Donnerstag, 5. März 2009

Nur die Harten kommen in den Garten (und Leo hat die Gärtnerin abgekriegt ;))

Das Apfelbusiness zeigt uns die Zähne. Es ist erstaunlich frustrierend, in der Hitze zu stehen und an kleinen Flecken, die man nicht ausreichend mit Sonnencreme bedacht hat, den Sonnenbrand zu spüren, mitten in einem Dickicht von Ästen, durch die man die Leiter irgendwie pfrimeln muss. Und dann steht sie da, man steigt hinauf mit dem riesigen Umhängeding und bleibt stecken- fluchend. Man verschiebt die Leiter, alles ist gut, man erwischt einen Apfel, die zwei daneben fallen aber auf den Boden und sind damit nicht mehr zu gebrauchen. Das Pflücken ist eine Kunst für sich. Man knickt die Äpfel gen Ast, den sie aber nicht berühren sollen und rollt sie dann, einem nach dem anderen vorsichtig in die Bauchtasche. Kratzer, Dellen, braune Stellen werden von Peter, unserem Chef moniert, der mit seinem Motorrad angebraust kommt und checkt, ob auch wirklich alle Äpfel geernet sind, die er haben will. Das sind natürlich bei weitem nicht alle. Er hält einem regelmässig zwei Äpfel vor die Nase, die sich in der Röte um 2,8 Prozent unterscheiden und sagt einem, dass man den einen sehr wohl, den anderen aber in keinem Fall pflücken darf. Sonst gibt’s eine kleine Predigt, zwischen all dem Leiter rauf und runter und zum Bin laufen, den die Traktorfahrer uns hin und hermanövrieren. Leo ist mittlerweile schneller als ich, kriegt aber auch ein wenig mehr Predigten. Er kommt auf zirka drei Bins am Tag, ich schaffe es zu zweien und helfen uns gegenseitig, den Bin am Ende zu füllen. Ich habe schwitzend geschimpft und er hat auch seine Tiefs, zumal, wenn man betrachtet, dass wir uns wirklich anstrengen und nicht ratschen und dann immer noch unter Mindestlohn arbeiten. Ich verdiene 76 Dollar am Tag mit zwei Bins, das sind dann lässige 30 Euro für acht Stunden harte Arbeit und einen schmerzenden Rücken. Nur die Harten kommen in den Obstgarten... Wir sagen uns, was die anderen wiederholen, die das seit Jahren machen: man wird schneller und die Äpfel werden reifer und die erste Woche ist immer die härteste. Auch die Profis kommen mit drei Bins am Tag nur schleppend voran und stehen auch ihre Kämpfe aus. Wir geben nicht auf, erst mal nicht. Und danach dürfen wir wandern, haben wir uns versprochen und der nächste Job wird vermutlich in Australien sein, Leo kocht, ich arbeite an der Rezeption oder als Küchenhilfe und grüble weiter brav nach, wo ich mein journalistisches Zeug am besten unterbringe. Ich sehe wieder mal, wie schön man es doch hat, mit einem ordentlichen Job, wenn man die rechte Ausbildung hat. Man hat die Wahl, auch wieder was anderes zu machen. Vor allem ist es eine gute geistige Übung, sich immer weiter zu motivieren. Eine positive Einstellung ist der Schlüssel zum Ganzen und jeden Tag einen neuen Start zu sehen.

Die Leute von TeachNZ haben mir geschrieben bezüglich meiner Chancen als Lehrer zu arbeiten. Das geht mir nicht aus dem Kopf und mit starkem Willen müsste das gut machbar sein. Wir lesen brav die Zeitung am Wochenende und finden schon das Rechte. Von meiner Bewerbung für den Journalistenjob hab ich noch nichts gehört.

Und nach der Arbeit ist natürlich Verwöhnzeit. Ich gehe im schönen See schwimmen und am Abend gibt’s Leos feinste Gerichte. Gestern Lasagne und immer wieder meinen heissgeliebten Kartoffelbrei. Wir spielen Scrabble und ich ziehe den Armen gnadenlos ab. Wir haben nun eine Art Lernvertrag. Ich bringe ihm bei, was ich weiss und kann und im Gegenzug bin ich momentan seine Küchenhilfe. Das kostet ihn Überwindung, macht er doch gerne alles selbst und verwandelt sich instantan in einen sehr ernsten Menschen, wenn er sein gutes schweres Messer aus Solingen zu schwingen anfängt. Aber da er lernen will, anderen Menschen freundlich und bestimmt Anweisungen in der Küche zu geben und ich einige Küchentricks lernen will, haben wir beide unsere Meister gefunden. Da sonst meist ich es bin, die in der Heimküche die Kommandos gibt, fühlt es sich ein wenig seltsam an, nun nur noch genau auf Kommando zu handeln und nicht mehr zu denken. Aber gut, Kompetenzen abgeben ist ja auch eine gute Übung.

Wir hoffen auf ein bisschen Regen für Samstag, so dass wir den Tag frei kriegen. Bestimmt werden wir aber am Sonntag, der ein optionaler Arbeitstag ist, wieder einen Ausflug machen und feiern, dass wir die Woche überstanden haben. Zweieinhalb Wochen Obst und Leo liegen hinter mir. Wieder alles ganz neu für mich. Auf einmal planen wir zusammen und es macht mir gar nichts aus. Das hätte ich nicht gedacht. Ich habe nicht das Gefühl, Freiheit aufzugeben, da er mich nur ermuntert, alles zu machen, was mir vorschwebt. Reisen, promovieren, als Lehrer arbeiten. Ich hab ihn täglich lieber. Und obwohl ich hier meine Tiefs habe, glaube ich, dass ich auf dieser Reise weit mehr gefunden habe als ich mir erwartet habe und meine Erwartungen waren nicht gering.

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