Dienstag, 10. März 2009

Schnee, Äpfel und das Glück der Hausfrauen

Leo und ich haben mittlerweile eine Art Familienleben hier. Eine neue und ziemlich interessante Sache für mich. Wir leben in unserem Haus mit Don, Wai und Luksmi und gucken oft aus dem Fenster. Wenn es regnet gibt es nämlich keine Arbeit für uns. Die Damen im Packhaus dagegen verpacken noch die von uns gepflückten Äpfel und wir fragen uns manchmal, ob es nicht besser wäre, dort zu arbeiten. Man ist zwar nicht draussen, aber man hat feste Stunden und einen festen Stundenlohn und die letzten beiden Wochen haben sie sicher besser verdient als wir, obwohl wir es härter haben. Aber irgendwie finde ich diese Pflückmännerdomäne interessanter und es besteht die Hoffnung, dass es besser wird, vor allem, wenn wir das zweite Mal die noch verbleibenden Äpfel von den Bäumen holen.

Wenn die Äpfel wie gestern und heute nass sind, verkratzen sie schneller und wenn es kalt ist, brechen sie gar auf. Wenn es also regnet, bleiben wir daheim, fangen manchmal später das Arbeiten an oder eben gar nicht. Wir zahlen 30 Dollar in der Woche für unsere Unterkunft und wir spielen Scrabble. Vor allem kochen wir und bekochen unsere Familie. Mittlerweile sind wir dazu übergegangen, unser eigenes Brot zu machen, einen Apfelkuchen und sogar Apfelsaft. Die herrlichen Dinner gibt es natürlich weiter. Leo hat in der Küche sicher mein Energielevel und wir machen gleich mehrere Dinge gleichzeitig und nacheinander und alles läuft zackig und rund, während ich nebenbei noch dazulerne. Er ist organisiert und alles wird sofort gespült.

Das Apfelpflücken selbst sollte nun eigentlich leichter werden, so dachten wir. Leider ist das ganz falsch. Als wir noch Cox Orange von den Bäumen pfrimelten, guckten wir sehnsüchtig zu den Royal Gala hinüber, die im Vergleich dazu alle überreif aussahen. Da hatten wir uns aber mächtig getäuscht. Royal Gala werden nur gepflückt, wenn sie wirklich knallrot sind. Das sind sie in den seltensten Fällen. So brauchten wir am Montag 5 Stunden um unseren Bin zu füllen. Einer der Traktorfahrer versuchte mich aufzumuntern mit den Worten, Pete, unser Boss, würde bei diesen Äpfeln viel besser bezahlen. Wir verdienen bei diesen grossartigen Äpfeln dann 40 anstatt der 38 Dollar. Ich lief um die Bäume herum, guckte verzweifelt hinauf, rutschte auf der Silberfolie herum, die zwischen den Bäumen ausgelegt ist und landete meist in tiefen Matschlöchern. Den Matsch trug ich meine 3,6 m hohe Leiter hinauf und hinterher fiel er mir in Gesicht und T-Shirt. Erst pflückte ich zu viele unreife Äpfel, dann liess ich zu viele auf den Bäumen, die sich gut hinter Blättern versteckten. Und oft blieb der Stiel einfach am Baum hängen, weil ich offenbar zu sehr zog, aber es war nicht anders zu machen, wenn der Apfel auf fast fünf Metern hängt. Wenn ich die Stiele dann doch mitnahm, verkratzte ich die Äpfel, wenn ich sie gen Ast hochrollte. Irgendwas ist also immer. Aber wir können uns ja damit aufrecht halten, dass wir für fünf Stunden Arbeit lässige zwölf Euro verdienen- yeah! Brendan, unser anderer Traktorfahrer kam vorbei und bemitleidete uns. Er meinte, die Äpfel seien „nothing but trouble, no matter what you do“ und half uns manchmal sogar pflücken.

Trotz alledem gibt mir der Job viel. Ich bin durch verschiedene Stadien gegangen. Da war die anfängliche Euphorie, einen Job zu haben und draussen zu sein und genau das zu tun, was man eben in dieser Situation als Working Holiday Maker macht. Und es ist schön, neues Spielzeuggeld (NZ Dollars) jede Woche überwiesen zu kriegen. Ich kriege mit, wie die Dinge hier ablaufen, wie es ist, einen Apfelgarten zu haben und worauf man zu achten hat. Es gefällt mir auch, dass die Äpfel, die ich hier pflücke gerade von Euch gegessen werden könnten, da sie alle in den Export gehen.

Ich hatte mein schreckliches Tief letzte Woche und sah überhaupt keinen Sinn mehr in all dem blöden Getue für die paar Kröten, die einen eben gerade so über Wasser halten. Überall Matsch, was ich machte, machte ich falsch und es schien kein Ende zu nehmen in der brütenden Hitze. Ich sagte mir, das ist ein Job, in dem man sehr stark auf sich selbst zurückgeworfen ist. Man muss sich selbst motivieren. Und ich habe entdeckt, dass meine Einstellung wirklich den grossen Unterschied macht. Ich mache meinen Tag, nicht die Situation. So lasse ich mich nicht mehr besonders beeindrucken, höre Musik und denke über mein Leben nach. Dafür ist letztlich doch genug Zeit. Und schon ist wieder alles gut. Und zwischendrin entfleucht mir ein Wahngelächter und ich merke, dass ich auf so etwas wie körpereigene Wahndrogen komme, was Leo ein bisschen verwundert. Wenn später im Leben einmal nichts mehr geht und ich wirklich keinen Job haben sollte, so kann ich immer noch so etwas machen, um mich über Wasser zu halten. Mit dieser Gelassenheit und Zuversicht habe ich das Gefühl, dass mich nichts mehr so leicht umhauen kann. Dafür bin ich unfassbar dankbar. Leo hat recht mit seiner Aussage, dass ich mich hier auf dem grossen Abenteuerspielplatz befinde. Was ich ausprobiere, bringt mir Sicherheit und Lebensfreude. Was das Geld anlangt, bin ich immer noch gut dabei mit viel Sparsamkeit wwoofen und jobben. Madaz spart mir Übernachtungskosten und ist letztlich billiger als der Bus, vor allem, wenn ich in Gesellschaft mit ihm reise.

Jetzt ist es übrigens aus mit brütender Hitze, wir haben Schnee auf den Hügeln der Umgebung heute nacht gekriegt und ich bin glücklich über meinen neuen warmen Schlafsack. Keine Arbeit natürlich und auch gestern nutzten wir die Gelegenheit zu einem kleinen Ausflug nach Alexandra, vierzig Kilometer von hier. Es gibt immer was zu tun. Leo braucht einen neuen Pass, Madaz eine neue Registrierung, meine Telefonrechnung muss bezahlt werden und ich brauche mal wieder zumindest einen Buchladen. In Alexandra hat ein Kanadier seinen Buchladen „Wanderlust“ aufgemacht und wir kamen in ein nettes Gespräch über das Leben in einer winzigen Stadt nachdem er zuvor in der Nähe von Montreal gelebt hat. Die Kiwis lesen wohl sehr viel, viele fahren durch Alexandra und er hofft das beste. Er weiss, wie es ist, das Stadtleben zu vermissen. Er hat sich mit Neuseeland fürs Wandern und die Natur entschieden und diesen wunderschönen kleinen Laden aufgemacht. Stöbern, lesen- choice! Ich brauche das, ich vermisse es. Und ich habe mit Armistead Maupins „The Night Listener“ neuen Stoff, den ich Leo im Bett vorlesen kann. Bei Shakespeares Lear ist er doch zu schnell eingeschlafen.

Leo und ich sehen wie es ist, das gemeinsame alltägliche Leben mit all seinen kleinen Unwegsamkeiten und Diskussionen. Ich bin recht glücklich mit Leo, wir sind absolut gleichberechtigt und ich fahre Auto genauso wie er, wir kochen und putzen gemeinsam. Und er schliesst den Schlüssel im Auto ein und nicht ich, aber er bricht dafür auch ordnungsgemäss wieder ein ;). Er hört zu und ist interessiert an den Dingen, die ich mag und lässt sich auf Diskussionen ein, wenn mich etwas stört. Er gewöhnt sich daran, dass ich sachlich und direkt sofort sage, wenn mir etwas nicht passt. So kommen wir sehr gut klar. Er hat nun bald eine Woche das Rauchen aufgegeben, was ich sehr beachtlich finde.

Wir werden sehen, wie lange wir hier bleiben. Bis jetzt sind die Entscheidungen noch nicht so klar. Wir checken jeden Samstag die Zeitungen für sinnvolle Jobs und reden darüber, wann wir wohin weiter wollen. Ich will hier schliesslich noch einige Wanderungen machen. Leo will im Grunde auch, nur zahlt er ungern für das Wandern im eigenen Land, was ich in gewisser Weise verstehen kann. Und dann wartet immer noch Australien auf uns.

1 Kommentar:

Saschi hat gesagt…

Hihi, lange nix gehört (Blog, Skype) is alles ok?