Mittwoch, 7. Januar 2009

Von grossen Autos und Menschen






Irgendwie ist alles doch sehr lustig, natürlich vor allem, wenn mans lustig nimmt und ganz fest beschlossen hat, das Leben zu geniessen. Aber ganz der Reihe nach. Die gute Nerissa hat uns zu einigen Autos in Nelson gefahren und ich habe mich nun für einen matt-schwarzen Mazda station wagon (sowas wie ein Passat) entschieden. Die Probefahrt war auch wirklich überzeugend, irgendwie ist das halt ein „pures“ Auto, ganz ohne Schnickschnack. Bis auf den natürlich, dass man rechts sitzt und immer den Scheibenwischer anmacht, wenn man blinken will. Daran erkennt man die Europäer: sie haben ihre Scheibenwischer bei strahlendem Sonnenschein an. Das Auto wurde für 1000 Dollar gekauft (in der Hoffnung, es später wieder für denselben Preis zu verkaufen), innen und aussen geputzt, wobei wir auch eine Plastikfigur fanden (Blossom the Powerpuff), die nun auf der Ablage cool mitdüsen darf. Mein erstes Auto, das ist doch aufregend. Ich glaube, ich hole hier auch Erfahrungen nach, die andere Leute unter zwanzig gemacht haben. Besonders nett ist, dass einer der Vorbesitzer die Buchstaben „MAZDA“ zu „MADAZ“ umgeklebt hat. Hier sagt man im Slang „Sweetas“, was volle Zustimmung oder Begeisterung ausdrücken soll, irgendwas Richtung „coooooool“ jedenfalls. Ich überlegte mir schon, ob das bunte Anmalen des Autos die Coolheit erhöhen oder mindern würde.

Am nächsten Tag machten wir uns mit frischem Öl, vollgetankt und nach einer dicken Umarmung von Nerissa, Darren und dem aufgekratzten Ian auf den Weg zur Küste nach Westport mit dem Ziel „Ross“ vor Augen. Das kleine Städtchen liegt an der Westküste und Dave Scott, ein weiterer Couchsurfer wollte uns aufnehmen. Anfangs noch etwas mulmig gewöhnte ich mich bald daran, nun stolzer Autobesitzer zu sein und hielt mir stetig die Vorteile vor Augen: ich kann leichter zum Wwoofen kommen, ich muss weniger planen, kann auch mal spontan im Auto übernachten, Benzinkosten mit anderen teilen und vor allem anhalten, wo auch immer es gerade was zu sehen gibt. Ich kann mein Gepäck herumfahren und muss es nicht tragen, sogar Claudias Surfbrett hat bequem Platz. Und, Hauptargument: es ist die billigste Variante, hier herumzukommen. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind so wie das Handynetz: nicht existent oder etwas mickrig und teuer. Claudia und ich unterhielten uns über die schönen Surfstrände, an denen wir einfach Halt machen könnten und darüber, dass wir eigentlich auch gern mal angeln würden. Kurz vor Westport, also nach den ersten hundert Kilometern, gings dann dahin mit der Freude: bei Rechtskurven machte das gute Stück seltsame Geräusche, ganz als würde ein Blech schleifen. Ich war dafür, in die nächste Autowerkstatt zu fahren, die wir in Westport fanden. Wir gingen Essen kaufen im Supermarkt, die Mechaniker dort guckten sich das Auto an. Nach einer Stunde kamen wir wieder und es war klar, dass das Lager des vorderen linken Reifen gebrochen war. Sie hatten ein neues Second Hand Lager eingebaut, das mit 160 Dollar samt Einbau nicht unfassbar teuer war. Ich grummelte kurz, dass ich ja schon immer gesagt hätte, dass man mit einem Auto nur Scherereien hätte, dann war aber doch wieder alles gut und wir fuhren die beeindruckenden Pancake Rocks an.

Die Felsen waren früher im Meer, wurden dann an Land geschoben und sehen aus, als würden Pfannkuchen übereinander geschichtet. Warum genau sie Schichten haben ist unklar. Jedenfalls spült das Meer gewaltig dort hin und höhlt sie aus, wobei auch die sogenannten „Blowholes“ entstehen, Löcher, die wie eingefräst und sehr dynamisch aussehen. Ein ziemliches Naturgewaltenspektakel, zumal, wenn man bedenkt, dass das Meer sozusagen die Felsen wieder zurückfordert, ganz langsam, aber sicher. Wir kriegen sie eine Weile zu sehen, was dem Meer natürlich auch wieder wurscht ist. Dieser kleine Ausflug hat mir eine hübsche grüne Sweatjacke beschert, die jemand dort liegengelassen hatte. Nachdem wir lange dort waren und sie niemand holen kam, ging sie in meinen Besitz über, wo sie nun einer gründlichen Wäsche unterzogen ward.

Noch beschwingt von der Naturschönheit fuhren wir mit 80 km/h weiter. Geschwindigkeitsbegrenzung war 100 km/h und die Strasse sehr gewunden, auf und ab. Dann hörten wir eine Sirene hinter uns- ein Polizeiauto mit blinkenden Lichtern. Claudia war gefahren und wir erschraken beide. Sie fuhr zur Seite- klar, mit Scheibenwischer und ohne Blinker, der Polizist hielt hinter uns. Ganz wie im Hollywoodmovie stieg er besonders betont cool aus und zog sich erstmal seine knallorange Polizistenweste über. Wir machten die Türen auf und er fing das Schimpfen an: was uns denn einfiele, hier so langsam rumzugurken, es sei doch ganz klar, dass er hier vorbeiwolle und es sei schliesslich nicht jeder wie wir im Urlaub. Es wäre doch eine Sache des gesunden Menschenverstandes erst mal auf die Seite zu fahren, wenn so ein schnelles Auto wie das seine des Wegs käme. Er wollte Führerschein und überprüfte unseren TÜV, der hier WOF (warrant of fitness) heisst und alle sechs Monate stattfindet. Da war freilich alles gut, das Auto ist noch bis Ende Juni geprüft und wir kamen so davon. Das muss man sich mal im Hirn zergehen lassen: ein Polizist, der einen animiert, doch schneller zu fahren. Und das in einem Land, in dem seit Weihnachten 24 Menschen in Autounfällen gestorben sind. Wir trafen kurz darauf ein Paar im Campervan, der ein Schild hatte: „This is a slow vehicle. Please be patient“- auch sie hatten schon schlechte Erfahrungen, aber vor allem mit Stinkefingern anderer Autofahrer gemacht.

Und schliesslich kamen wir doch in Ross an, hatten auch schon die Adresse von Dave Scott, der uns einfach Licht und Stereoanlage angemacht hatte, die Haustür weit offen mit der Aufforderung daran, wir sollten es uns gemütlich machen und uns ganz zu Hause fühlen. Da war ich wieder mal fassungslos- das ist in Deutschland doch absolut undenkbar. Wir hörten nette Musik (neuseeländische Sängerin, Bic Runga), kochten uns Nudeln mit Thunfisch und Tomaten und machten uns dann zum einzigen Hotel des Örtchens, dem Empire Hotel, auf. Dort ist Dave Barmann. Anfangs war er ein bisschen nervös und errötete und die locals guckten auch recht neugierig. Kein Wunder, in Ross hatten wir ausser im Pub keine Menschenseele gesehen. Und wir waren schon drei Stunden dort.

Dave lernten wir heute beim Frühstück besser kennen. Er war früher Manager eines Weinguts und wurde dort vor einigen Monaten entlassen. Er hat das wohl gut gemacht, hatte aber keine Ausbildung für diesen Job. Nun arbeitet er eben hier in der Bar. Er hat zwei Söhne und ist geschieden. Er verbringt wohl die meiste Zeit mit der Renovierung seines alten, aber schnuckligen Hauses, immer eine Zigarette im Mund, selbst in der Früh in Heerscharen gerollt. Er hat Papageien und vor allem Rocky, den extrem anhänglichen und mittlerweile tauben kleinen Hund, der Possums jagt und isst, die weit grösser als er selbst sind. Um sie zu töten, packt er sie am Schwanz, schleudert sie einem Lasso gleich im Kreis herum und beisst dann in ihr Genick. Das wird so oft gemacht, bis sie tot sind. Dann frisst er das ganze Vieh auf und lässt nur die vier Pfoten über, die ihm offenbar nicht munden. Possum soll wie Hase schmecken. Die er natürlich auch trotz seiner fortgeschrittenen 17 Jahre gern mal als Happen zwischendurch zu sich nimmt. Dave zeigte uns die Gegend, bei strömendem Regen in seinem vierradbetriebenen Jeep, den er auch sicher durch einen Fluss steuerte. Zum Fischen war das Wetter leider zu schlecht. Er setzte uns an einem Wanderweg aus, der mit zwei Stunden beschrieben war, den er aber als halbstündigen Spaziergang abtat. Er wolle uns am anderen Ende abholen. Wir liefen munter los und hatten bald die Entscheidung zu treffen, ob wir nach rechts oder links weiter wollten. Ausgesetzt im Busch fühlten wir uns ein wenig wie Hans und Grete. Nach einer Stunde strammeren Ganges durch morastiges Gelände im hiesigen Regenwald kam uns dann Rocky entgegen und Dave hockte lässig auf einem Zaun, um uns wieder heimzukarren, wo wir ihn mit Gemüsereis und Hähnchenflügeln bekochten, was ihn sehr freute. Um sechs ging seine Arbeit in der Bar wieder los und er zeigte uns seine Schublade mit DVDs. Beim Draufgucken meinte er: die könnt ihr alle gucken und sah dann seine Pornos, die er kurz verschämt kommentierte: bis auf die. Dann meinte ich: och, wie schade, gerade die wollten wir schauen. Dann meinte er, gut, dann müssten wir aber mit ihm schauen. Wir hatten Spass, zumal er nun wirklich aufgetaut ist. Ein ganz anderer Charakter wie alle anderen bis dato, aber wirklich auch sehr liebenswert und sehr verschmitzt. Man wünscht ihm eine nette Frau, sofern er nicht mehr alleine leben mag. Weiter ist es sehr schön, dass wir das Gefühl haben, als Fremde zu kommen und als Freunde zu gehen. Wir sind sehr willkommen und werden sehr lieb empfangen. Couchsurfer sind schon eine besondere Gruppe: sehr offen, sehr interessiert an anderen und ihren Kulturen und sehr grosszügig. Sie erwarten keine Gegenleistung und nehmen einen herzlich in ihrem Haus auf, ohne einen vorher gross zu kennen. Es kann sich nicht vor allem um Geld drehen im Leben, das glaube ich einfach nicht.

Gerade schreibt noch Nerissa über uns: „These two ladies are FAB!! They are a wealth of knowledge and so much fun...Andrea loves boardgames which pleased my family. Overall it was a
wonderful experience and I wish them both well on their travels around NZ and the rest of the world!! They also cooked a lovely traditional meal....which was excellent!!“

Das Wetter klarte unerwartet auf und wir beschlossen, noch ein paar Wellen anzugucken. Wir fuhren mit dem Auto, den Luxus können wir uns nun nach einem morgendlichen Lauf und dem Spaziergang durchaus gönnen. Claudia ging mit Flipflops ans Meer, die sie schon immer gerieben hatten. Die Wellen sind hier nicht hoch, aber sehr kräftig und zogen ihr einen Schuh von den Füssen. Sie meinte achselzuckend, das sei ein Zeichen, das Meer hat sich ihren Schuh geholt und will sie nicht mehr leiden sehen und warf den anderen gleich hinterher. Munter fuhren wir heim. Dort bemerkte ich, dass ich einen Flipflop offenbar vor dem Auto stehen hatte lassen und fuhr nochmal zurück, wo mich ein lachendes Paar im Campervan empfing. Ich parkte das Auto an der Düne, so dass ich und sie dort standen. Ein wirklich geräumiger Platz- und plauderte mit den beiden. Darüber, dass sie hier mein schickes neues Auto vor sich hätten, das ich gerade eben als das Erste meines Lebens erworben hätte. Dann kam ein Jeep mit einem älteren Paar, fuhr gen Meer, das Paar blickte aufs Meer und dann setzte der Fahrer zurück. Mit Schwung und direkt in mein Auto, schob es gleich vierzig Zentimeter durch den Sand. Direkt hinter dem Tank hatte er meinen armen Madaz aufgegabelt. Mir ging nur noch der Kinnladen runter. Dann hielt der Jeep, der Mann stieg aus und ich stellte fest, dass es ein Freund von Dave ist, der heute in der Früh Eier vorbeigebracht hatte. Seine Frau war entsetzt. Wir guckten die kleine Delle an und ich musste natürlich lachen. Im Grunde war ja nichts passiert. Er entschuldigte sich, fragte, was er machen könnte und meinte schliesslich, das würde gut zur Delle vorn passen. Er geht morgen fischen und vielleicht kommt er nochmal in der Früh vorbei, bevor wir weiterfahren. Zum späteren Abendmahl hab ich mir jedenfalls noch zwei seiner Eier in die Pfanne gehauen.

Morgen geht es weiter nach Hari Hari, das gar nicht weit von hier ist. Dort wwoofen wir zusammen auf dem Hof „Wildside“ mit Bienen, das sich als lebendes Museum im Fünfzigerjahrestil bezeichnet, da es dort keinen Strom und eine Komposttoilette gibt. Sowas hatte Hundertwasser im Sinn, vielleicht haben sie sein Modell nachgebaut. In der Nähe sollen heisse Quellen zum Baden sein, die wir auch besichtigten wollten und womöglich dürfen wir mit zum Jagen und Angeln. Dort wird laut Beschreibung gegessen, was sie fischen und jagen. Wir fühlten uns an die Beschreibung eines Wildfood Restaurants mit dem Motto „You kill'em, we grill'em“ erinnert, wo man die überfahrenen Possums und andere Tiere verspeist. Hier gibt es auch das Wildfood Festival jedes Jahr, zu dem auch Dave schon das fünfte Mal als einer unter 18.000 Leuten gegangen ist: da wird dann alles Getier aufgetischt, das hier so herumfleucht oder eben gerade nicht mehr.

Wir haken die Liste der spannenden Dinge, die es hier zu erleben gibt, recht flott ab und schätzen unsere Gesellschaft sehr. Allein kann das Couchsurfen etwas weniger komfortabel sein, zu zweit haben wir ein echtes Vergnügen daran. Gut ist vor allem, dass Claudia sich ebenfalls für alle möglichen Dinge von Sport und Kultur und Natur zu Arbeit und Menschen interessiert. Mit ihr lässt sich alles wacker, fröhlich und unverdrossen anpacken. Trotzdem sind wir froh, allein zu reisen. Wir mögen unsere Gesellschaft, die sich so zufällig ergeben hat, sehr, aber es ist auch gut, sich dann wieder allein zu orientieren. Nun haben wir aber noch zwei Wochen, die wir sehr sparsam, aber sehr erlebnisreich mit couchsurfen, campen und wwoofen verbringen werden. Möge uns Madaz sicher und gnädig an alle herrlichen Orte zu lauter netten Menschen bringen!

1 Kommentar:

Saschi hat gesagt…

Hi, gratuliere zum neun Auto! Müsste ein Mazda 626 sein (oder 323 er?) Stand bei mir auch immer mit auf der Liste. Gutes Auto jedenfalls. Ob eine Bemalung den Wiederverkaufswertr steigern würde bliebe abzuwarten. Sicher würde der kunstrverständige Kunde dafür ein Vermögen ausgeben, aber den muss man erstmal finden. Conny hat sich daher bei ihrem neuen auto zu Christkind für ein unaufdringliches Grau entschieden.
Sweeetas werd ich in meinen Wortschatz einbauen.