Dienstag, 10. Februar 2009

Viele Felsen und viel Wasser






Zu Johns Geburtstagsparty sollte ich am 5.2. kommen. Daher machte ich mich von meiner verrückten Kommune mit deren Versicherungen, ich könne gern wieder kommen (und wohl vor allem mich schief und krumm arbeiten) auf über den Arthurs Pass gen Westküste. Ich dachte, ich könnte ein wenig Zeit dafür brauchen, aber dass ich gleich drei Nächte und mit nur einer Schachtel Müsliriegel und einer Dose Thunfisch im Gepäck in den Alpen sein würde, war dann doch im
Vorhinein unklar. Aber wie das Leben so schön spielt, habe ich sehr viele nette Mitreisende getroffen, mit denen ich mein Essen teilen konnte. Sie bekamen Schokolade, ich eine frittierte Banane und fremdes Brot gabs mit meinem Thunfisch. Alles wonnig also. Auch die Nächte im Madaz waren ausgezeichnet. Auf meiner Campingmatte und Claudias Schlafsack, den sie für 20 Dollar als Schnäppchen aus dem Warehouse (ein Riesengemischtwarenladen, dens hier überall gibt, leuchtend rot erkennt man ihn schon, wenn man aus dem Busch herausfährt) schlief es sich ausgezeichnet. Ein bisschen frisch in der Nacht in den Höhenlagen, hab ich mich in meine mehreren Pullis eingemummelt und auf Parkplätzen vor Natursehenswürdigkeiten übernachtet.

Arthurs Pass hat nämlich einiges zu bieten. Da sind die wunderschönen Felsen von Castle Hill, die eine mystische Stimmung verbreiten. Ich sage sowas ungern, aber dort habe ich ein Gefühl entwickelt, wie ein heiliger Ort aussehen könnte. Es hat natürlich auch einen Riesenspass gemacht, auf den Dingern rumzukraxeln. Am Parkplatz traf ich drei sehr nette Franzosen, die sogar Englisch sprachen (ein Jahr Austausch im Falle von Marina...). Sie liehen mir ihre Kletterschuhe und legten mir ihr Crashpad zu Füssen und ermunterten mich, die schwierigeren Züge zu wagen. Am Abend sassen wir zusammen beim besagten Thunfisch- Bananen-Essen, Scott, ein Amerikaner und ein Pärchen aus Südtirol gesellten sich dazu. Scott packte seine Ukulele aus und ich meine Mundharmonika, so dass alles gleich nach ganz wilder Lagerfeuerromantik aussah. Doch, es war nett.

Cave Stream, ein unterirdischer Strom hat mir auch sehr viel Spass gemacht. 590 m kann man sich durch die Felsen im hüfthohen Wasser tasten und kraxeln. Mir hat es soviel Spass dort gemacht, dass ich gleich zweimal durch bin. Da steht ein Schild, dass es gefährlich sein kann, aber dass man eben wissen muss, was man tut. Das fand ich toll. Wir sind ja schliesslich keine kleinen Kinder. Besonders entzückt war ich natürlich, dass man keinen Eintritt zahlen muss wie bei vielen anderen derartigen Höhlen.

Nach dem zweiten Tag in den Bergen dachte ich mir, nun wärs aber gut und ich sollte weiter, zumal ich meinem Couchsurffreund Dave Scott meine Ankunft schon ein geraumes Weilchen angekündigt hatte. Aber nein, kaum im Örtchen Arthurs Pass angekommen, traf ich auf Richard und Tersia, sie Südafrikanerin, er Kiwi mit deutschem Pass. Wir plauderten in der Kneipe, gingen in eines der vielen Informationscenter, von denen DoC in jedem Örtchen eins hat und stellten fest: hier gibt’s eine tolle Wanderung. Tersia war noch nie in den Bergen, aber das hat nicht mal sie selbst gross gestört und kurz darauf erklommen wir 1100 Höhenmeter. Es war steil und es war anstrengend, aber die Aussicht war gigantisch und die Gesellschaft herrlich. Richard ist Physiker und hat lange Jahre mit Geologen zusammengearbeitet. Er kennt die Gegend sehr gut und erklärte mir, wie sich die Erdplatten zu den Berge zusammengeschoben haben, er zeigte mir Moose und Pflänzchen und am Abend lagen wir zu dritt unter den Sternen. Die beiden leben nun in London, das sie gar nicht so sehr schätzen und eigentlich wollen sie nicht nur für zwei Wochen nach Neuseeland. Ein tolles Paar, wie ich sie noch selten getroffen habe. Munter, lustig, interessiert und unerschrocken und sehr liebevoll.

Mit ihnen ging ich am Abend das erste Mal in ein Restaurant, wo ich eine gigantische Pizza aß, die letztlich für drei absolut sättigend war. In der Hütte, in der sie übernachteten und die auf Vertrauensbasis lief (honesty box heisst ein kleiner Kasten, in den man 15 Dollar wirft, wenn man dort übernachtet) duschte ich und wir trafen auf Austin, einen New Yorker. Mei, was will man sagen- ein richtiges Stadtkind. Er war nur noch platt, dass ich hier mit Einheimischen rede und konnte gar nicht fassen, dass ich das erste Mal an diesem Abend in einem Restaurant war, wo er doch zweimal täglich dort essen geht. Für sein Auto zahlt er 55 Dollar am Tag, ohne Sprit und laufen würde er auch nicht gehen. Aber er hatte dann ja mich für einen halben Tag und wir liefen drei Stunden an einem Fluss entlang, was er wohl mächtig schwierig und beeindruckend fand und er sich niemals selbst zugetraut hätte. Schon heiter, ich fühlte mich gleich wieder sehr abgebrüht und robust, was ich im Vergleich zu Richard sicher nicht war. Der rannte nämlich förmlich die steilen Pfade nach unten und hatte seinen hellen Spass. Das liess ihm auch Zeit, seine 6! GB Photos und Videos zu machen, bis Tersia und ich jeweils bei ihm ankamen.

Nach diesem Ausflug machte ich mich nun aber wirklich zu Dave auf. Dass ich keine Geschwindigkeitsmessung hatte, war mir nun schon ganz egal, sie war kurz nach Christchurch ausgefallen. Das Fahrverhalten hat das nicht beeinflusst und meine biertrinkenden netten jungen Kiwis vom ersten Parkplatz meinten, das sei alles weiter kein Problem und irgendwer würde mir das bestimmt reparieren. Darauf warte ich noch... Dave hatte Klagen über die jungen Couchsurfer, die sich anmelden und nicht kommen oder einfach nicht mitdenken. Er ist halt trotzdem ein ganz ein Lieber und meint, es seien gute Kids, nur an der Erziehung mangele es ein wenig. Er hat sich für einen Job als Betreuer für autistische Kinder beworben und es sieht ganz so aus, als würde er den Job auch kriegen. Ich bin begeistert, was in ihm steckt und wie positiv und wandelbar er ist. Mit seinen Nachbarn machte ich ein Schwätzchen und sie wiesen mich darauf hin, dass das hiesige Lokalblatt einen Journalisten sucht. An dieser Bewerbung muss ich nun auch noch kleistern. Aber wie ihr gesehen habt, kommen die Schreibtätigkeiten momentan doch sehr kurz....

In Ross, Daves Örtchen, lief ich im strömenden Regen auf der Spur der Goldsucher. Es wird vermutet, dass Ross und Umgebung auf ca. 700 Mio. Dollar Gold sitzt. Man müsst nur rumfischen und graben. Ich bin gespannt, ob und wann das einer macht. Ich mag das Glitzerzeug ja nun nicht besonders und bin daher flott weiter. Natürlich konnte ich mir nicht verkneifen, auch bei Dan in Harihari vorbeizuschauen. Von Dan wurde ich mit einem Freudentänzchen und einer dicken Umarmung empfangen. Dort traf ich auf zwei junge Wwoofer, ein Kanadier und ein Deutscher, direkt nach Abi und Bund auf grosser Radltour durch Neuseeland. Ich hab sie für ihre Gefährte beneidet, die genauso teuer wie mein Auto waren und denke noch drüber nach, in Bälde umzusteigen. Das könnte ein Plan sein, wenn ich erst in Otago angekommen bin, wo ich Obst pflücken will. Endlich...

Erst fuhren Dan, die Wwoofer und ich gemeinsam zum „Dump“, wo wir Zweige abluden und es natürlich wieder ausgedehnte Schwätzchen und einen Joint gab. Glücklich fand Dan noch eine Flasche sprudelnden Apfelsaft und ein paar Biere, die freudig brüderlich geteilt wurden. Daheim angekommen hiess es, man müsse Holz holen und ein wenig fischen. So gings auf gen Strand mit der Motorsäge. Schon einigermassen platt nach all den Schleppereien verabschiedete man sich vom Meer, wo eh kein Fisch beissen wollte. Dan wollte noch einen kurzen Versuch an der Flussmündung wagen. Dass es der beste Fischtag seines Lebens werden sollte, konnte natürlich niemand ahnen. Wir fingen 42 Kawai, die alle ernstlich schwer sind, einer dürfte zwischen zwei und drei Kilo wiegen und zwischen 40 und 50 Zentimeter lang sein. Er warf die Angel, holte sie ein, ein Freudenjuchzer und ich rannte ins Wasser und sollte den glitschigen, zappelnden Fisch fangen, ihn an Land werfen und mit einem Stein töten. Mit einem grossen Stein und mit viel Schwung. Das kostete anfangs Überwindung, aber letztlich finde ich, dass es der Lauf der Dinge ist. Wenn ich Fisch esse, sollte ich damit leben können, dass er getötet wird. Und das eben manchmal von mir. Dan konnte nicht genug kriegen, wir drei anderen hatten Hunger und waren müde. Um neun, als die Sonne fabelhaft unterging, wars dann gottlob abgeschlossen. Dachten wir. Da standen uns dann nach dem Dinner noch mehrere Stunden säubern und filettieren bevor. Um eins in der Nacht fiel ich in meinen Schlafsack während die anderen noch feierten, tranken und rauchten- ein Dantag mal wieder. Action ohne Ende.

John war etwas beleidigt, dass ich es nicht bis zu ihm geschafft hatte, aber er kennt ja nun Dan, der ihn anrief und ihm sagte, er hätte mich gekidnappt. Ich kam mittags zu Johns Geburtstag an, machte ihm Brownies und Salat und brachte den Laden ein wenig in Schwung. Die Party wurde natürlich ein grosses Schmausen und ein noch grösseres Trinken. Teils mit Leuten, die John auch nicht kannte und die irgendwie durch den Busch brachen in der Annahme, eine besonders urige Kneipe gefunden zu haben. Es gab wieder Ukulelenmusik wilde Gesänge, Dan schnappt sich zwei Esslöffel zur Begleitung und spielte die Mundharmonika, was er wirklich drauf hat. Meine Brownies wurden in die Himmel gelobt und alles war gut. Als Dan und sein Kumpel zum Pub aufbrachen, verschloss John das Haus und die Armen haben wohl auf einer Couch in einem Hostel übernachtet, wo man ihnen die Stiefel stahl, die sie dann für 40 Dollar auslösen mussten. Schräge Sitten gibt’s hier auch...

Am Freitag brachen John und ich nach einem klassischen Danfrühstück mit vielen Eiern und Schinken zu unserer viertägigen Wanderung auf. Es sollte den Copland River entlang gehen, wo man nach sieben Stunden auf eine grosse Hütte, die Welcome Flat Hut trifft. Dort gibt es sehr grosse heisse Quellen, die in einem wunderbaren Bergpanorama liegen. Die Hütte wird von freiwilligen Hüttewarten betreut, ein Job, den ich auch gleich sehr attraktiv fand. Essen und Wohnen umsonst, Ruhe und Bücher im Haus und jeden Tage andere nette Leute. Dazu schöne Tageswanderungen. Da es mit Dan aber nun wieder mal später wurde, in der Frühe, kamen wir natürlich nicht so früh los und machten Halt an einer Hütte mit nur einem Stockbett. Voller schrecklicher Sandfliegen und Moskitos war darin kein Schlaf zu finden und ich zog nach draussen um, wos eher schlimmer als besser war. Ich habe an jeder Hand zirka zwanzig Stiche, eine gesprenkelte Stirn und das trotz Fleece, das ich mir übers ganze Gesicht gewickelt hatte. Seufz.

John war dann wenig auf wilde Wanderungen aus und ich konnte in den Felsen herumkraxeln. Besonders toll war der Ausflug einen Fluss hinauf, wo ich irgendwann einfach nur noch im Wasser war, von Pool zu Pool. Canyoning im Kleinformat also. Der schwere Rucksack war gut zu tragen und ich lobte mich mal wieder, weil ich mir eine ordentliche Ausrüstung gekauft hatte.

Die Hot Pools am Abend waren dann die pure Entspannung mit toller internationaler Unterhaltung. Ich muss Euch mal die besten Hitchhikestories erzählen, die ich dort mitbekam. Leider muss ich nun aber zur Arbeit.

Nun bin ich nämlich gross ins Müllbusiness eingestiegen. Im hiesigen unfassbar teuren Four Square Supermarkt (ein Duschgel kriegt man hier für 9,70 Dollar, mein Stundenlohn liegt bei 13,50...) liegt eine Liste der verfügbaren Jobs aus. Dort stand dann was von Putzen und im Laden sitzen und eine gute Figur machen, aber eben auch der Mülljob. Irgendwie schien mir das viel amüsanter. Wegen meiner hervorragenden Referenzen (so vermute ich zumindest) hat man mich auch gleich genommen und nun schichte ich Karton von einem Sack in einen anderen. Das ganze Unternehmen ist ziemlich heiter. Rainer und Cindy, er Deutscher, sie Amerikanerin, haben beschlossen, dass es in Franz Josef auch Recycling geben sollte. So sammeln sie nun Plastik, Dosen und Papier und Karton getrennt ein. Eine schöne Idee. Nur geben sie mir keine oder witzelnde Antworten, wenn ich frage, wo das Zeug denn nun hin soll. Nun, kommt da, wir sammeln hier erstmal. So gibt es hier überall in der Gegend Container und mit Folien abgedeckte Haufen, manches wird in gemieteten Scheunen gesammelt. Täglich ändert sich, was zu tun ist, mal bringt man die Säcke von a nach b, dann weiter nach c, ich warte nur drauf, dass sie wieder nach a kommen. Eine interessante Aufgabe ist auch, das meiste Plastik in den normalen Müll zu sortieren und dann auf die Flaschen zu springen. Ich vermute, dass eine Maschine da einen etwas höheren Effizienzgrad hätte. Zum Glück ist mir Heike, eine deutsche Krankenschwester, die für drei Monate herumreist, an die Seite gestellt. Sie lebt bei den beiden und schaufelt als Gegenleistung mit im Müll. Ein harter und langer Wwoofingjob. Wir werden viel gelobt, weil wir offenbar schnell arbeiten, man bringt uns Kartoffelsalat und lässt uns auch gern mal ein Päuschen machen- ganz dem Vorurteil entsprechend ist arbeiten hier doch viel relaxter als in Deutschland.

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