Freitag, 19. Dezember 2008

Surfen? Arbeiten? Das sind Entscheidungen....





Ich habe beschlossen, dass ich am Sonntag wieder meiner eigenen Wege gehe. Ich hoffe, es geht nach Raglan, dem grossen Surferparadies, wo ich womöglich auch Weihnachten verbringen werde. Ein paar weitere Recherchen sollten da Klarheit bringen. Dort gibt es Wwoofingmöglichkeiten, an denen ich beim Schlachten dabei sein könnte und manche sagen ganz klar, dass sie viel surfen. Das hiesse, dass ich Arbeit und Vergnügen in einem hätte, lernen und Spass, ganz das Überraschungsei.Und das will man doch zu Weihnachten. Ausserdem habe ich mich bei Greenpeace als Strassenanschwätzer beworben und warte auch auf Antwort von Obstpflückern, die einem Unterkunft, Essen und Geld geben, wenn man brav Kiwis sammelt. Mit mehr Geld liesse sich ein Auto leihen und ein Surfboard samt Neoprenanzug kaufen. Hm. Das sind Sorgen...

Zu Jacques und mir stiess Tara aus England ins Häuschen auf dem Hügel. Sie war hier auf der Farm beim Wwoofen vor einem Jahr und kam auf Besuch. Sie ist wirklich amüsant und wir hatten eine lustige Zeit gemeinsam mit einem sehr langen Abend, an dem ich ein wenig und die beiden anderen recht betrunken waren. So richtig hab ich das mit dem Alkohol trotzdem noch nicht raus – mir wird ein wenig schwindlig, aber ansonsten merke ich keine besonders erquicklichen Effekte. Jedenfalls wurde viel gelacht.

Jacques ist wirklich einer von den rundum Guten und ich freue mich sehr, dass es solche Leute gibt. Fleissig, lustig, schnell, sportlich und einfach ein netter, hilfsbereiter Kerl. Scottie dagegen scheint etwas „pissed off“ von mir zu sein. Ich fand es nicht lustig, wie er mit seiner kleinen, unfassbar ungezogenen Tochter umgeht und ich fand es auch nicht lustig, wie er aufs Derbste versuchte, Jacques über mich auszuspionieren. Ich habe einfach gar nichts erzählt ausser Jacques Motto „Was auf dem Hügel passiert, bleibt auf dem Hügel“ und er solle Jacques doch selbst fragen, wenn erwas wissen wolle. Scottie meinte, dafür müsse ich nun den ganzen Tag Kuhscheisse schaufeln. Daraufhin sagte ich, das solle er mal schön lassen, ich könnte mich weigern und ihn „obnoxious“ nennen, was „unausstehlich, rüde“ bedeutet (und was er offenbar nicht mal kannte). Das hat er mir nun furchtbar übel genommen. Er ist einer von den Typen, wie man sie in amerikanischen Komödien a la Chevvy Chase erwartet. Gummistiefel, verschwitzt, schräge, dreckige T-Shirts ( „I am with Ms. Right. I just didn't know that her first name was Always“, aber das ist ja fast schon wieder gut), braune Zähne und immer ein paar fucking bloody Flüche parat, die er natürlich auch immer gern seiner Tochter zuwirft. Er hat sich wohl bei unserem dritten Mann, dem Farmchef Jamie, beschwert, dass ich schreckliche Wörter in seiner Gegenwart über ihn sage. Auch die Französinnen haben sich nicht gerade gemausert und zudem wenig Initiative ergriffen. Sie schauen weiter sehr finster und haben sich mehr oder weniger meinem Kommando ergeben, zumal sie den hiesigen Slang nun schon dreimal nicht verstehen und Jamie und Scottie beschlossen zu haben scheinen, mir nun die Anweisungen zu geben. Gestern war zudem noch Benzin und Diesel zu holen, den ich munter in einem ungeschickten Moment über meine Hose goss. Da war ich dann froh, als ich abends ein Bad im benachbarten Pool nehmen konnte. Und auch Jacques Spezialmoskitovernichter habe ich zu schätzen gelernt. Das Ding ist eine Art Tennisschläger, das man durch Knopfdruck unter Strom setzt und die kleinen Mistviecher so erglühen lässt. Ausgerechnet ich friedliebende Person weiss das nun zu schätzen, wenn sie in Heerscharen des Nächtens einfallen. An Tieren weiss ich mittlerweile auch den Vogel Tui zu schätzen, der den lustigsten mir bekannten Tiersound macht. Erst ein kleines Pfeifen in mittelhoher Lage, aufsteigend und dann wieder ein Glissando nach unten. Soweit alles gut. Dann kommt aber ein Geräusch, das so klingt als würde man Alu und Papier zusammenrascheln. Sehr eigentümlich.

Ich hab noch eine Runde Vanillekipferl für die Familie gebacken, die alle köstlich finden. Und ich war mit Cherry auf einem Chorkonzert mit exzellenter Bläserband. Das erste Mal, dass ich mich ein wenig weihnachtlich fühlte.

Lektion dieser Tage: Paradiese haben eben auch ihre Ecken und Kanten. Genug Disteln gehackt, entfleuchte Kühe und Lämmer gejagt und eingefangen, riesigen Pickup (röööööööööhrrrrrr) auf der linken Strassenseite und übers Feld gefahren, Küchenarbeit gemacht, Unmengen Würste gekocht und gegrillt, Garagen gekehrt, Unkraut gejätet und Aprikosen sortiert.Wie schnell ich mich aber dann doch heimisch fühle in so einer ganz anderen Umgebung. Ich habe gesehen, dass ich meinen gesunden Menschenverstand hier sehr gut gebrauchen kann und dass ich eben doch mittlerweile ein Persönchen geworden bin, das sich nicht alles gefallen lässt und seine Meinung sagt. Das lieben zwar nicht alle Menschen, aber am Ende kann ich mir aufrichtig im Spiegel entgegenschauen, das ist auch was wert. Und die Guten, die Jacques dieser Welt, die stehen da ganz auf meiner Seite.auf

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