Dienstag, 3. März 2009

Apfelpsychologie

Wir werden vermutlich die Saison über in den Äpfeln bleiben. Das könnten bis zu zehn Wochen werden. Da kann man dann immerhin sagen, wir wissen, wie es ist, Saisonarbeiter zu sein. Unsere Kollegen sind teils ebenfalls Working Holiday Leute und teils Menschen, die jedes Jahr wieder Obst pflücken. Ich bin ziemlich beeindruckt, wie nett die Profis sind. Sie sagen uns genau, welche Äpfel wir pflücken sollen und lächeln und winken immer freundlich zurück. Das Nektarinenpflücken wurde stündlich bezahlt. Da hatte man Zeit zum Schäkern und gemütlich Nachdenken und hatte trotzdem seine hundert Dollar am Tag verdient. Hier sieht das nun anders aus. Wir werden für eine Kiste Äpfel mit 38 Dollar bezahlt. Man versucht also möglichst schnell möglichst viele Äpfel ins Körbchen zu bringen. Mit 40 Körbchen hat man die Kiste voll. Dabei müssen die Äpfel genau die richtige Farbe haben und zu klein sollen sie auch nicht sein. Es wird kontrolliert, was noch auf den Bäumen hängt und es wird kontrolliert, was in der Kiste ist. Die Äpfel müssen sehr behutsam behandelt werden, da sie schnell Kratzer und braune Stellen kriegen. Und wir müssen zackig unsere Leiter richtig platzieren, so dass wir auch an die obersten Früchte kommen. Das ist ziemlich mühsam, wenn die Äste sehr dicht sind. Wir machen höchstens eine halbe Stunde Pause und arbeiten kontinuierlich. Unsere Profifreunde kriegen in einem Tag vier Kisten voll, wir schaffen zusammen fünf. Und wir gucken immer, wenn der Chef vorbei kommt, dass wir auch alles brav richtig machen und hoffen, dass wir weder einen Strunk am Apfel gelassen haben, noch überpflückt haben, also zu viele Äpfel vom Baum geholt haben. Montag war ein wunderbarer Tag. Da konnten wir kleine Bäumchen zackig abarbeiten. Dienstag war grausam. Viele kleine Äpfelchen an den Bäumen aussen, nahe an den schützenden Weiden, die viel Schatten geben. Da rennt man dann ein bisschen vezweifelt hin und her und findet doch kaum was zu pflücken. Insgesamt ist das aber ein gute Job, daher macht ihn auch der Surfer Sascha. Man ist auf sich allein gestellt, bestimmt sein eigenes Tempo, kriegt einiges an Sonne ab und die Kollegen sind nett. Die Traktorfahrer, die unsere Kisten bewegen, haben selbst früher gepflückt und geben immer wieder Tipps, wie man am schnellsten gut voran kommt. Ich merke, dass es für mich sehr aufs Arbeitsumfeld ankommt, wenn es darum geht, zufrieden mit meinem Tun zu sein. Richtig nett ist, dass wir hier mit Don, Wai und Laksmi zusammen wohnen, unserer netten Maorifamilie.
Wir motivieren uns gegenseitig, das hier zu machen. Es heisst, die erste Woche sei am schwersten, danach sei man schneller und verdiene damit mehr Geld. Ausserdem gewöhnt sich der Rücken ans Tragen, momentan fühlen wir uns immer noch recht schwanger mit gut 20 Kilo Äpfeln vorm Bauch.

Das Zusammenleben mit Leo funktioniert sehr gut. Er kocht herrlich Dinner, gestern gab es Lamm, immer sehr viele knackige Gemüse und vor allem den weltbesten Kartoffelbrei. Ich würde ihm ja gerne helfen, aber in seinem Bereicht lässt er sich nicht dreinreden. Aber es gibt zum Glück genug andere Dinge, die ich im Gegenzug machen kann. Sein Lebenslauf soll am Computer erstellt werden, er will alles über Musik wissen und ist an allem was mit Bildung zu tun hat, sehr interessiert. Ausserdem motiviere ich ihn zum Sport und er hat sich fest vorgenommen, das Rauchen aufzuhören, zumal er es auch seinem Vater kurz vor dessen Tod versprochen hat.

Am Wochenende waren wir in Queenstown. Hier ist man schliesslich so richtig auf dem Land. Da gibt es schon zwei Supermärktchen in Roxburgh, die das Verhungern ausschliessen. Aber ich vermisse doch sowas wie Stadt. Wo man ein T-Shirt kaufen kann und Kino nicht nur alle zwei Wochen am Samstag mit genau einem Film ist. Es gibt eine Stadt, Alexandra, eine halbe Autostunde entfernt, in die wollten wir eigentlich fahren. Als wir dann aber um zwei dort waren, war alles zu und es handelte sich nicht um eine Mittagspause. Neuseeland ist in dieser Hinsicht sicher noch nicht globalisiert. Über Queenstown aber ein andermal etwas mehr.

Unsere Abende bestehen nach dem Essen aus einem Scrabble (bei dem ich den armen Leo bis dato recht wild abziehe) und manchmal aus einer Fahrt zum See Pinders Pond, in den man sich mit einem lauten Juchzer an der Schaukel schwingen kann.
Wir wollen sehen, wie lange wir hier bleiben. Im Grunde verdienen wir ordentlich, geben nicht viel aus und wohnen für 30 Dollar in der Woche. Danach geht es dann, so der Plan, nach Australien, wo wir gemeinsam in einem Hotel oder Restaurant arbeiten könnten. Das ist nochmal ganz anders für mich und für ihn ist es leicht, einen Job zu finden. Es ist gut, dass er aufs Geld schaut, so bin ich auch gut versorgt, weil ich auch nichts anderes mache, als mitarbeiten und wirklich Gegend und Leute sehe.

Unser Tag fängt an, wir müssen in die Äpfel und werden dort unsere acht Stunden bleiben.

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