Montag, 4. Mai 2009

Birndl, der Bennett und das nahe Ende einer steilen Karriere

Das Birndl

Mittlerweile habe ich ja ein Auto. Es mag schickere und grössere geben (abzählbar viele in Neuseeland, abzählbar viele, aber letztlich doch unmöglich zu zählende, in Deutschland). Mein Madaz ist ein funktionierender Verkehrsteilnehmer und als solcher mit Licht und demzufolge auch Glühbirnen ausgestattet. Und weil Madaz seine Dienste seit 1989 zu tun hat, fällt so eine Birne schon mal aus. Wenn auch nur vorne rechts und auch da nur teilweise, so dass das Aufblendlicht noch entgegenkommende Autofahrer blendete. Das könnte teuer werden, vor allem, wenn man auch noch mickrige 80 km/h auf gewundenen Straßen fährt. Also musste eine neue Birne her. In der 2000 Einwohner Metropole Alexandra gibt es einen Autodandler, der offenbar Autoteile schrottreifer Autos sammelt und sie in seiner Garage beeindruckend ordentlich aufreiht. Ich baute die Birne aus, zeigte sie vor und stellte fest, dass sie sogar einen Namen hat: H6. In seiner Garage gab es allerhand, vor allem H4, aber keine H6. Ähnliches ereignete sich in den Tankstellen Alexandras – viele Birnen, aber nicht die richtige und dazu immer eine kleine nette Konversation, wie sehr man das doch bedauere und dass man mir dennoch alles Gute wünsche. Da ich mehr als ungern aufgebe, fuhr ich gestern nach Roxburgh, um dort in der Tankstelle nach einer H6 zu fragen. Der nette blonde Tankstellenwärter wollte erst mit eigenen Augen sehen, dass ich auch wirklich eine H6 brauche, bevor er das Suchen anfing. Ich baute also wieder einmal aus- ganz stolz, wie lässig ich die Motorhaube öffne, das Plastikding vom Gummiding ziehe, die Klammer öffne und das Birndl raushole und dann die offensichtliche Beschriftung „H6“ vor seine Nase halte. Das sei erstaunlich, meinte er. Ich schaute triumphierend und meinte, er hätte sich sicher gedacht, ich Stadtmädel hätte keine Ahnung wovon ich spräche, was er mit „No, quite the contrary, when you stepped into my shop, I thought this chick knows what she is talking about“ recht ansehnlich konterte. Nun müsse gleich im Nachbarladen im Katalog schauen, ob man die Bestellung aufgeben könne. Den Ladenschlüssel zum sonntags geschlossenen Nachbarladen hatte er - eh klar, im familiären Roxi. Ich solle derweil ein Auge auf die Tankstelle haben, dass da nix passiere. Dass er nicht dachte, ich könnte ihm die Kasse ausräumen, fand ich freundlich von ihm. Der Katalog kannte keine H6, der Gute hatte allerdings einen eindeutigen Kiwilösungsansatz: Ich solle doch gleich mal zur Müllhalde (dump, tip oder auch Tiffany's genannt) fahren, da könne ich die Lichter ausbauen und nach einer Birne suchen und gegebenenfalls eben eine zufeilen, so ich keine passende fände. Das befeuerte meine Abenteuerlust und ich machte mich mit Leo gen dump auf, wo uns ein netter Rentner empfing und uns viel Vergnügen wünschte. Mit einer Brechstange machten wir uns an den Autos zu schaffen und brachten es auf drei funktionsfähige Birnen namens E1. Nebenher noch eine „National Geographic“, Handschuhe und eine Thermoskanne, die sich in den Kofferräumen der Schrottautos fanden. Der freundliche Rentner bestätige mich darin, dass man so ein Birndl doch einfach mal einbauen könnte, 12 V hatten die E1, ganz wie meine H6. Mit ein bisschen roher Gewalt, dem Verbiegen der Metallklammer und dem Hinschieben des Gummidings und dem leicht forcierten Aufstecken des Plastikdings habe ich nun ein 1a- Licht für ummasonst und sogar zwei Ersatzbirnen. An der Tankstelle hätte ich 19 Dollar für eine H4 bezahlt, die auch nur ähnlich ist. Leo meinte, ich sei dem Kiwiansatz nun schon verdammt nahe und als ich später tanken fuhr, freute sich mein blonder Tankstellenwärter.

Wenn wir aber nicht über den Dump hüpfen oder unsere Winterkleidung im Altkleiderladen aufrüsten, pflücken wir nun Grannies, das nachgerade sichere Ende der diesjährigen Pflückerkarriere. Ein paar Bins sind für unsere Zähne drauf gegangen, Leo und ich liessen uns eine Füllung in Alexandra von einem jungen englischen Zahnarzt verpassen, der nach Neuseeland gezogen ist, weil man hier ganz gut skifahren kann und es doch eindeutig weniger stressig zugeht. Es soll hier ein paar sehr schöne Skitouren geben, vor allem eine Gletschertour, für die man eine Woche rechnen sollte. Ein Traum, genau das würde ich gerne machen, ich werde dafür mal den hiesigen Alpenverein kontaktieren.

Nachdem ich nun über mein Leben in epischer Breite nachdenken konnte, ist mir Abwechslung recht und ich habe ein Interesse entdeckt, auf das ich sehr lange gewartet habe: Geschichte. Eher Weltgeschichte als nur die deutsche Sicht, auch wenn Deutschland mit seinen paar Leutchen beträchtliches Aufsehen erregt hat. Es gibt da ein Buch von Niall Fergusson, betitelt „The War of the World“, das der Frage nachgeht, warum das zwanzigste Jahrhundert besonders grausam war. Auf sechs CDs in nahezu acht Stunden vorgelesen, lerne ich nun endlich, wofür ich mich bis dato vor allem wegen blanker Ignoranz zu schämen hatte. Die Bücherei in Alexandra machte es möglich und nicht nur das, sie hatte auch weiter Joe Bennett Kolumnen auf Lager (ich kenne keinen vergleichbar guten Kolumnisten- philosophische Tugenden hat er zu Hauf mit Klarheit, präziser Sprache, einem absolut treffsicheren Humor und schlicht schierer Könnerschaft) und einen Wälzer „The Visual History of the World“, der mich auch inhaltlich schier umhaut. Mann, Mann, was habe ich nachzuholen. Aber ich bin sicher, das wird. Die Geschichte Neuseelands fasziniert mich ja nun schon seit einer Weile, da könnte es doch munter mit anderen Weltteilen weitergehen.

Ein bisschen traurig bin ich, dass sich unsere Pflückergemeinschaft auflösen wird, am meisten bedauere ich, dass Jochen und Alex sich nach Asien aufmachen werden. Wir haben entdeckt, wie ähnlich wir uns in einigen Dingen sind, vor allem haben wir einen Humor, der uns die Freizeit oft lachend zusammensitzen lässt. Alex hat sich neulich den Fuß vertreten und ich fragte täglich, wie es ihr geht. „Besser“, war die Antwort immer. Dann kam Jochen mit einer grossen Säge ums Eck und ich meinte, „ich dachte, Alex Fuss sei besser geworden?!“- hihi! Alex und Jochen reisen wie ich: immer der Nase nach, mal sehen, wie lange man wo bleibt und mal sehen, was passiert, wir packen das. Wenn das Geld ausgeht, sucht und findet man einen Job. Ganz anders das andere deutsche Paar: sie wirken eher gestresst, haben ein Jahr geplant und allen (offenbar beträchtlichen) Besitz zu Geld gemacht, keinen Job in ganz Australien gefunden und hecheln nun eher unentspannt ihrem akribischen Plan nach mit einer sehr genauen Vorstellung, wann sie wo was erleben werden. Und Äpfelpflücken bedeutet emsiger Konkurrenzkampf. Huiui, das wäre nix für mich. „Ich lass mich ned stressen“, meinte Jochen, „schon gar nicht beim Reisen!“ Reisende sind eben auch sehr unterschiedlich.

Ein bisschen Heimat ist mit Gerhard Polt und Hans Söllner zu mir geschwappt, wenn ich zweiteren auch ein bisschen platt und monoton finde. Es ist doch weit mehr Bayern als Deutschland, was ich vermisse. Die Berge, die Dialekte, die Muhackln, mei, es is scho o schee, derhoim! Aber ich weiss auch, was ich von Neuseeland vermissen werde: die Weite, die Schafe, die Kühe, die Vögel, die hohen Weiden, die Vielfalt der Natur- dichter nasser Busch an einem Ort und 100 km weiter Trockenheit und Felsen. Das Gelassene, die freundlichen Schwätzchen in den kleinen Läden, das Improvisierte, Selbstgemachte, Meer und Berge so dicht zusammen. Nach dieser Erfahrung wird es noch schwieriger für mich sein, mich in eine geschniegelte Welt einzufügen.Wenn das mit dem Erwachsenwerden bis dreissig noch nicht geklappt hat, wird das vermutlich sowieso nichts mehr.

Und damit ihr wisst, was ich meine, wenn ich von Joe Bennett schwärme, hier ein Schmankerl aus seinem „Eyes right (and they's wrong)“:

Suffer the little goats

It's half six in the morning and the trees are thrashing and the rain is slanting and it feels like one of the bad bits in a worse film about satanism and I've just battled down the drive to fetch the paper and as I battled I was struck, as one so often is, by the fundamental question that underlies all systems of moral philosophy, the bedrock question that you reach when all fripperies are washed away by the ferocity of the weather, to wit: how hard is it to help a goat?
The goat, or rather thhe goats, both of them, lodge at my place. And it isn't a bad place to lodge. They've got two paddocks. When they've eaten most of the grass in one, I move them to the other, and then, some weeks later, rather cleverly, I move them back again. It's a system of farming all of my own and I strongly recommend it to anyone out there in the animal husbandry business, though I generally avoid using the term animal husbandry when speaking with urban types for fear of misunderstandings.
Stretching under the fence, so that the goats can get at it from either paddock, lies a stainless steel trough, which I refill daily from a good-quality kinkless hose. And every morning and every evening in winter, when the grass is not at its most abundant, I toss the little darlings heel ends of bread, the occasional carrot, banana skins, a fistful of goat nuts- which are not what they sound like but rather a nutritional supplement that comes in a sack- and the odd sock for roughage. These goats are fat.
In one of the paddocks stands a crude three- sided hut in which the goats can take shelter when the weather turns nasty. In the other paddock stands a palace. I built the palast last autumn. It cost me several hundred dollars, two thumb-nails and a firkin of sweat and it afforded me more satisfaction than anything except puberty. Even today, six month later, I still sometimes lumber up the hill merely to admire it, to smite the mighty solidity of its four-square corner posts and its roof trusses and to lean against it smug with the knowledge that I built it and that is good. At present I am carving a Latin inscription that I shall eventually nail to the palace's lintel. 'Hoc aedificavit Josephus MMVI', it will say.
The palace has got everything a goat could need in bad weather: mangers, sleeping quarters, a lounge and, above all, dry warmth. 'Suffer the little goats come unto me,' says the palace, 'that I might succour them when the southerly blows and the trees are thrashing and the rain is slanting and it feels like one of the bad bits in a worse film about satanism.'
But my goats are deaf. For as I was battling back up the drive with the paper and the dogs in the half-light of this tempestuours midwinter morning, I happened to look up to the paddocks where the goats lodge and there on the hillside, mute and stationary were the dim shapes of two goats. Sodden goats. Probably shivering goats. For goat pelts, however shaggy they may grow in winter, lack lanolin. Water permeates them, soaks to the skin. And when the trees thrash and the wind slants and all the rest of it, goats without shelter can die. Their internal systems falter, their extremities shut down, their knees fold, they sink to the ground, and their little tails wag feebly and then fall still for ever. Or so I've read, though what I read wasn't quite so affectingly poetic
So here were two goats in close proximity to crossing the bourn from which no traveller returns. And yet they were standing, and had presumably stood all night, in even greater proximity to a goat hotel so luxurious that it would banish in perpetuity all discomfort, all thoughts of unreturnable-from bourn crossing. But had they availed themselves of it? The question is redundant and the answer is inexplicable.
What more could a goat owner do? I had showered the goats with kindness and dollar bills and a palace and they had thrown the lot back in my face We will stand and suffer, thank you, they said.
And now, in my warm dry study, where I can hear the rain still beating its crazy tattoo on the roofing iron, I realise that this is far more thon a story of goatish intransigence. This is a story of pride, of independence, of the undying need to stand on our own four feet and bleat to the world that in our own small way we are who we are, take us for good or ill, and that pride is not a sin but rather what gives us worth. Two spoilt little goats but how their story ramifies. I think I'd better stop.

Bennett jedenfalls hat in mir einen wahren Verehrer gefunden – und er hat mir klargemacht, dass mein Englisch leider leider noch lange nicht da ist, wo ich es gerne hätte- es kommt mit meinen blöden Witzen einfach noch nicht ganz mit. Noch nicht?

1 Kommentar:

Saschi hat gesagt…

Hi grad in Eile, aber wenn du grasd mal an ner guten Leitung sitzt meld dich per skype, so zwengs boarischa Musi.... Hans Söllner kanns ja wohl nich sein....