Montag, 26. Januar 2009

Die Kommunenstudie

Das Auto hat wirklich eine ordentliche Delle in der Stossstange. Oonagh ist daran nun schon oft vorbei, aber es scheint ihr einfach egal zu sein. Das wirft mich wirklich schier vom Hocker. Ich habe schon aus der puren Befürchtung heraus, das könnte ich gewesen sein, mit viel schlechtem Gewissen besonders viele Fenster geputzt und den Hof besonders penibel gekehrt. Kristallklar sehe ich da die deutsche Paranoia in mir, obwohl mir doch selbst Dellen im Auto auch herzlich egal sind. Und was das Arbeiten anlangt, bin ich auch getrieben. Viel machen, gut machen, schnell, schnell, schnell und jetzt lieber nicht mit den Kindern spielen. Blödsinn!!! Kinder sind doch viel wichtiger als ein gesaugter Boden, zumal, wenn sie so lieb mit mir spielen wollen.

Das Leben in der Kommune ist für mich sehr spannend. Heute hatte der knuffige rothaarige Quive (wie auch immer man ihn schreibt) seinen sechsten Geburtstag. Mit ihm habe ich schon einen ernsten Kissenkampf im Bett ausgefochten. Ich schenkte ihm einen sogenannten Greenstone, den mir Dan geschenkt hat. Dan meinte, der solle einem Glück bringen, aber er sei zum Weiterschenken. Eine tolle Sache eigentlich, ein Gegenstand, der einem nur etwas bringt, wenn man ihn jemandem gibt, der einem lieb ist. Ich glaube, Quive fand den Stein gut und ich habe mich auch gefreut. Heute waren dann auf einmal alle Kinder da und die Kommunenmitglieder kamen vorbei. Man guckte einen Kinderfilm zusammen und es gab wieder einmal der Welt beste belgische Schokolade auf Erdbeeren und mit Pistazien, Trockenfrüchten und Thymian. Wunderbar, wir kratzten noch die letzten Reste verstohlen vom Riesengemeinschaftsteller.

Vier kleine Kinder mit an den Strand zu nehmen hat seine stressigen Elemente, vor allem mit zwei kleinen schreienden Primadonnen. Dann aber wieder ist es einfach toll, dass man sich die Aufgaben abnehmen kann und eben manchmal keine Kinder hat. Es sind fast nur Frauen hier und ich blicke immer noch nicht durch, welches Kind denn nun von wem ist und welche Frau nun mit wem ein Verhältnis hat oder hatte. Aber eigentlich ist das auch wieder egal, solange sich wirklich alle sehr gern haben und das Gemeinsame nicht nur gespielt ist. Sie betonen die Liebe und meinen, das sei doch das Wichtigste für alle. Klingt nach unrealistischer Utopie, scheint aber hier doch erstaunlich gut zu funktionieren. Ich arbeite viel, ständig bin ich am Abspülen oder Rumräumen und merke, wie man sich wohl als Mutter einer Grossfamilie fühlen muss. Von wegen, das bisschen Haushalt!

Ich war schon zuvor wenig dogmatisch und tolerant, so hoffe ich zumindest. Hier merke ich, dass ich diese Toleranz auch fühle. Die praktische Erziehung für mich hier ist, dass ich eben nicht vor allem denke, sondern wirklich erlebe und mich bestätigt sehe. Ein klein wenig ist diese Reise auch so etwas wie eine Psychotherapie für mich. Ich scheine mich von den Sorgen zu befreien, die mir eh nie etwas gebracht haben. Vor allem also von zu grossen materiellen Fragen. Heute hat sich wieder einmal bestätigt, wie gut mich das Leben versorgt. Asiin hat gehört, dass ich nach Christchurch fahren will, um mir dort eine Mundharmonika zu kaufen. Seit Dan so bezaubernd auf der seinen spielte, will ich auch eine. Asiin meinte, ich würde nicht so lange warten müssen, ging in sein Zimmer, brachte mir eine, die in der DDR hergestellt wurde und meinte, ich könne sie gerne behalten. Was will ich also mehr?

Ich laufe an der herrlichen Küste, ich schwimme und ich geniesse es, Teil von dieser so anders gelagerten Gruppe zu sein. Was mir hier nie begegnet, ist Schwarzmalerei, Klagen, ewiges Grübeln. Es wird gemacht und zusammengeholfen. Und auch von der Finanzkrise spricht in Neuseeland keiner, zumindest nicht in meiner Gegenwart. Und wer täglich in seinen Dingen so beschäftigt ist wie meinen in irgendeiner Art als Biofarmer tätigen Menschen, der will am Abend irgendwann nur noch schlafen und nicht abstrakt grübeln.

Aber natürlich hat auch das wwoofen sehr viel mit Optimismus zu tun. Ich bin wieder auf einer Stufe des direkten Naturalientauschs angelangt- Essen gegen Arbeit. Da stehen die eigenen Vorlieben vielleicht ein wenig hintan, aber ich bin fast gezwungen, das Beste an jedem Ort zu sehen, was überhaupt nicht schwer fällt. Weder wenn ich bei Jane Buxton die Sterne durch das kleine Wohnwagenfenster sehe, noch, wenn ich hier die Katze Joey kraulend in meinem mit einem grossen Himmel überhangenen Bett auf die Bucht linsen kann.

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