Sonntag, 4. Januar 2009










Soviel action auf einem Haufen, dass ich gleich gar nicht mehr zum Schreiben komme. Claudia und ich wurden von der netten Stef, der Besitzerin des Bayview Backpacker Hostels zu unserem Wassertaxi gefahren.Gut beladen mit Essen für drei Tage und geliehenem Zelt und Kocher machten wir uns auf zur Vogelinsel Matuara. Dort haben die Vögel keine Fressfeinde, man kann blaue Pinguine beim Brüten beobachten und die kleinen Vögelchen baden unverfroren vor der menschlichen Nase. Dazu lieblicher Gesang, der mir in der Form neu war. Nach eineinhalb Stunden auf der kleinen Insel mit herrlichem Rundumblick auf kristallklares Wasser und weitere Inseln wurden wir zu Ships Cove geschippert, der Bucht, an der James Cook mit seinem Schiff mit besonderer Wonne angelegt haben soll. Der Service war grandios, mussten wir doch nur einen Tagesrucksack auf die 72 km lange Wanderung auf dem Queen Charlotte Track mitnehmen, der Rest wurde uns zum jeweiligen Campingplatz gefahren, ohne Aufpreis. Die Wanderung selbst war mit drei Tagen ein bisschen ambitioniert, aber machbar und die Natur wunderschön. Herrliches hellgrünes und blaues Wasser, ein paar Segelboote und immer wieder ein toller Rundumblick von den Hügeln, die bis zu 400 m hoch waren. Einen richtigen Lärm machten ca. zwei Zentimeter grosse Insekten, dazu der muntere Vogel Tui und die Weka genannten Laufvögel, die den berühmten Kiwis ein bisschen ähneln. Ich habe es mir zum Hobby gemacht, die Vögel nachzuahmen und nachdem Claudia ein wenig flotter lief, war das ein lustiges Gepfeif. Die Wanderung selbst war in gewisser Weise idiotensicher. Ein Pfad, ca. einen Meter breit und im Grunde kein Weg, den man falsch gehen konnte. Ein bisschen wirkte es daher für mich wie eine Spielzeugwanderung. Kompass und Karte wären hier lächerlich gewesen. An unserer ersten Station nach ca. 800 hm und 27 km Weg bauten wir munter unser Zelt auf und machten uns daran, unser Abendmenü zu wärmen. Leider hatten wir prompt eine unserer Futtertüten vergessen und improvisierten daher mit Blattsalat zu den Nudeln. Im Grunde hatten wir am Ende die Lehre, dass wir viel zu viel eingekauft hatten- es ging einfach auch so.

Das neue Jahr wollten wir schlafend begehen, das allerdings hat nicht so ganz geklappt, da wir durch einen eigenen Swimmingpool im Zelt mehr Luxus als erwartet gebucht hatten. Leider war der Pool kalt und zum Regen kam ein ein kräftiger Sturm, bei dem wir bei jeder grösseren Böe fürchteten, dass das Zelt zusammenkrachen würde. Was es auch prompt tat. Wir verbrachten daraufhin die Nacht draussen, der Regen hörte auf und es zeigten sich Sterne. Ausserdem wünschten wir uns ein Guats Neis als Ihr gerade am feiern wart, also auf der Wanderstrecke um zwölf mittags am nächsten Tag.

Ich fühle mich ein bisschen, als würde ich eine Zeitreise machen. In Indien war es die Kultur, hier ist es die Natur, die mich zurückbeamt. Alles wirkt frisch, unverschmutzt. Die Kühe stehen auf der Weide, die Butter schmeckt wunderbar danach. Und die Wälder sind Mischwälder mit vielen Tieren, den bunten Vögeln, den allseits gehassten dicken Possums, kleinen Salamandern und vielen Insekten.

Claudia und ich kommen bestens klar. Ich habe mich nun zum Abenteuer Auto entschlossen und wir werden heute einen billigen Kombi erwerben. Es ist am billigsten, so herumzukommen und man sieht viel mehr. Ausserdem können wir im Auto übernachten. Bei Telefonaten auf der Suche nach so einer Karre- meinem ersten Auto!!!- kam ich manchmal kaum mehr vom Telefon weg, weil die Leute mit uns überlegen, ob das Auto auch optimal für uns ist und was wir genau machen. Die Menschen hier sind einfach so. Freundlich, gut gelaunt und immer auf der Suche nach dem Bestmöglichen.

Nach unserer Wanderung in Picton machten wir uns mit dem humorigen Busfahrer Stevie auf nach Nelson, der nächstgrösseren Stadt, in der momentan ein Jazzfestival mit kostenlosen Konzerten im Park ist. Erst waren wir auf der Suche nach einem Hostel, dann fiel mir ein, dass ich ja auch Couchsurfer bin. Wers nicht kennt: couchsurfing.com ist eine Seite, auf der man seine private Couch zur Übernachtung anbieten kann. Ich guckte also nach einem Quartier und schrieb Nerissa in Nelson. Sie smste zurück, dasss wir gern kommen könnten und sie uns gleich mit ihrem roten Campervan abholen würde. In Nelson angelangt winkten uns tatsächlich Darren, Nerissa und ihr Sohn Ian aus dem Auto zu und freuten sich offenbar riesig über unseren Besuch. Sie möchten bald nach Kanada immigrieren und bauen das Haus ein wenig um. Da wird dann mit einer Badewanne auf der Terrasse improvisiert und man hat einen lieblichen Gartenblick während man den Dreck vom letzten Lauf durch die Pinienwälder schrubbt. Ian ist ein sehr lebendiges Kind, das mir beim Joggen nach- und vorlief. Darren ist ein grosser Brettspielfan und beneidet die Deutschen um ihre Spieleautoren und gut durchdachten Spiele, die hier nahezu unerschwinglich sind, aber auch vertrieben werden. Und ich dachte mir noch vor ein paar Tagen: zu schade, dass man hier nicht brettspielen kann, auf Reisen. Wir werden hier sehr verwöhnt, Nerissa kocht phantastisch auf und wir revanchierten uns mit den immer wieder beliebten Kässpatzen. Ich bin fast ein bisschen beschämt, wie herzlich uns diese Familie aufgenommen hat. Sie kannten uns nicht und haben uns allen Service geboten, den man guten Freunden zu Teil werden lässt. Sie fahren uns herum, recherchieren für uns im Netz und nehmen sich Zeit für Gespräche über das Reisen und andere Länder. Darren ist Kanadier und sehr an Naturwissenschaften interessiert. Wir sassen gestern noch bis halb drei zusammen und ich gab ihm einen Philosophiecrashkurs, der seine Augen leuchten liess. Sie sind so herzensgute und offene Menschen, dass wir wirklich fassungslos sind. Das Jazzfestival selbst war sehr entspannt und fröhlich. Man wurde aufgefordert, seinen Pass vorzuzeigen, ich ging hin und schon hab ich eine Familienkarte für ein grosses Museum mit meinem weitgereisten Pass für meine Familie hier gewonnen. Freude für alle.

Dieses Land empfängt uns wirklich mit weit offenen Armen und Claudia konnte ihre Zeit hier bis zum 24. Januar verlängern. Unsere nächste Station wird bei Dave Scott, einem weiteren Couchsurfer und Handwerker an der Westküste sein, wo wir auch Surfstrände in der Nähe finden. Unsere Region hier, Marlborough, ist bekannt für seine guten Weine und ich freue mich schon auf einen Job im Weinstock. Das wird allerdings noch warten bis Claudia weiter gereist ist. Mit Couchsurfing dürfte das Budget wenig belastet werden und wir machen spannende Bekanntschaften. Echtes neuseeländisches Leben eben.

Manchmal frage ich mich, ob ich soviel Freude, Luxus und Entspannung verdient habe. Aber eigentlich muss man sich das Leben doch nicht verdienen. Ich weiss mein Glück kaum zu schätzen, ein Westler zu sein, der all diese Möglichkeiten einfach hat. Man kann sich aufmachen und reisen, arbeiten, Menschen kennenlernen und sich freuen. All das muss gar nicht viel kosten. Oft kommt es mir einfach nur wie ein Traum vor und ich bin unendlich dankbar für alles, was mir das Leben bietet und die Unterstützung, die ich von so vielen Seiten dafür kriege.

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