Samstag, 29. August 2009

Cattle Station Dailies





Wir sind auf der Farm angekommen. Das letzte Stück stellte sich als das Schwierigste heraus. Leo wollte einige Zeit in Roma verbringen und wollte nicht, dass ich eine Fahrt nach Injune organisiere. So stellten wir uns am Sonntag an die Strasse für vier geschlagene Stunden in die Sonne, die hier wirklich mächtig warm ist. Zur Erinnerung: es ist früher Frühling und wärmer als bei uns an heissen Sommertagen. Jedenfalls wollte niemand halten und wir gingen mit unserem Zeug beladen etwas frustriert zu unserem Campingplatz zurück. Den Herweg wurden wir von unserem netten Nachbarn Rob chauffiert, der uns zu einem Radeltrip in den Süden eingeladen hat, den Rückweg bestritt ich mit einem weiteren Einkaufswagen, Leo schleppte und brach beinahe vor dem Zelt zusammen vor lauter Hitzschlag. Hätten wir alles einfacher haben können, kam doch unsere Gastgeberin Narelle am nächsten Tag nach Roma, um ihre Tochter Teah in der Schule abzusetzen und uns abzuholen. So habe ich immerhin ein bisschen Anhaltererfahrung gesammelt, wenn auch nicht von der wonnigsten Art. Wir durften die Nacht umsonst auf dem Campingplatz schlafen, der Manager hatte Mitleid, weil wir nicht mitgenommen wurden. Das Angebot nahmen wir dankbar an und machten weitere nette Bekanntschaften mit Vannachbarn. Ein interessantes, herzliches Sozialleben auf so einem Platz. Sehr hilfsbereite Menschen, die uns zu sich einluden. Überhaupt ein rechtes Faszinosum, wie viele Einladungen zum Radeln, Fliegen, Farmleben wir hier erhalten.

Die Farm namens Taringa von Steve und Narelle ist ein bisschen abgelegen vom Dorf Injune, das sich natürlich wieder mal stolz Stadt nennt. Alles über 200 Einwohner scheint hier eine Stadt zu sein, worüber der Europäer freilich nur milde lächelt. Auf der Farm gibt es fast nur Schlachtkühe, die auf den riesigen Feldern herumlaufen und somit bestimmt ein besseres Leben haben als die deutsche Durchschnittskuh. Gar nicht so nett aber ist, was sie über sich ergehen lassen müssen. Es ist gerade mustering und branding Zeit. Das bedeutet, die jungen Kühe werden ausgesucht, geimpft, die Stiere kastriert, ein Teil des Ohrs abgeschnitten und am Hinter tätowiert. Am grausamsten scheint das Entfernen der Hörner zu sein – da spritzt das Blut wie aus einem Springbrunnen. Bedauernswert sehen die Kälber aus, wenn ihnen das Blut an Kopf und Hintern herunterläuft. Und freilich wehren sie sich, so gut es geht. Um die Kühe überhaupt zum branding zu bringen, treibt man sie mit Motorrädern zusammen. Leo hat einen Motorradführerschein, ich bin bis dato nur als Sozia mitgefahren. Das wurde aber fix geändert und so kann ich nun auf einem Dirtbike herumfahren, was ich ganz erquicklich finde. Wenn die Kühe ausbüchsen über die Felder zu preschen, ist das meine nun aber nicht. Ich bleibe brav hinter der Herde. Auch hier hat sich Leo wieder einen kleinen Sonnenstich eingefangen und hatte Kopfweh und schlief. Schlafen, fernsehen, rumliegen, das sind momentan seine Haupttätigkeiten.

Steve arbeitet auf den Ölfeldern, er fährt mit einem Bulldozer herum und planiert bevor gebohrt werden kann. Scheint sehr, sehr viel Geld einzubringen, es bedeutet aber, dass er wenig Zeit für die Familie und die Farm hat. Am Donnerstag aber nahm er sich frei, um sich um die Farm zu kümmern und flog uns mit seinem Viersitzer über die Carnarvonschlucht, den Nuga Nuga See und die Ölfelder. Leo weigerte sich erst, liess sich dann aber doch zum Rundflug überreden und wir waren mächtig beeindruckt von der Aussicht und Bögen, die er an einem Steintor vorbei und über die Schlucht flog. Das Fliegen in einem kleinen Flieger ist kaum vergleichbar mit einem grossen. Man spürt ein bisschen Gefahr und Abenteuer, fliegt näher am Erdboden und sieht aus allen Seiten. Wir waren sehr dankbar für den Ausflug.

Ein weiterer Job hier ist das Gesundhalten der Känguruhbestände, wie es John, einer der hiesigen Farmarbeiter nennt. Wenn die Känguruhs, Wallaruhs und Wallabies am Abend auftauchen, tut er es ihnen im Pickup nach und schiesst. Dann wird ein Bein für die Katze abgeschnitten und weiter geht’s. Raue Sitten... Sicher ist das Schiessen besser als Gift, aber ich bin trotzdem wenig entzückt. Leo dagegen hatte seine wahre Freude, mal wieder schiessen zu dürfen und die Känguruhs umkippen zu sehen.

Richtig Spass hatte ich dagegen beim Wasserskifahren, das wir gestern in Angriff nahmen. Zwar war ich schon auf dem Wakeboard an einem See mit einem Lift, aber nie auf den Skiern hinter einem Boot. Nach drei Fehlstarts stand ich und fuhr meine Bögen und war recht glücklich. Rund gings dann auch auf einem grossen Reifen mit Griffen, der gar nicht so leicht festzuhalten war bei ordentlichen Kurven, Wellen und Geschwindigkeit. Hier wird jedenfalls nicht gefackelt, wos um Arbeit und Spass geht, gibt’s keine Zimperlichkeiten. Der sogenannte Damm, auf dem wir unsere Runden drehten, war ein kleiner brauner See und Leo wollte gleich gar nicht hin und zog einen Spaziergang vor. Ausserdem war in Injune ein Rodeo, zu dem nur er es schaffte, wir waren zu kaputt, es war spät und alle schienen schon recht betrunken als wir vorbeikamen.

Ich kann mein Glück immer noch kaum fassen von Noccundra weg zu sein. Bei Steve und Narelle wurden wir gut genährt, misteten die Küche aus, putzten und kochten, hatten aber letztlich doch das Gefühl, so richtig im Urlaub zu sein. Das ist das australische Farmleben – weitläufig, ein bisschen einsam, nichts für zarte Mädchen. Ich wäre gerne in der Carnarvonschlucht gewandert, Leo will sich gleich in die Arbeit stürzen. Wir haben uns nach einem weiteren seasonal job umgesehen. Momentan stehen das Ausdünnen der Weinstauden und verschiedenes Gemüsepflücken zur Auswahl. Mehr Geld kann nicht schaden, auch wenn ich fast nichts ausgegeben habe seit wir in Australien sind. Ich finde grossartigen Lesestoff, den ich immer noch in überdimensionierten Mengen mit mir herumtrage, zeichne und laufe regelmässig. Wir werden immer wieder um unseren freien Lebensstil beneidet. Leicht ist es nicht immer für uns, müssen wir uns doch immer umorientieren, unser Gepäck klein halten und sind so oft auf die Liebenswürdigkeit anderer angewiesen. Ein wirklich ganz anderes Leben als das sesshafte.

Und dazwischen spannendes wildlife mit einem Frosch auf der des Naechtens aufgesuchten Klobrille, erschossenen Dingos, blauen, roten und gelben Papageis und Salamandern von der Laenge eines Unterarms.

Kleiner Lesetipp: Craig Silvey, "Jasper Jones" ist ein wirklich spannender Roman, den ich in zwei Tagen ratzfatz durchlesen musste. Crime und Jugend, australisches Kleinstadtleben, Alkohol und Familienkrisen, sehr, sehr packend!

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