsehen, Zeitungen und Radio interviewen ihn. Hätte ich zu meinen Zeiten bei der Mittelbayerischen auch gemacht.

Don, unser Hotelmann, trinkt und raucht ganz gern, was man ihm auch ansieht. Er scheint ein netter Boss zu sein, ursprünglich Dieselmechaniker und ursprünglich verheiratet. Hat er beides eingetauscht für das Hotel hier. Es ist alles recht einfach, die Küche war etwas chaotisch und wir haben immer noch auszumisten und wegzuschmeissen. Neben Don arbeitet hier noch Cas, die nebenbei ein Fernstudium macht und Chiropraktikerin für Tiere werden will. Die Stimmung ist im Grunde ganz gut und alles läuft soweit, wenn man auch einiges verbessern kann, was Sauberkeit und Struktur anlangt. Das Gute ist, man lässt uns einfach machen. Das Schlechte daran ist, dass es hier offenbar kein Konzept gibt. Leos Kochkünste werden von den Gästen und den Bediensteten in den höchsten Tönen gepriesen und man ist allem Anschein nach dankbar, dass ich kräftig mit anpacke. Ich bin Küchenhilfe und Zimmermädchen, Bedienung und Putz- und Waschfrau. Das ist alles recht, da mir niemand dreinredet und ich Musik hören kann und mein Ding hier mache. Soweit. Die ersten beiden Tage... Geregelte Arbeitszeiten gibt es nicht und was wir verdienen, wissen wir auch noch nicht. Cas kriegt 80 Dollar täglich, was für uns auch gut wäre. Das wären gute 2000 im Monat, damit könnte man hübsch weiterfahren. Zwei Monate hier halte ich immer noch für eine gute Zeit.

Zwei Tage sind vergangen, seit ich das geschrieben habe. Mittlerweile haben wir weit mehr Einblick. Leo hat ein gutes Gespür für Menschen und ihm ist gleich aufgefallen, dass etwas nicht stimmt. Es hat sich herausgestellt, dass Don hier nicht mehr lange bleiben kann. Nicht mehr lange bedeutet wohl so um die zwei Monate. Ein Kumpel von ihm, der ein Pub in der Nähe von 500km hat, will uns gleich übernehmen. Offizieller Grund für seinen Rausschmiss hier ist, dass die Pacht auf zwei Menschen lief, ihn und seine Frau. Nun ist sie nicht mehr da und sie wollen ihn los haben. Das kann ich auch verstehen, es scheint nämlich als wäre er nicht der rechte Mann für das Geschäft. Er ist nett und scheint aufrichtig, aber er hat keine Ahnung und kein Interesse, was die Küche und was die Preise anlangt. Er fand es bestimmt toll, ein Pub zu haben, wo er gemütlich sein Ding machen, trinken und in die Weite gucken und hie und da Motoren reparieren kann. Cas hat für eine Weile hier gekocht, nachdem seine Frau und eine andere Köchin gegangen sind. Sie hat uns am ersten Abend ein Mahl aufgetischt, für das man als Gast 22 Dollar zahlen soll. Es war schauderhaft. Das Grillfleisch staubtrocken, die Karotten verkocht, der Broccoli vergammelt.

Nun werkeln Leo und ich so vor uns hin und ich habe das Gefühl, ich bin Christian Rach, der Restauranttester. Nun habe ich keine Ahnung vom Gastgewerbe und letztlich nur mein bisschen gesunden Menschenverstand. Ich habe die Menüs mit Leo zusammen aufgestellt und hübsch getippt, unterlegt mit einem Foto vom Restaurant als Wasserzeichen im Hintergrund. Ich bringe alle Zimmer und das Restaurant auf ein bisschen mehr Glanz, Leo übernahm gleich die Küche. Sieht alles schon weit einladender aus. Vor allem essen nun die Leute auch mal einen Muffin, wenn sie vormittags kommen und kriegen eine Vor- und Nachspeise zu ihrem Dinner. Vorher gab es nur aufgewärmten Fertigfrass und das berühmte Mahl, das Cas uns vorsetzte. Mehr und Vielfalt zu bringen macht mehr Spass und hält uns beschäftigt und zugleich nehmen wir Geld ein, das Don sicher brauchen kann. Es ist spannend, so ein Projekt zu haben, das wir zu zweit schmeissen können. Leo bringt mir einige Grundlagen in der Küche bei und ich sehe ihn selbstbewusster in seiner gewohnten Umgebung. Er hat gute Ideen und Struktur und ich merke, dass er sein Geschäft gelernt und durchschaut hat.

Nach dem Mittagessen nehmen wir uns frei, machen ein Nickerchen und ich lese Hume's „Treatise on Human Nature“. Herrlich- Zeit und den Kopf für einen Klassiker, der sich auch noch gut lesen lässt. Und wenn wir noch so einen Job annehmen, werde ich mich nochmal durch Kants „Kritik der reinen Vernunft“ nagen. Dazwischen den Lonely Planet, den ich in Sydney in einem Hostel geschenkt bekam und der mir eine Idee von der Geographie hier und dem was ich sehen will, gibt. Ziemlich begeistert bin ich von John Birmingham's „Leviathan“, der Geschichte Sydneys. Geschrieben wie ein Krimi sehe ich Aborigines und Kriminalität und Alkohol, arrogante und dumme Weisse und sogar Leo ist angetan von soviel Action.

A propos: Leo hat das Trinken und das Rauchen wieder vollständig aufgegeben, wir reden oft über den Alkoholismus und ich bin zuversichtlich, dass er wirklich trocken bleiben will, weil er weiss, dass er andernfalls alles verlieren wird. Mich als erstes.

In der Früh gehe ich laufen und habe meine kindische Freunde an den Känguruhs, boing, boing, und den rotbäuchigen Kakadus. Die Natur ist hier wirklich beeindruckend. Trocken und nur ein paar Gewächse, aber doch so viele Arten!

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